Standortdiskussion rund um die Berner Fachhochschule
07.03.2017 Aktuell, Politik, Wirtschaft, Burgdorf, Gesellschaft, Bildung / SchuleOffener Brief an Regierungsrat Bernhard Pulver
Haltung des Gemeinderates zur neu entfachten Standortdiskussion: Stadt ist bereit!
Sehr geehrter Herr Regierungsrat
Den Entscheid des Schulrates der Berner Fachhochschule (BFH) über die Aufteilung des Departements WGS (Wirtschaft, Gesundheit und Soziale Arbeit) sowie die täuschende Kommunikation der BFH in dieser Angelegenheit in der Begleitgruppe und später im Grossen Rat hat der Gemeinderat der Stadt Burgdorf mit Befremden und Verärgerung zur Kenntnis genommen. Dieses Verhalten der BFH wirft nachträglich einen Schatten über die aufwendigen und zähen Verhandlungsrunden in der Begleitgruppe, die Sie als verantwortlicher Regierungsrat mit viel Kompetenz und Engagement geführt und mit einem tragfähigen Kompromiss für den Standort Burgdorf abgeschlossen haben. Es liegt in den Augen des Gemeinderates an den Kantonsbehörden, jetzt die richtigen und angemessenen Konsequenzen aus diesem Vorfall zu ziehen.
Der Gemeinderat der Stadt Burgdorf hat sich stets und mit sehr grossem Engagement dafür eingesetzt, dass die BFH weiterhin mit einem Departement in Burgdorf vertreten ist. Sollte sich erneut eine solche Chance bieten – sie ist aufgrund der Medienmitteilung der Bildungskommission des Grossen Rates vom 22. Februar nicht ganz auszuschliessen – versichert Ihnen der Gemeinderat, dass die Stadt eines oder zwei der neuen Departemente mit offenen Armen empfangen würde. Der Gemeinderat ist nach wie vor überzeugt, dass Burgdorf für eine Fachhochschule sehr gut gelegen ist und auf kantonseigenem Land ein sehr attraktives und kostengünstiges Umfeld bieten kann, wie es auch für andere Fachhochschulen der Schweiz typisch ist.
Gleichzeitig will Ihnen der Gemeinderat aber auch bestätigen, dass er die gefundene Kompromisslösung mit Technischer Fachschule (TF) und TecLab in Burgdorf weiterhin konstruktiv unterstützt. Die unerfreulichen Vorkommnisse haben im Gemeinderat aber ernsthafte Zweifel aufkommen lassen, ob die Stadt Burgdorf überhaupt darauf vertrauen kann, dass die TF und das TecLab im Jahr 2025 oder 2026 tatsächlich eröffnet werden. In den bisher bekannten Terminplänen kommen die verbindlichen Entscheide im Grossen Rat für Planungen und Ausführungen immer erst an dritter und letzter Stelle, nach Biel und nach Bern. Bis zum Ausführungskredit für Burgdorf finden zwei Grossrats- und Regierungsratswahlen statt. Diese Wahlen und die ungewisse Entwicklung der Finanzlage des Kantons erhöhen die Risiken für den Campus Burgdorf erheblich. Der Gemeinderat fordert deshalb, mit geeigneten Beschlüssen oder zumindest mit einer Verknüpfung von Beschlüssen zu Biel und / oder Bern und Burgdorf möglichst verbindliche Zusagen zu erwirken.
Der Gemeinderat nimmt weiter aus der Medienmitteilung der Bildungskommission vom 22. Februar 2017 befriedigt zur Kenntnis, dass
– eine Aussprache auf Kantonsebene durchgeführt,
– im Anschluss daran die Standortkonzentration Bern-Burgdorf nochmals überprüft,
– eine verbindliche Zusage für den Standort Burgdorf angestrebt und
– eine Verschiebung des für die Juni-Session
vorgesehenen Kredits für den Campus Bern beantragt wird.
Diese Vorgehensweise erscheint dem Gemeinderat angemessen und zielführend. Mit Spannung schaut er den Ereignissen entgegen und freut sich, Departementen der BFH oder dem TF / TecLab in Burgdorf eine neue Heimat geben zu dürfen.
Freundliche Grüsse
Der Gemeinderat Stadt Burgdorf; Stefan Berger, Stadtpräsident; Roman Schenk, Stadtschreiber, Rechtsanwalt mpa unibe
Gastkolumne
Die Standortfrage muss nochmals auf den Tisch
Der Entscheid des Schulrates der Berner Fachhochschule über die Aufteilung des Departementes WGS (Wirtschaft, Gesundheit und Soziale Arbeit) hat Kopfschütteln und Unverständnis ausgelöst.
Die Bildungskommission und der Grosse Rat wurden von den Verantwortlichen der Berner Fachhochschule hinters Licht geführt. Vor und während der Debatte im Grossen Rat ist den Politikern eindringlich klargemacht worden, dass eine Aufspaltung des Departementes WGS nicht infrage komme. Dies, obschon die verantwortlichen Personen bereits damals von der Aufteilung der Departemente gewusst, beziehungsweise diese geplant haben. Die Debatte im Kantonsparlament wäre wohl anders geführt worden, wäre die Aufteilung bekannt gewesen. Aufgrund dieser Umstände stellt sich ernsthaft die Frage, ob der Direktor der BFH noch glaubwürdig und tragbar ist.
Die BIK (Bildungskommission des Grossen Rates) wird sich in den nächsten Tagen eingehend mit dem Thema Fachhochschulstandorte auseinandersetzen. Dabei wird die Standortfrage ein zentrales Thema sein. Die Stadt und Wirtschaftsregion Burgdorf hofft und erwartet, dass die Standortvorteile von Burgdorf nochmals geprüft werden und ein Rückkommensantrag an den Grossen Rat gestellt wird.
Dazu gibt es wichtige Gründe, auch aus gesamtkantonaler Sicht.
Die Popularität der Studiengänge richtet sich in erster Linie nach der Attraktivität und Qualität der Angebote. Künftige Studenten prüfen die Angebote der einzelnen Studienrichtungen sehr genau und dies schweizweit. Sie sind heute bereit, überall in der Schweiz zu studieren, wenn das Angebot stimmt. Die grossen Fachhochschulen der Schweiz, Nordwestschwei, Luzern und Zürich, haben ihre Departemente an mehreren Standorten verteilt und sind damit sehr erfolgreich.
Die Fachhochschule als Motor für eine regionale Entwicklung
Soll der Kanton dereinst wirtschaftlich wieder erfolgreich sein, gibt es wohl keine Alternative, als Stadt und Land in einem Entwicklungskonzept gleichberechtigt zu integrieren. Wenn Burgdorf seine Zentrumsfunktion in der Region wahrnehmen soll, braucht die Stadt unter anderem auch die nötigen Bildungsinstitutionen. Die Fachhochschule kann in Burgdorf wichtige Impulse für eine wirtschaftliche Entwicklung in der Region auslösen. Durch die Zusammenarbeit mit den regionalen Unternehmungen, durch Start-up-Firmen können neue Arbeitsplätze entstehen. Darauf wäre das Emmental dringend angewiesen.
Die finanzielle Lage des Kantons lässt nicht alles zu
Zurzeit ist die Finanzlage des Kantons noch einigermassen ausgeglichen. Der im letzten November vorgelegte Finanzplan prognostiziert schon in den nächsten Jahren tiefrote Kantonsfinanzen. Diskussionen um die beschränkten Investitionsmittel sind vorprogrammiert. Der Kanton tut gut daran, sich auf das zu beschränken, was er sich auch leisten kann.
In Burgdorf stehen kantonseigene Liegenschaften zur Verfügung. Im Weyermannshaus entsteht ein kostspieliges Mietverhältnis, das für den Kanton längerfristig teurer ist als Burgdorf.
Dazu kommt, dass die versprochenen, in Burgdorf anzusiedelnden Institutionen «Lädere und TecLab» nicht mehr als Versprechungen sind und noch keine verbindlichen Beschlüsse des Grossen Rates vorliegen. Ob die traditionsreiche Ausbildungsstätte der Stadt Bern in Burgdorf ebenso erfolgreich sein wird, bleibt abzuwarten. Jedenfalls stellt die «Lädere» mit ihrem Bildungsangebot für die Lehrstellen im regionalen Gewerbe eine Konkurrenz dar. Wie sich die Bildungslandschaft mit der sich rasant wachsenden technologischen Entwicklung verändern wird, bleibt abzuwarten. Ob wir in acht Jahren noch von einem neuen Bildungsangebot namens TecLab sprechen, kann heute nicht abschliessend beantwortet werden.
Burgdorf und das Emmental brauchen attraktive Bildungsangebote
Burgdorf braucht attraktive Bildungsangebote, damit die Stadt ihre wichtige Aufgabe als regionales Zentrum wahrnehmen kann. Dazu braucht es auch verbindliche Zusagen und Planungssicherheit.
Ein Departement Wirtschaft in Burgdorf würde ideal zur wirtschaftlichen Entwicklung von Burgdorf passen. Das Synergiepotenzial zur regionalen Wirtschaft wäre erheblich höher als das in Bern.
Markus Aebi, Grossrat, Hellsau