Blut im Stuhl und Bauchschmerzen ernst nehmen

| Mo, 23. Apr. 2018

Vier Ärzte bieten am Donnerstag, 26. April 2018, im Spital Emmental einen Publikumsvortrag unter dem Titel «Häufige Darmerkrankungen» zu Darmerkrankungen und zur Darmkrebsvorsorge an.

«Häufige Darmerkrankungen.» Unter diesem Titel steht der Publikumsvortrag des Spitals Emmental von übermorgen Donnerstag, 26. April 2018, 19 Uhr. Prof. Dr. med. Stephan Vorburger, Dr. med. Daniel Geissmann, Dr. med. Stefan Bauer und Bernhard Friedli werden den spannenden Abend im Kurslokal gestalten.

«D’REGION»: Was darf das Publikum erwarten?
Dr. Bauer: Wir werden über die häufig vorkommenden Krankheiten Verstopfung, Divertikelkrankheit sowie Krebs von Dickdarm und Enddarm sprechen. Dr. Friedli wird die «alltägliche» Verstopfung genauer beleuchten und geeignete Behandlungsoptionen aufzeigen. Die Divertikelkrankheit ist ebenfalls sehr verbreitet. Dr. Friedli
wird über die nicht-chirurgischen Aspekte und Dr. Geissmann über die allfällig notwendige Operation referieren. Dr. Bauer wird über Ursachen, Risikofaktoren und Vorsorge berichten. Dr. Geissmann und Prof. Vorburger werden die modernen chirurgischen Behandlungsmöglichkeiten aufzeigen, wobei Prof. Vorburger vor allem auf die chirurgisch anspruchsvolle Behandlung des Enddarmkrebses eingehen wird.

«D’REGION»: Wie häufig tritt der Dick- und Enddarmkrebs auf?
Dr. Geissmann: Der Dickdarmkrebs ist in der Schweiz der dritthäufigste Tumor zusammen mit dem Lungenkrebs. Es erkranken rund 4300 Patienten pro Jahr neu an einem Dickdarmkrebs. Der Anteil an allen Krebsneuerkrankungen pro Jahr beträgt knapp 11 Prozent. Leider versterben pro Jahr rund 1700 Patienten, welche im Verlauf des Lebens an Dickdarmkrebs erkrankt sind, an diesem Krebs. Es ist deshalb sehr wichtig, dass man den Tumor möglichst frühzeitig entdeckt, um bereits die frühen Stadien, welche eine gute Heilungschance haben, behandeln zu können. Wird Darmkrebs in einem frühen Stadium entdeckt, ist er meistens heilbar. Die 5-Jahres-Überlebensrate liegt heute bei rund 60 Prozent.

«D’REGION»: Weshalb entsteht Dickdarmkrebs so häufig?
Dr. Bauer: Die Darmschleimhaut wird wegen ihrer vielfältigen Aufgaben stark beansprucht und erneuert sich deswegen sehr schnell. Es dauert etwa drei Wochen, bis sich die Schleimhaut des gesamten Magendarmtraktes vollständig neu gebildet hat. Mit diesem hohen Umsatz ist es nicht verwunderlich, dass sich mit zunehmendem Lebensalter auch häufiger Fehler in den Zellen einschleichen. So bilden sich zuerst gutartige, später bösartige Wucherungen.

«D’REGION»: Welche Faktoren erhöhen das Darmkrebsrisiko, und wie schützt man sich davor?
Dr. Bauer: Genetische Faktoren und damit eine familiäre Dickdarmkrebsbelastung spielen eine erhebliche Rolle. Eine ebenso grosse Rolle spielen beeinflussbare Faktoren wie Übergewicht, Zuckerkrankheit, hoher Fleischkonsum – insbesondere rotes Fleisch und Wurstwaren –, Rauchen, Alkohol und Bewegungsarmut. Entsprechend schützt ein «gesunder Lifestyle» vor Darmkrebs: fleischarme, mediterrane Kost mit reichlich Gemüse, Früchten und Nahrungsfasern, Sport und viel Bewegung, wenig Alkoholkonsum, Verzicht auf Nikotin, Vermeiden von Übergewicht.

«D’REGION»: Stimmt es, dass Dickdarmkrebs vor allem im Alter auftritt?
Prof. Vorburger: Ab dem 50. Lebensjahr nimmt das Risiko, an Dickdarmkrebs zu erkranken, stetig zu. Über 90 Prozent der Erkrankten sind über 50 Jahre alt. Die Männer sind mit knapp 60 Prozent deutlich häufiger betroffen. Weil die Lebenserwartung in der Schweiz heute weit über 80 Jahre beträgt und mit zunehmendem Alter das Krebsrisiko steigt, wird zusammen mit der verbesserten Diagnostik bei immer mehr Patienten Darmkrebs gefunden. Man findet aber selten auch bereits bei jungen Menschen Dickdarmkrebs. Diese haben jedoch oft eine familiäre Vorbelastung.

«D’REGION»: Welche Symptome verursacht Darmkrebs?
Dr. Bauer: In den frühen Darmkrebsstufen, in denen noch in einem hohen Anteil eine Heilung möglich ist, treten nur selten Symptome auf. Typische Beschwerden wie Blut im Stuhl, Blutarmut, Änderung der Stuhlgewohnheiten und Bauchschmerzen sind meist Ausdruck eines fortgeschrittenen Dickdarmkrebes mit weit geringeren Chancen auf Langzeitheilung.

«D’REGION»: Wem empfehlen Sie eine Darmkrebsvorsorge?
Dr. Bauer: Die Krebsliga Schweiz empfiehlt der gesamten Bevölkerung zwischen dem 50. und 70. Lebensjahr eine Darmkrebsvorsorge. Diese Untersuchungen werden von der Krankenkassengrundversicherung übernommen. Bei familiärer Darmkrebsbelastung ist die Vorsorgeuntersuchung manchmal schon früher angezeigt. In den seltenen Fällen eines vererbten familiären Darmkrebssyndroms kann das schon ab dem jugendlichen Alter notwendig sein. Die beste Vorsorge ist die Dickdarmspiegelung. Dabei werden Vorstufen des Dickdarmkrebses, sogenannte Polypen, systematisch entfernt. Dadurch kann die in der Regel über Jahre dauernde Dickdarmkrebsentstehung aus gutartigen Vorstufen unterbrochen werden. Dickdarmkrebs wird so verhindert, bevor er überhaupt entstehen kann. Falls eine Vorsorgedickdarmspiegelung nicht zur Anwendung kommt, empfehle ich einen «Blut-im-Stuhl-Test», der alle zwei Jahre durchgeführt wird. Ziel ist es, Dickdarmkrebs in einem möglichst frühen Stadium zu entdecken, bei dem noch eine grosse Chance auf langfristige Heilung besteht. Polypen, Dickdarmkrebsvorstufen, führen nur selten zu einem positiven «Blut-im-Stuhl-Test». Deshalb ist diese Vorsorgeuntersuchung etwas weniger gut als die Vorsorgedickdarmspiegelung. Jeder positive «Blut-im-Stuhl-Test» muss mittels Dickdarmspiegelung weiter abgeklärt werden!

«D’REGION»: Was geschieht, wenn bei einem Patienten bei der Dickdarmspiegelung ein Karzinom, also eine Krebsgeschwulst gefunden wird?
Dr. Geissmann: Der nächste Schritt ist hier sicher die Weiterabklärung mittels einer Computertomografie des Bauches und der Lunge, um hier die Ausdehnung des Tumors vor Ort sowie allfällige Ableger in der Lunge und der Leber auszuschliessen. Es folgt die Vorstellung an einem internen Tumorboard. Das ist eine Art Tumorkonferenz. Hier sind alle Spezia­listen vereint, welche diese Tumoren behandeln und das Ganze zusammen besprechen: Onkologie mit Chemotherapie, Radiotherapie mit Bestrahlung, Gastroenterologie mit Magendarmspezialisten, Pathologie mit Untersuchung des entnommenen Gewebes und Chirurgie. Mit dem gemeinsamen Erarbeiten eines Konzeptes durch diese in der Tumorbehandlung speziell geschulten Ärzte ist es möglich, den Betroffenen und ihren Angehörigen eine zu ihrem Tumor massgeschneiderte Behandlung vorzuschlagen. Dies hilft dann auch dem Patienten, mit der neuen Diagnose besser umgehen zu können. Mit diesem Konzept kann er sich dann auch auf die einzelnen Schritte in der Behandlung konzentrieren. Auch dies hilft ihm in der Verarbeitung dieser oft überraschenden Diagnose Krebs und lässt die Betroffenen auch fühlen, dass sie nicht alleine gelassen werden im Kampf gegen dieses Schreckgespenst Dickdarmkrebs.

«D’REGION»: Welche Beschwerden lösen Divertikel, also Ausstülpungen der Darmwand, aus?
Dr. Geissmann: Die grosse Mehrzahl aller Patienten mit Divertikulose spürt von ihrer Erkrankung nichts. Rund 30 Prozent der Patienten können an den Symptomen der Entzündung dieser Divertikel leiden. In diesem Stadium spricht man von einer Divertikulitis. Dabei beklagt der Patient oft linksseitige Unterbauchschmerzen. Das Ausmass der Entzündung ist sehr variabel und kann in seiner schwersten Form zu einem Durchbrechen der Darmwand und Stuhlaustritt in die freie Bauchhöhle führen. In der Folge kommt es dann zu einer Bauchfellentzündung und Blutvergiftung, was unbehandelt tödlich sein kann. Chronische, das heisst über mehrere Wochen andauernde Entzündungen, können zu sogenannten Fisteln zu Nachbarorganen wie Harnblase und Scheide oder auch zur Haut führen. Bei diesen durch die Entzündung gebildeten Verbindungen des Dickdarmes mit beispielsweise der Harnblase entleeren sich Stuhl und Darmgase über die Blase in die Harnröhre. Neben diesen durch die Entzündung bedingten Komplikationen können Divertikel auch leicht bluten, was zu einem Blutmangel führen kann.

«D’REGION»: Muss bei Operationen wegen einer Divertikulitis – Entzündung der Darmschleimhaut – immer ein Stoma angelegt werden, also eine künstliche Öffnung oder ein künstlicher Darmausgang?
Dr. Geissmann: Dies ist glücklicherweise nur sehr selten der Fall. In den Situationen, in denen der Patient ein Loch im Darm hat im Bereich der Entzündung mit freiem Austritt von Stuhl in die Bauchhöhle, muss bei der notfallmässigen Operation an diesem teilweise sehr schwer kranken Patienten der betroffene Darmabschnitt entfernt werden – auch ein Blindverschluss des Enddarmes und das Anlegen eines künstlichen Ausganges des Dickdarms. Dieser kann üblicherweise nach drei Monaten, nach Abklingen der ursprünglichen Entzündung, wieder rückgängig gemacht werden. Der Regelfall ist jedoch, dass der Patient nach mehreren Divertikulitisschüben in einem entzündungsfreien Inter­vall zur Operation kommt. In diesen Situa­tionen kann in der Regel der betroffene Dickdarmschnitt entfernt werden und direkt eine Neuverbindung des Darmes vorgenommen werden. In ausgewählten Fällen kann man auch eine Entfernung des betroffenen Dickdarm­abschnittes über den Darm­ausgang vornehmen, ohne nochmals einen grösseren Schnitt zur Entfernung des Darmes machen zu müssen. In diesen Fällen verbleiben im Bereich des Bauches in der Regel nur vier kleine Schnitte.

«D’REGION»: Gibt es Neuerungen in der chirurgischen Behandlung des Enddarmkrebses?
Prof. Vorburger: In der Tat wurde in den letzten Jahren eine neue Technik entwickelt, um den Enddarmkrebs chirurgisch besser angehen zu können. Durch die technischen Fortschritte bei den Operationsinstrumenten und einer neu entwickelten Operationsmethode, welche durch Chirurgen in Barcelona und Amsterdam eingeführt und verfeinert wurde, kann der Dickdarmkrebs nun auch direkt vom Darmende her angegangen werden. Nachdem wir uns bei einem der «Erfinder» in Barcelona direkt ausgebildet hatten, gehörten wir ab März 2014 zu den Ersten in der Schweiz, die Enddarmtumore auf diese neue Weise operieren konnten. Zusätzlich engagieren wir uns auch in der Weiterbildung von Chirurgen in dieser neuen Operationstechnik. Wir haben deshalb in Bern zusammen mit dem Kantonsspital St. Gallen einen schweizerischen Workshop etabliert, der sehr gut frequentiert ist und hilft, internationale Experten in dieser Technik auszubilden.

«D’REGION»: Worin sehen Sie die Vorteile dieser neuen Operationsmethode?
Prof. Vorburger: Entsprechend unseren Erfahrungen kann man sagen, dass speziell bei eher korpulenten Männern mit grösseren Tumoren diese neue Operationsmethode grosse Vorteile bietet, indem der Tumor anatomisch korrekt mit den dazugehörigen Schichten entfernt werden kann und die Operation durch diesen Zugang erleichtert wird. Somit können die Kriterien, dass die Operation in genügendem Sicherheitsabstand zum Tumor und die Entfernung der angrenzenden Lymphknoten in einem Block erfolgt, erfüllt werden. Wir hatten in den nun knapp vier Jahren seit der Einführung dieser Technik bereits einige Patienten, bei denen eine solche onkologisch optimale Entfernung des Tumors mit der herkömmlichen Operationsmethode nicht sicher hätte durchgeführt werden können. Mit dieser neuen Methode konnte so eine optimale onkologische Entfernung vorgenommen werden. Dies mit dem für den Patienten in dieser Tumorsituation besten Resultat.

Zu den Personen
Prof. Dr. med. Stephan Vorburger, Master of Science, FMH Chirurgie und Viszeralchirurgie, ist 55-jährig und wohnt mit seiner Familie in Liebefeld (Köniz). Seit bald acht Jahren leitet er die Chirurgischen Kliniken des
Spitals Emmental. Er ist Chefarzt der Chirurgie Burgdorf. Sein Spezialgebiet sind bösartige Erkrankungen des Darmes.

Dr. med. Daniel Geissmann, FMH Chirurgie, ist 56-jährig und wohnt mit seiner Familie in Gerolfingen. Er ist stellvertretender Chefarzt Chirurgie und arbeitet seit 15 Jahren auf der Chirurgie in Burgdorf. Seine Spezialgebiete sind die Operation von gut- und bösartigen Darmerkrankungen und die Schilddrüsenchirurgie.

Dr. med. Stefan Bauer, FMH Gastroenterologie und Innere Medizin, ist 59-jährig und wohnt mit seiner Familie in Burgdorf. Er ist seit gut 20 Jahren als Gastroenterologe, also als Facharzt für Magen-/Darmkrankheiten am Spital Emmental in Burgdorf tätig.

Bernhard Friedli ist stellvertretender Arzt mit Fachgebiet Gastroenterologie (Magendarm-Heilkunde) und Innere Medizin. Er ist seit Anfang dieses Monats im Ärztekader des Spitals Emmental. Bisher war er unter anderem Oberarzt am Inselspital Bern. Er folgt auf Peter Gedeon, der Ende November 2017 nach Schweden zurückgekehrt ist.

Hans Mathys

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