«Schlössli»-Areal soll saniert werden

| So, 29. Mai. 2016

BURGDORF: Das «Schlössli»-Areal mit der ehemaligen Villa Schmid zeigt markate Verfallserscheinungen – es soll saniert und durch zwei Neubauten ergänzt werden. Vom 19. Mai bis 19. Juni liegen die «Schlössli»-Unterlagen in der Burgdorfer Baudirektion auf. red

Beim 1869 errichteten – teils viergeschossigen – klassizistischen Bau handelt es sich um die seinerzeitige Privatvilla der Gebrüder Schmid, einer Unternehmerfamilie aus der Leinwandbranche mit Sitz in Eriswil, die im Hinblick auf die Eröffnung der Eisenbahnlinie ihren Geschäftssitz nach Burgdorf verlegte und gleichzeitig zu den Fabrikationsräumen eine repräsentative Villa erbauen liess. Die kantonale Denkmalpflege stuft den Bau als «absolut schützenswert» ein und stellt entsprechend hohe Anforderungen an eine Überbauung auf diesem Areal.

Zusammen mit der Denkmalpflege
In seinem Buch «Die Kunstdenkmäler des Kantons Bern – Stadt Burgdorf» (1985) schreibt der ehemalige kantonale Denkmalpfleger Dr. Jürg Schweizer in seiner ausführlichen Würdigung des Bauwerkes: «Die Villa Schmid ist eine durchdachte, bis in Einzelheiten des Steinschnitts sorgfältig abgestufte Schöpfung. Die Ausstattung innen und aussen ist nobel, wohllautend, jedoch nie prunkend. Die seit 1981 durch eine Grossüberbauung gefährdete Villa zwischen dem Bahnhof Burgdorf und der Kirchbergstrasse verdient absoluten Schutz.»

Die Villa Schmid ist für Burgdorf insofern bedeutungsvoll, als «die Besonderheit des Areals mit dem aufgeschütteten Hügel als Unterlage für die ‹Schlössli›-Villa die Ablesbarkeit der historischen Gewerbeentwicklung der Stadt dokumentiert. Die ehemaligen Freiraumstrukturen zeugen von blühender industrieller Vergangenheit und müssen teilweise beim Bau von Bahnhof und Kirchbergstrasse abgetreten werden. So ist die Verlagerung des Transports von der Strasse auf die Schiene aus der Ausrichtung der Bauten ersichtlich. Während auf dem Burgdorfer Stadtplan von 1872–74 der ehemalige Park der Villa Schmid mit all seinen repräsentativen Details wie Kutschenvorfahrt, Kringel- und Nutzgarten, Gartenpavillon, Gärtnerhaus, Kutschenremise und Stallung noch abgebildet ist, zeigt ein Luftbild von 1934 bereits grosse Teile des Parks, die den Bahnanlagen ‹zum Opfer› gefallen sind.»

Heute ist der Park stark überwachsen, soll jedoch im Zug der Liegenschaftssanierung in enger Zusammenarbeit mit der Denkmalpflege wiederhergestellt werden.

Mitwirkung erwünscht
Während also seit 35 Jahren immer wieder Projekte studiert und verworfen worden sind, beschäftigen sich seit rund 25 Jahren die heutigen Liegenschaftsbesitzer der Schlössli Burgdorf AG mit dieser Aufgabe. Die Parzelle mit einer Gesamtfläche von 6250 m² unterliegt einer Zone mit Planungspflicht. Die Besitzer haben das Architekturbüro Hunziker Architekten AG in Bern mit der Ausarbeitung eines Richtprojektes beauftragt, dem der Richtplan «Entwicklungsschwerpunkt Bahnhof Burgdorf» zugrunde liegt. Damit sollen Voraussetzungen für den vorgeschriebenen Anteil an betreutem Wohnen geschaffen werden.

Richtprojekt und Überbauungsordnung sind ab sofort für die Öffentlichkeit während der Bürozeiten in der Baudirektion, Lyssachstrasse 91, einsehbar; hierher sollen auch die Eingaben geschickt werden (oder: mitwirkung@burgdorf.ch). Dank der öffentlichen Mitwirkung hoffen die Verantwortlichen in der Baudirektion auf zahlreiche Rückmeldungen zum Projekt, Einwendungen und Anregungen.

Gangbarer Weg
Zu Beginn der Medieninformation betont Burgdorfs Stadtpräsidentin Elisabeth Zäch genau wie die Redner nach ihr «die Einzigartigkeit der klassizistischen Villa und deren unbedingten Erhalt». Donald Vogt erwähnt «ein Vierteljahrhundert Planung, vorübergehender Sistierung des Projektes und dass sich jetzt aufgrund der geänderten Wirtschaftslage bezüglich der Mietpreise in Burgdorf die Möglichkeit ergeben hat, dieses Projekt wirtschaftlich zu realisieren». Er verweist auf die enge Zusammenarbeit mit der kantonalen Denkmalpflege bei der Ausarbeitung des jetzt vorliegenden Projektes.

Auch ein Entwicklungsprozess
Architekt Walter Hunziker betont, dass «ein Planungsprozess immer auch ein Entwicklungsprozess ist, bei dem Gremien nicht mit dem Holzhammer agieren, sondern einen gangbaren Weg suchen». Er erläutert die Entstehungsgeschichte der Villa Schmid mit dem grossen – inzwischen reduzierten – Umschwung, «was in Anbetracht der erwünschten Verdichtung auf einer solchen Parzelle und des Bestrebens, den ursprünglichen Park so weit wie möglich zu erhalten, einen Widerspruch in sich selber darstellt». Jetzt sei der Zeitpunkt für eine Neuüberbauung gekommen, denn die Bausubstanz der Villa dulde keinen Aufschub mehr.

Vier wichtige Punkte
Die ausgearbeitete Überbauungsordnung basiert laut Hunziker auf vier Punkten: Erstens benötigt die Villa städtebaulich Umraum, um ihren Charakter beizubehalten, weshalb die zwei vorgeschlagenen, leicht schräg gestellten Neubauten sorgfältig in die mit einer Planungspflicht belegte Parzelle einzupassen sind. «Seit Langem wird die Villa durch unterschiedliche Nutzungen bedrängt», führt er aus. «Wichtig ist, dass sie im eigenen Park ruhen kann.» Zweitens sichern die zwei langgezogenen Neubauten dank Quersubventionierung die Wirtschaftlichkeit der Villensanierung, die Hunziker als «Standbeine des ganzen Projektes» bezeichnet. Vorgesehen sind vier Stockwerke plus zurückgesetzte Attika mit insgesamt 72 kleineren Wohnungen (im Ostgebäude 27, im Westgebäude 39 sowie dank güns­tiger Passantenlage im Parterre auf ca. 600 m² kleine Läden, stilles Gewerbe usw.).

Bei Punkt drei räumt Architekt Hunziker ein, ihn habe an der Villa Schmid vor allem gereizt, dass dieses «Schlössli» – dessen erste Baupläne der Berner Architekt Horace Edouard Davinet entworfen und das Alfred Schaffner nach Überarbeitung zur Baureife gebracht hat – ursprünglich im Heimatstil konzipiert war und später als klassizis­tischer Bau errichtet worden ist. Einmalig sind die spiegelbildlich angeordneten Grundrissaufteilungen in allen drei Hauptgeschossen, in die Hunziker pro Geschoss je zwei kleinere Wohnungen einbauen möchte. Gemeinsam nutzen können die Parteien den grossen zentralen Raum in jeder Etagenmitte, für den sich der Architekt eine Verwendung als Ess-, Fitness- oder Aufenthaltsraum vorstellen kann.

Punkt vier betrifft die Grün- und Freiraumanlage, die für das «Schlössli» so wichtig ist. «Vom ehemaligen Park ist nicht mehr viel übrig, also müssen wir versuchen, das optisch aufzuwerten», erläutert Hunziker. «Sonst präsentiert sich die Villa wie ein Sandwich ohne Brot. Daher werden wir die Fassade des Westflügels Richtung Villa begrünen (die dortigen Balkone werden ins Haus verlegt) und den öffentlichen Weg von der Bahnhofunterführung Richtung Kirchbergstrasse mit Kies sowie Sitzbänken zum Verweilen ausstatten.» Durch diesen «grünen Trick» werde der reduzierte Park optisch vergrössert.

Endlich Bewegung
Peter Hänsenberger, Chef der Burgdorfer Baudirektion, ist zufrieden, dass endlich Bewegung in das Projekt «Schlössli» kommt und das Richtprojekt und die erarbeitete Überbauungsordnung öffentlich aufgelegt werden. Da die kantonale Denkmalpflege und der Fachausschuss bei den Arbeiten intensiv kontaktiert worden sind und positive Empfehlungen zum Gesamtprojekt abgegeben haben, ist dieses auf guten Wegen. Von den 300 fehlenden Veloabstellplätzen in Bahnhofnähe sollen 250 beim neuen Westflügel realisiert werden.

Voraussichtlich kann später eine gewisse Anzahl Wohnungen als Stockwerkeigentum erworben werden. Über die Gesamtkosten der geplanten Überbauung und Sanierung «Villa Schlössli» machen die Besitzer derzeit keine Angaben.

Gerti Binz

Neuen Kommentar schreiben

CAPTCHA
Diese Frage hat den Zweck zu testen, ob Sie ein menschlicher Benutzer sind und automatisiertem Spam vorzubeugen.

Kommende Events

Stellen

Immobilien

Diverses