Engagement für das Care Team des Kantons Bern
06.02.2017 Aktuell, Wiler, Bildung, Region, GesellschaftBei Industrie- und Fahrzeugunfällen, bei Grossbränden, bei Lawinen und Erdrutschen, aber auch «kleineren» Alltagsereignissen, die einen Schock oder gar ein Trauma auslösen können, werden im Kanton Bern für die erste psychosoziale Nothilfe häufig die Mitglieder des Care Teams des Kantons Bern aufgeboten. «D’REGION» unterhielt sich mit Pfarrer Pascal-Olivier Ramelet, der vergangene Woche die Ausbildung zum Care-Profi begonnen hat.
«D’REGION»: Pascal-Olivier Ramelet, Sie haben sich für die Mitarbeit beim Care Team des Kantons Bern gemeldet und haben jetzt die erste Ausbildungswoche hinter sich. Wie war das für Sie?
Pascal-Olivier Ramelet: Die Woche war sehr dicht, sehr spannend – und auch anstrengend. In einer neu zusammengestellten Gruppe – zusammen mit Kolleginnen und Kollegen aus den Kantonen Bern und Zürich – durchliefen wir ein interdisziplinäres Programm. Dabei wurden meine Techniken und Zugänge aus der Theologie und dem Pfarrberuf mit psychologischen, psychiatrischen, kommunikativen und organisatorischen Aspekten erweitert und kombiniert.
«D’REGION»: Gab es Highlights?
Pascal-Olivier Ramelet: Wir waren eine sehr motivierte und für mich von der Zusammensetzung her spannende Gruppe. Als Pfarrer komme ich zwar mit sehr vielen Leuten in Kontakt, aber so viel Zeit, um mit Psychologinnen und auch Fachpersonen aus dem psychiatrischen Bereich ein gemeinsames Ziel zu erreichen, hatte ich bisher noch nie. Ausserdem war für mich die Möglichkeit, wirklich am Thema dranzubleiben und Kenntnisse zu vertiefen, eine sehr gute Erfahrung.
«D’REGION»: Gab es auch Sachen, die Ihnen Schwierigkeiten machten?
Pascal-Olivier Ramelet: Ich würde es nicht Schwierigkeit nennen, sondern eher eine Herausforderung. Als Ortspfarrer habe ich in der Seelsorge meist einen offenen Zeithorizont. Das heisst, Begegnungen sind oft der Auftakt zu späteren Begegnungen und zu weiterführenden Beziehungen.
Im Care Team ist das anders. Das Care Team bietet psychosoziale Nothilfe an, das heisst, Care-Team-Mitglieder haben nur in der ersten Phase nach einem Ereignis mit den betroffenen Personen zu tun. Wir helfen zum Beispiel, das Geschehene auszuhalten, versuchen die Betroffenen so zu unterstützen, dass sie wieder handlungsfähig werden, und wir helfen ihnen, eine Strategie zu finden, wie es in einer zweiten Phase weitergehen kann. Unser Einsatz bei einer betroffenen Person ist meistens auf die ersten paar Stunden nach dem Ereignis beschränkt – was danach passiert, ist nicht mehr Sache des Care Teams. Wir müssen damit leben, dass wir kaum je erfahren werden, wie es nach unserem Einsatz weitergegangen ist und ob oder wie Betroffene wieder ins Leben zurückgefunden haben.
«D’REGION»: Welches sind Ihre Gründe, sich überhaupt im Care Team zu engagieren?
Pascal-Olivier Ramelet: Das ist eine Frage, die wir in unserer Kursklasse auch ausführlich diskutiert haben.
Bei mir sind es vor allem zwei Gründe. Einerseits ein theologischer: Ich versuche Menschen immer vor dem biblischen Hintergrund zu verstehen. Ich versuche in jedem Mensch einen Funken Gottes zu erkennen, und ich bin überzeugt, dass in Begegnungen mit Menschen Gott erfahrbar werden kann. Persönlich kommt bei mir noch dazu, dass ich immer wieder merke, wie privilegiert ich eigentlich bin. Deswegen will ich der Gesellschaft, die mir meine Arbeit und Lebensweise erlaubt, auch etwas zurückgeben und Verantwortung übernehmen.
Ausserdem möchte ich nicht nur am Sonntagmorgen darüber reden, was christliches Handeln bedeuten kann, sondern ich möchte auch konkret etwas dazu beitragen, damit das Zusammenleben funktioniert und Notlagen etwas besser bewältigt werden können.
«D’REGION»: Was beeindruckt Sie oder gefällt Ihnen besonders an der Arbeit im Care Team?
Pascal-Olivier Ramelet: Ich finde die Herausforderung sehr spannend, mich innerhalb kurzer Zeit auf eine Situation einzustellen, von der ich bis kurz vorher nicht weiss, was auf mich wartet.
Auch die Zusammenarbeit mit den Partnern vor Ort, meistens sind das Blaulicht-Organisationen, reizt mich.
«D’REGION»: Wo sehen Sie Grenzen in Ihrem persönlichen Engagement?
Pascal-Olivier Ramelet: Persönlich: In meiner persönlichen Geschichte gibt es Elemente, bei denen ich mir vorstellen kann, dass sie in einem Care- Team-Einsatz plötzlich wieder präsent werden könnten. Und das könnte in bestimmten Situationen wohl sehr schwierig werden. Allerdings habe ich im Pfarramtsalltag, wo ich auch schon mit ähnlichen Situationen konfrontiert war, erlebt, dass es mir bisher gelungen ist, meine eigenen Geschichten nicht als lähmende Erinnerung, eher sogar manchmal als Ressource zu erleben.
Beruflich: Es gibt in meinem Alltag Momente, bei denen ich nicht einfach auf und davon kann. Eine Beerdigung mit Trauerfeier kann beispielsweise nicht einfach abgesagt oder verschoben werden. Deshalb ist es gut, dass im Care Team ca. 160 Personen engagiert sind, sodass wir recht breit aufgestellt sind und wir dadurch die Möglichkeit haben, bei einem Einsatz zu passen.
«D’REGION»: Was erwarten Sie von der Mitarbeit im Care Team?
Pascal-Olivier Ramelet: Zum einen werde ich, so abgedroschen es vielleicht klingen mag, die Möglichkeit haben, anderen Leuten zu helfen. Für mich verspreche ich mir neue Inputs und Erfahrungen – und die Chance, mich fachlich zu verbessern und etwas Neues zu lernen.
«D’REGION»: Wie geht Ihre Ausbildung weiter?
Wir werden im Herbst 2017 nochmals für eine ganze Woche in die Ausbildung gehen. 2018 wird der erste WK stattfinden, wo wir vor allem in Bern stationiert und konstant bereit zum Ausrücken sein werden.
Besten Dank für das Interview. Wir wünschen Ihnen viel Erfolg – bei der Ausbildung und später bei Ihren Einsätzen.
Andrea Flückiger
Weitere Informationen zum Care Team des Kantons Bern unter www.be.ch/careteam.