Längere Wege, tiefere Gebühren, wenn nötig Bussen

  03.09.2015 Aktuell, Burgdorf, Gesellschaft

Bisher hat die Bevölkerung einmal wöchentlich den Kehrichtsack vor die oder in die Nähe der Haustüre gestellt, wo ihn die Müllabfuhr aufgeladen hat. Das wird sich für Kehricht, Altpapier und Grüngut ändern, sobald das neue System für Sammelpunkte eingeführt ist.

Sammelpunktsystem
In Absprache mit Vertretern der einzelnen Quartierleiste hat die Baudirektion laut deren Leiter Peter Hänsenberger auf öffentlichem Grund Sammelstellen evaluiert – aber noch nicht alle definitiv festgelegt –, die mit einem blau aufgemalten Kehrichtsack gekennzeichnet werden. Hier müssen die Anwohner ihre zum Abholen vorgesehenen Güter deponieren. In drei Quartieren (Ämmebrügg im September, Meiefeld und Burgdorf Süd im Oktober) stellt die Stadt bereits im kommenden Herbst auf dieses System um, die anderen folgen bis Mai 2016 (Burgdorf Nord und Schlossmatt im März, Steinhof und Gsteig im April sowie Bahnhofquartier und Altstadt im Mai).

Ab 2016 wechseln die Burgdorfer Kehrichtsäcke ihre Farbe von grau zu blau, das Höchstgewicht darf dann nur noch 10 kg betragen. Die Grosscontainer (800 Liter) bei Überbauungen werden wie bisher geleert, Gewerbekehricht wie bisher abgeführt. Keine der über 100 Sammelstellen befindet sich weiter als 200 m von den im Radius liegenden Liegenschaften entfernt, wobei Gemeinderat Hugo Kummer «gegebenenfalls auf gelebte Nachbarschaftshilfe beim Tragen zählt».

Günstigere Kehrichtsäcke
Als Zielsetzung nennt Georg Brechbühl, Leiter Werkbetriebe, die Reduktion der Haltepunkte an fast jedem Haus, einen effizienteren Personaleinsatz, eine Verminderung der Umweltbelastungen und eine Verbesserung des Ortsbildes, wovon speziell die Innenstadt betroffen wäre. Bezüglich Personal erklärt Hänsenberger auf Befragen, dass Erfahrungswerte eine mögliche Einsparung beim Personal zeigen würden: «Wir haben seit drei Jahren in der Baudirektion vier Vollzeitstellen von 63 auf nun 59 Stellen abgebaut. Wir müssen nun warten.»

Vorgesehen ist die Anschaffung eines neuen Kehrichtwagens, wodurch 25 Prozent Diesel (2175 Liter) gespart und der CO2-Ausstoss um 5.7 Tonnen pro Jahr reduziert werden kann. Auch der Lärm nimmt ab.

Heute ist die Burgdorfer Abfallentsorgung kostendeckend und erreicht 2014 einen Grad von 108,64 Prozent, was einen Gewinn von Fr. 114 000.–bedeutet. Der langjährige Grad liegt bei 107,51 Prozent, wodurch der Fondsbestand – in den der Überschuss fliesst – per 31. Dezember 2014 auf Fr. 960 000.– angewachsen ist. Davon soll nun die Bevölkerung profitieren, weshalb die Gebühren für Sackrollen und Sperrgutmarken sowie für den Gewerbekehricht um 12,5 Prozent gesenkt werden. Derart fliessen Fr. 152 000.– an die Einwohnerschaft zurück. Die Kehricht-Grundgebühr wird neu jedem Liegenschaftsbesitzer pro Anzahl Wohnungen in seinem Haus zugestellt, der sie weiter verrechnet.

Zu schmutzig
Oftmals hilft nur Anschauungsunterricht, um der Bevölkerung die gedankenlose Verschmutzung der Stadt vor Augen zu führen. Entsprechend hat die Baudirektion ihre Mitarbeiter angewiesen, drei Wochen vor Start der Kampagne «Häb Sorg zu dire Stadt» Strassen und Plätze nicht mehr zu säubern. Eine Analyse ergibt mehrere betroffene «Hotspots» wie Schützenmatte, Bahnhofquartier, Altstadt, Gyrischachen und Steinhof / Lindenfeld. Am meisten «gelittert» wird Freitag- / Samstagnacht und während der Mittagszeiten auf den Schulwegen. Die Burgdorfer Schulen beteiligen sich an Präventionsmassnahmen, wobei zentrale Werte wie Rücksicht auf Allgemeingut und Eigentum anderer, Verantwortung für eigenes Handeln, ökologisches Bewusstsein (Umweltbelastung) usw. aufgeführt werden.

Beeindruckend verschmutzt und vor allem mit Zigarettenkippen übersät präsentieren sich vor Beginn der gemeinderätlichen Putzaktion vor allem die zwei neuen Schutzzonen Bahnhofquartier und das Gebiet Bahnhof Steinhof. Alle Ratsmitglieder sowie Mitarbeiter der Baudirektion stehen in weissen, mit dem Logo angeschriebenen Overalls im Einsatz, schwingen unter den erstaunten Blicken der Öffentlichkeit die Besen und montieren Abfalleimer und Hinweisschilder.

Fr. 60 000.– müssten nicht sein
Vor der behördlichen Putzaktion informiert Gemeinderat Hugo Kummer über die Problematik der zunehmenden städtischen Verschmutzung, wobei Littering, Sprayereien und Vandalismus 2014 Kosten von rund Fr. 60 000.– verursacht haben. 34 Strafanzeigen führten zur Ermittelung von fünf Tätern, was er als «Tropfen auf den heissen Stein» bezeichnet. Also beschliesst der Gemeinderat, nach diversen politischen Vorstössen seit 2011 das Problem an der Wurzel anzupacken. Den Behörden ist bewusst, dass Littering eine Erscheinung der modernen, individualisierten Gesellschaft ist, «wobei vielen der Umgang mit dem öffentlichen Raum und dessen Verschmutzung leider egal ist». Gesamtschweizerisch müssen für Littering Reinigungskosten von ca. 200 Mio. Franken aufgewendet werden, was Fr. 18.– pro Einwohner und Jahr beträgt. Rund 30 Prozent des im öffentlichen Raum anfallenden Abfalls wird durch Littering verursacht, 70 Prozent verschwindet korrekt in den Abfalleimern. Dabei handelt es sich mehrheitlich um Take-away-Verpackungen, Getränkebehälter, Zeitungen, Flyer und Zigarren, welche die meisten Kosten verursachen. Burgdorf verzeichnet jährlich ca. 75 Tonnen Litteringabfall, eine gesellschaftliche Erscheinung. Wer denkt beim Wegschnippen seiner Zigarettenkippe daran, dass die ausgewiesenen, effektiven Kosten pro Tonne Littering-Abfall in Burgdorf 13-mal höher sind als die Kosten für die Entsorgung einer Tonne Siedlungsabfall? Entsprechend wird der Stadtrat an seiner Sitzung vom 14. September über Anpassungen beim Abfall- und Gebührenreglement befinden.

Eigenverantwortung fördern Vorgesehen ist, für bewilligungspflichtige Anlässe auf öffentlichem Grund nur noch Mehrweggeschirr vorzuschreiben. Ausnahmen für kleinere Anlässe sind möglich. So sollen Abfälle und der Reinigungsaufwand massiv reduziert und das Image eines Festes verbessert werden.

Kummer weist auf die – wie in anderen Gemeinden – schrumpfenden Finanzen von Burgdorf hin und möchte jede Möglichkeit für Synergien, sinnvollen Einsatz der Mitarbeiter, weniger Schmutz und ein verbessertes Image von Burgdorf ausschöpfen: «Dafür sind Veränderungen nötig.» Eine Arbeitsgruppe Littering mit Vertretern aus den Direktionen Sicherheit, Bildung, Finanzen sowie einem externen Berater nennt als Ziele Prävention, Repression und Reinigung. So soll die Eigenverantwortung im Umgang mit Abfällen und Littering gestärkt werden.

Gezielte Repressionsmassnahmen (Bussen von Fr. 80.– bis 300.–, ausgestellt durch vermehrte patrouillierende Kantonspolizei) sollen Littering, wilde Deponien, Schmierereien, Wildplakatieren usw. verhindern. Zusätzliche Entsorgungsmöglichkeiten und gegebenenfalls Zusatzreinigungen sind bei Bedarf vorgesehen. «Aber immer steht die korrekte Entsorgung der Abfälle im Vordergrund.» Als Sofortmassnahme hat die Stadt vier 240-Liter-Rollcontainer für die Entsorgung von Alu, PET und Kehricht auf der Schützenmatte aufgestellt. Aber Vorsicht: Wer künftig seinen Kehrichtsack illegal entsorgt, muss gemäss kantonalem Bussentarif mit Fr. 200.– Strafe rechnen.

Gerti Binz


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