"Ohni d Kathrin geits gar nid"

  21.08.2017 Aktuell, Zauggenried, Wirtschaft, Bildung, Region, Burgdorf, Gesellschaft

Wer auf den «Mooshof» von Hans und Kathrin Gerber in Zauggenried fährt, dem fallen im ersten Augenblick die friedlich grasenden Pferde auf den Weiden auf. Es sind viele – rund 80, wie Gerber später sagt, davon 15 eigene Freiberger. Hans und Kathrin Gerber reiten nicht. Das Ehepaar bietet seit 26 Jahren Plätze für Pferde in «Vollpension» an, das heisst grosszügige, helle Boxen mit Auslauf, Stallarbeit, Rauh- und Kraftfutter, Sattelschrank, Waschplatz, Weide, Reithalle, Reitplatz und viele Streicheleinheiten durch die fünf Festangestellten. Eigentlich sollte sich das Gespräch um den Zuckermais drehen, den Gerbers als zweitgrösste Schweizer Produzenten auf den Markt bringen, aber wer so viele wunderbare Tiere sieht, dem stellt sich die brennende Frage zu Hefenhofen TG und dem angeblichen «Tierquäler» mit seinen fast 100 Pferden. Hans Gerber kennt Ulrich K. nicht. Aber auch ihn haben die Meldungen erschreckt und betroffen gemacht. Wie konnte es so weit kommen? Gerber ist überzeugt, dass verschiedene Faktoren das Fass zum Überlaufen gebracht haben. Laut Sonntagszeitung musste K. unter anderem innerhalb kurzer Zeit auch die Trennung von seiner Frau und den Tod seines Vaters verkraften.

Unentschuldbar
«Das entschuldigt keinesfalls das schlechte Halten der Tiere!», hält Gerber ganz klar fest. Warum sich K. nicht rechtzeitig Hilfe geholt und den Tierbestand reduziert hat, ist nun Gegenstand von Ermittlungen. Dass die Medien oft vorschnell zu Schlagworten wie «Tierquäler» greifen, um die Auflagen ihrer Zeitungen zu erhöhen, ist leider weit verbreitet. Die Berner Pferdezüchterin Heidi Gurtner, die regelmässig als Richterin bei Pferdeschauen auf K.s Hof amtete und sogar einen Hengst bei ihm eingestellt hatte, lässt wissen, dass K.s Bauernhof kein Vorzeigebetrieb gewesen sei mit all den Pferden, Schweinen, Rindern und Schafen. «Ulrich K. hatte klar zu viele Tiere! Aber er hat ein Händchen für Pferde, konnte Hengste spielend am Halfter führen.» Laut Berner Zeitung BZ vom letzten Dienstag wollten «Hunderte die gequälten Tiere kaufen». Es ist nur zu hoffen, dass es alle an ein schönes Plätzchen geschafft haben.

Grösster Produzent im Bernbiet
Gerbers produzieren seit zwölf Jahren Zuckermais, 6 ha auf eigene Rechnung, 4 ha in der Zuckermais-Gemeinschaft Gerber-Leibundgut. Heute früh um 5.00 Uhr war Hans Gerber bereits auf dem Feld am Schneiden der Maiskolben. Um 8.00 Uhr wurde mit Rüsten begonnen. Von den 16 temporären Mitarbeitenden fehlen einige. Sie sind gegenwärtig auf diversen Höfen am Kartoffelngraben. Die Zuckermais-Ernte wurde Mitte Juli gestartet und dauert voraussichtlich bis Ende Oktober. Bereits Ende März wurde der erste Zuckermais durch Hans Gerber gesät und bis Mitte Juni 14-täglich durch eine weitere Hektare ergänzt. «Trotz der gestaffelten Aussaat kommt in diesem Jahr wegen des warmen und schönen Wetters fast alles miteinander», so der Betriebsleiter, was bedeutet, dass fast der gesamte Zuckermais gleichzeitig erntebereit ist. Für die obligate Znünipause für alle mit Kaffee und Süssem bleibt trotzdem Zeit. Kathrin Gerber ist vorbildlich zu ihren Mitarbeitenden. Die fünf Festangestellten nehmen ihre gesamten Mahlzeiten mit dem Ehepaar Gerber am Familientisch ein.

Zwei Hektaren erfroren
In diesem Jahr sind nicht nur die meisten Kirschen erfroren, sondern auch 2 ha Zuckermais von Gerbers. «Wir wären extrem früh gewesen», so der Betriebsleiter. Rund 100 Tonnen Zuckermais liefert Gerber jährlich an die Fenaco, Ins. Diese koordiniert das Zuckermais-Geschäft. Im Bernbiet ist Gerber der grösste Produzent, schweizweit der zweitgrösste hinter Unicorn, Göslikon AG. «Die Landwirtschaft findet draussen statt. Es ist nicht alles planbar», das seien Worte, die er hie und da an die studierten Betriebswirtschafter in den Chefetagen richten müsse, wenn sie ihn wieder fragten: «Warum sit dir hüür so früeh?», erklärt Gerber. «Zuckermais ist zunehmend Convenience Food», ergänzt er. M. und R. Schwab AG, Randen-Verarbeitungszentrum, Siselen, kocht auch Gerbers Mais und vakuumiert ihn. So ist er ein Jahr haltbar. Ein Drittel der gesamten Ernte sollte frisch verkauft werden können.

Partnerbetrieb(e)
Hans Gerber ist nicht nur ein äusserst innovativer Landwirt, sondern auch ein guter Erzähler. Stundenlang könnte man ihm zuhören. Dass das Ehepaar Gerber ein eingespieltes Team ist, bekräftigt Gerber mit den Worten: «Ohni d Kathrin geits gar nid!» Es muss an dieser offenen, ehrlichen Art liegen, die Gerber Tür und Tor öffnet. Vom 10-ha-Betrieb seines Vaters hat er es zusammen mit Kathrin sehr weit gebracht: Sie bewirtschaften mittlerweile 40 ha LN, bieten Pferde-Pensionsplätze an, halten 180 Mastkälber, produzieren Früh- und Industriekartoffeln, vertreiben ab nächstem Jahr eigenen Rollrasen, züchten Freiberger Pferde… Langjährige gute Freundschaften wie diese mit Christian Leib­undgut, Zauggenried, und Fritz und Vreni Lehmann vom «Schache-Märit» in Lyssach, mit welchen Gerber eine einfache Gesellschaft hat und wo unter anderem sein Zuckermais und seine Kartoffeln erntefrisch, aber auch vakuumiert gekauft werden können, zeugen von gegenseitiger Wertschätzung.

Nachfolger gesucht
Hans und Kathrin Gerber sind 50- respektive 48-jährig, kinderlos, herzlich, offen, vorausschauend. Auch bei ihnen gilt, die Zukunft zu planen. Gerber möchte bis in fünf Jahren nicht mehr «am Tropf des Bundes hangen», das heisst, ohne Direktzahlungen leben können. Falls er innerhalb dieser Zeit keinen Nachfolger findet, werde er seinen Betrieb in eine Aktiengesellschaft umwandeln. Hans und Kathrin Gerber lieben ihre Arbeit – «den schönsten Beruf, den es gibt!» – und geben alles dafür. Aber sie verschliessen ihre Augen nicht. «Mir hei e Verantwortig üsne Mitarbeitende gägenüber und mir si i üsi Arbeit inegwachse.» Viele Junge drückten sich vor einer solchen Aufgabe. Einen Tipp hat Hans Gerber noch zum Schluss: Landwirtschaftsbetriebe sollten nicht zu extrem umstrukturiert werden. «Mir hei immer nume drufpackt. Ds Einzige, wo mir hei wäggla, si d Chüeh.» Gerbers molken bis vor fünf Jahren auch noch 200 000 kg Milch pro Jahr.

Barbara Schwarzwald


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