Ein Traum hat sich erfüllt
12.08.2016 Aktuell, Burgdorf, KulturSchon als Jugendliche hätte Sonja Nydegger Musik und Theater gerne zu ihrem Beruf gemacht. Ein Vollzeit-Musikstudium lag damals nicht drin, doch die Burgdorferin bildet sich seit über 20 Jahren regelmässig stimmlich, gesanglich, tänzerisch und theatralisch weiter. Mit dem Engagement als Klärchen im «Weissen Rössl» bei der Berner Sommer Operette ist nun ein lang gehegter Traum in Erfüllung gegangen. Ein Interview.
«D’REGION»: Sonja Nydegger, wie sind Sie eigentlich zum Theater/ Musiktheater gekommen?
Sonja Nydegger: Wir führten in der neunten Klasse als Abschlusstheater «Der Mann im Mond» auf, bei dem viel gesungen wurde – und ich durfte die Hauptrolle spielen. Bei dieser Rolle – ich stand damals zum ersten Mal auf einer Theaterbühne – hat es mir schlicht den Ärmel reingezogen. Und diese Liebe zur Musik und den Brettern, die die Welt bedeuten, ist bis heute geblieben...
«D’REGION»: Aber ein Abschlusstheater ist doch normalerweise nicht der Ausgangspunkt für eine weitere Karriere…
Sonja Nydegger: Bei mir irgendwie schon. Diverse Musiker sprachen mich nämlich nach den Aufführungen auf meinen Gesang an und meinten, ich sollte meine Stimme unbedingt ausbilden lassen. Doch das konnte ich mir mit meinem Lehrlingslohn – ich lernte Drogistin – nicht leisten.
Deswegen bin ich der Sängerin und Schauspielerin Ruth Schibler bis heute unendlich dankbar, dass sie damals auf mich zukam, sagte, ich hätte gesangliches Potenzial, das man unbedingt fördern müsse – und mir anbot, mich zu einem symbolischen Preis auszubilden.
«D’REGION»: So haben Sie Ihre Grundausbildung bei Ruth Schibler absolviert.
Sonja Nydegger: Ja, genau, sie war für mich absolut genial, gesanglich wie menschlich. Nach ihrem Tod habe ich zuerst aufgehört zu singen, musste mir dann aber sagen, dass dies bestimmt nicht in ihrem Sinn gewesen wäre. So habe ich wieder begonnen, Unterricht im klassischen Gesang zu nehmen – und gehe bis heute jede zweite Woche in die Gesangsstunde.
«D’REGION»: Eine Musikausbildung lag bei Ihnen später auch aus familiären Gründen nicht drin. Musik ist trotzdem wichtig in Ihrem Leben…
Sonja Nydegger: Ja, Musik war immer eine Leidenschaft von mir, die ich über all die Jahre intensiv gepflegt habe. Und vor sechs Jahren hatte ich das grosse Glück, dass ich bei einer Kollegin ein Praktikum im Eltern-Kind-Singen machen konnte und seither darf ich an der Musikschule Region Burgdorf die «Weltenbummler» leiten. Neu ziehe ich auch ein Kinder-Sing-Theater auf, bei dem wir vom Gesang und Theaterspielen bis zu den Kulissen und Kostümen alles miteinander erarbeiten. Mal sehen, wie das ankommt…
«D’REGION»: Wie sind Sie denn eigentlich zur Operette und jetzt ins «Weisse Rössl» gekommen?
Sonja Nydegger: Über den Umweg übers Musical – und per Zufall…
1996 las ich – mitten in der Nacht, weil ich nicht schlafen konnte – ein Inserat, in dem Darstellerinnen für ein Musical gesucht wurden. Ich brachte den Mut auf, mich dort zu melden, und habe tatsächlich eine Rolle bekommen. So bin ich ins Musical gerutscht und habe dort mehrmals Hauptrollen gespielt. Parallel dazu habe ich im Chor des Städtebundtheaters Biel-Solothurn und Ensemble Leonardo mitgesungen, hier und dort Solopartien, aber immer nur im kleineren Rahmen. Vorletztes Jahr habe ich schliesslich per Zufall erfahren, dass in Bern die «Gräfin Mariza» aufgeführt werde und noch Chorsänger gesucht würden. Da habe ich mich gemeldet – und durfte einsteigen, obwohl die Proben bereits begonnen hatten. Nach Abschluss der Aufführungen fragte mich Regisseur Simon Burkhalter, ob ich Lust hätte, in der Operette «Im weissen Rössl» mitzumachen, die im August / September 2016 gespielt werde – er hätte mich gerne als Klärchen.
«D’REGION»: Wie haben Sie da reagiert?
Sonja Nydegger: Ich war überglücklich, denn mein Traum, auch einmal eine grössere Rolle im klassischen Bereich spielen zu dürfen, hat sich endlich erfüllt. Ich habe mit Freuden zugesagt.
«D’REGION»: Neben Ihnen sind alle Solisten-Rollen mit Profisängern besetzt. Wie ist das für Sie?
Sonja Nydegger: Das ist etwas speziell. Ich hatte anfangs effektiv Hemmungen und ein bisschen Angst, ob ich wirklich genügen würde, aber mittlerweile fühle ich mich sehr wohl in der Truppe. Das hat auch damit zu tun, dass mich alle von Anfang an akzeptiert haben und mich nie jemand hat spüren lassen, dass ich der einzige Nicht-Profi unter den Solisten bin. Das rechne ich meinen Kollegen sehr hoch an.
«D’REGION»: Was gefällt Ihnen an der Rolle des Klärchens besonders?
Sonja Nydegger: Das Klärchen ist etwas naiv, leicht dumm, vor allem hat sie ein riesiges Herz – und sie hat eine grosse Affinität zu Plüschtieren, so wie ich selber auch (lacht). Nein, im Ernst: das Klärchen ist eine komödiantische und vielseitige Rolle, die auch Tanzeinlagen verlangt, und das alles liegt mir sehr. Das können Ihnen alle bestätigen, die mich kennen (lacht).
«D’REGION»: Das Klärchen lispelt. Ist das schwierig für Sie?
Sonja Nydegger: Eine interessante Frage. Das Lispeln selber ist vor allem im Gesang nicht ganz einfach, weil ich bei jedem Wort ausprobieren muss, ob dieses mit Lispeln noch klingt oder nicht. Das Schwierigste dabei ist aber zu akzeptieren, dass ich sängerisch nicht mein ganzes Können zeigen kann, wenn ich ganz in der Rolle bleiben will und da gehört eben dieses Lispeln dazu…
Danke für das Interview – und viel Erfolg als Klärchen!
Andrea Flückiger
Aufführungen im Sternensaal Bümpliz, 26. August bis 11. September 2016. Weitere Informationen unter www.sommeroperette.com.