Fahrzeuge ohne Lenker auf Burgdorfs Strassen?

  02.03.2018 Bildung, Burgdorf, Gesellschaft

Seit vielen Jahren diskutiert in Burgdorf neben den Fachleuten von Baudirek­tion, Parteien und Wirtschaftsverbänden auch ein interessiertes Publikum im Zusammenhang mit der Neugestaltung des Bahnhofs Burgdorf, was im Hinblick auf die früher oder später kommende Elektromobilität vorausschauend zu planen und zu bauen ist. Am zweiten Runden Tisch zu diesem Thema erfahren die Anwesenden im voll besetzten Stadthauskeller viel Wissenswertes über den Stand der Pilotprojekte – vor allem mit selbstfahrenden Kleinbussen in Sion VS – und den derzeitigen Entwicklungsstand dieser noch pannenanfälligen Transportmittel.

Entwicklung nicht mehr aufzuhalten
Stadtpräsident Stefan Berger weist nach seiner Begrüssung darauf hin, dass vor einem über die Pilotphasen hinausgehenden Betrieb dieser vollautomatischen Elektromobilität zahlreiche Fragen zu klären sind. Das betrifft Änderungen in der Strassenverkehrsordnung, Haftung bei Unfällen, Behinderungen im Stau, bei Ausfall der Elektrizität, ungünstigen Witterungsverhältnissen wie Schnee, starker Regen, Frost, grösseren Strassensteigungen und anderes mehr. «Kann durch Cyberkriminalität die Fahrweise eines solchen Fahrzeuges manipuliert werden?», fragt er und macht sich noch Gedanken, «wie viele Kilos wohl die Gebrauchsanweisung eines solchen Fahrzeuges wiegen wird».
Dann erteilt Gemeinderat Theophil Bucher der ersten Referentin Fabienne Perret (Ernst Basler + Partner) das Wort, die den «Einfluss von selbstfahrenden Fahrzeugen auf Städte» anhand detaillierter Studien aufzeigt. «Sicher bedeutet automatisiertes Fahren in den nächsten Jahrzehnten noch kein Ende für Bus und Bahn, aber diese Entwicklung ist nicht mehr aufzuhalten.» Schon jetzt müssen sich die Verantwortlichen überlegen, wie diese Technologie künftig in der Schweiz umzusetzen sei. Keinesfalls dürfen rechtliche, ethische und gesellschaftliche Fragen der Entwicklung nachhinken, sondern müssen vorausschauend geklärt werden. Die Studien empfehlen eine generelle Freigabe des automatisierten Fahrens mit hoheitlicher Einflussnahme. «Der Bündelungseffekt in Städten ist im Gegensatz zu Dörfern erheblich grösser und effizienter; dennoch stellt sich der Nutzen nicht automatisch ein. Hier muss der
Gesetzgeber Überzeugungsarbeit leisten, was noch viel zu diskutieren geben wird.»

Noch viel Arbeit
Jürg Michel (Postauto) erläutert das Pilotprojekt «Selbstfahrende Kleinbusse in Sion». Die zwei «SmartShuttle Sion» sind seit zwanzig Monaten in der Altstadt von Sion erfolgreich und gratis in Betrieb und haben sich dort zu einer beliebten Attraktion für Einheimische und Touristen entwickelt. Daher ist die Stadtverwaltung an einer Verlängerung der Versuchsphase interessiert. Der Rundkurs von 1,5 km Länge durch die teils sehr engen Altstadtgassen kann in der Fussgängerzone (20 km) und der Innenstadt (50 km) problemlos bewältigt werden. Laut Michel ist das Fahrzeug mit elf Plätzen, aber keinem Steuer­rad und keinen Bremsen, gewöhnungsbedürftig. «Dieses automatisierte Fahren steht noch ganz am Anfang; es wird noch sehr viele Jahre dauern, bis es zum Alltag gehört», zieht er Bilanz. Doch vorerst müsse die Technologie wesentlich weiterentwickelt und die Akzeptanz bei der Bevölkerung erhöht werden. «Testen, lernen, entwickeln» lauten die Vorgaben.

Entzauberung des Hypes
Marco Fuster (Bernmobil) schliesst sich in wesentlichen Punkten seinen Vorrednern an: «Automatisiertes Fahren wird in Etappen kommen, weshalb sich ‹Bernmobil› vorbereitet. Das geschieht mit dem Aufbau von Kompetenzen, die zahlreiche Herausforderungen beinhalten. Weitere Punkte sind die Übernahme von Verantwortung (wie die Zukunft der Mitarbeiter) und die Beibehaltungen von Verlässlichkeit.» «Bernmobil» rechnet nach diversen Vorbereitungen per 2018 mit der Projektphase und ab 2019 mit einer Betriebsphase, was aber schon bei kleinen Störungen mehrmonatige Verzögerungen verursachen kann. Noch offen ist das Finanzierungs­modell, da – neben «Bernmobil» und der Stadt Bern – mehr als die Hälfte der Kosen durch Dritte aufzubringen sind. Da derzeit in der Schweiz wie in anderen Ländern bezüglich der Elektromobilität eine «Entzauberung des Hypes» stattfindet, gilt es heute zu planen und zu entwickeln, um morgen technisch gerüstet und fahrbereit zu sein.


Gerti Binz


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