«Hausi, in vier Wochen ist es Geschichte»

  11.06.2018 Aktuell, Lützelflüh, Wirtschaft, Region, Kultur

Eine fast 90-jährige Drogeriegeschichte geht im Juli zu Ende. Die Brandis-­Drogerie wurde im Jahr 1929 bereits als Drogerie gebaut und seit 1982 von Hans Wüthrich, auch bekannt als «Drogi-Hans», geführt. Dieses Jahr wird er pensioniert und da keine geeignete Nachfolge gefunden werden konnte, schliesst die Brandis-Drogerie ihre altehrwürdigen Türen.
«Einerseits tut dies sicher weh, andererseits es ist auch schön, so aufhören zu können», erzählt Hans Wüthrich. «Ich hätte auch weitermachen können, aber die Zeit war gekommen und man freut sich auch auf das Leben danach.» Trotzdem kann er es kaum glauben, dass es schon bald vorbei ist. «Manchmal sage ich zu mir selbst: ‹Hausi, in vier Wochen ist es Geschichte›.»
Fast 40 Jahre hat er in leitender Position in Drogerien verbracht, zuerst in Thun und die letzten 36 Jahre in der Brandis-Drogerie in Lützelflüh. Beachtlich ist auch, dass die Drogerie in Lützelflüh in all diesen Jahren keine Betriebsferien gemacht hat und das Geschäft somit allzeit für die Öffentlichkeit geöffnet war.
Auf die Frage, wie er zu seinem bekannten Spitznamen gekommen sei, lacht «Drogi-Hans». Den habe er wohl einfach geerbt. Schon die alten Besitzer waren als «Drogi-Aschi» und «Drogi­-Walle» bekannt gewesen.
Hans Wüthrich blickt zurück. Früher sei insbesondere auch das Geschäft mit Fotoapparaten und Filmen rentabel gewesen. Der Kodakkas­ten hinter dem Haus sei fast täglich geleert worden. Heute würde wohl noch alle paar Wochen ein Film vorbeigebracht.
Die Brandis-Drogerie führt auch Haushaltswaren, aber auch dort wurde der Konkurrenzkampf mit Grossverteilern immer heftiger. Doch gibt es auch Artikel, welche fast nur noch in Drogerien erhältlich sind. Hans Wüthrich erzählt, wie sich vor Kurzem eine Kundin darüber beklagt habe, dass es keine Bodenwichse mehr zu kaufen gebe. Aber Hans Wüthrich wusste: «Dr ‹Drogi-­Hans› het das!» Der Kontakt mit seinen geschätzten Kunden sei für ihn sowieso das Schönste am Beruf gewesen, berichtet «Drogi-Hans» der Zeitung «D’REGION». Durch die Schliessung der Brandis-Drogerie gehe den Einwohnern sicher ein persönlicher Kontakt verloren. Das Angebot der Drogerie wird man (mit einem längeren Reiseweg als gewohnt) auch anderswo finden, doch den «Drogi-­Hans» gibt es nur einmal.
Aber auch Kundinnen und Kunden, die auf seine Spezialitäten und Eigenkreationen nicht verzichten wollen, müssen nicht verzweifeln. Hans Wüthrich stellt seine Rezepte seinen Kollegen in der Umgebung gerne zur Verfügung. Bedanken möchte sich der erfahrene Drogist bei seinen Lehrlingen. Rund 18 hat er in seiner Zeit in Lützelflüh ausgebildet. «Ohne die Lernenden wären wir nie so weit gekommen», erklärt er. Von den beiden aktuellen Lehrlingen ist Jenny König kurz vor ihrem Abschluss, Céline Leuenberger wird die letzten beiden Jahre ihrer vierjährigen Ausbildung in der Drogerie Fehr in Biglen absolvieren. Zum Andenken haben sich alle Lehrlinge in einem Buch mit Bildern und Worten verewigt. Die Brandis-Drogerie und «Drogi-Hans» verabschieden sich aber noch mit einem Knall von Lützelflüh. Am 2. November 2019 (also nächstes Jahr!) findet in der Kulturmühle Lützelflüh ein Benefizkonzert von Hans Wüthrichs extra dafür gegründeter Band «Drugstore John and Friends» statt. Das Drogeriehaus ist mittlerweile verkauft, was genau daraus wird, weiss auch Hans Wüthrich nicht. Lützelflüh ist im Wandel, auch Denner und die Landi schliessen bald ihre Pforten. Sicher ist zumindest: Hans Wüthrich bleibt der Region auch nach der Pension erhalten.

David Kocher


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