Podiumsdiskussion rund ums Berner Energiegesetz

  29.01.2019 Aktuell, Foto, Burgdorf, Gesellschaft, Region, Politik

Bei einer Abstimmung im Mai 2017 hat sich das Schweizer Stimmvolk für die Energiestrategie 2050 entschieden. Damit hat es Ja gesagt zur Energiewende. 2014 hatten die Energiedirektoren die «Mustervorschriften der Kantone im Energiebereich» (MuKEn) erarbeitet und genehmigt. Aufgabe der Kantone ist es nun, diese adäquat umzusetzen.
Zum Einstieg übergab der Moderator Theophil Bucher, Grüne Burgdorf und Gemeinderat, das Wort den einzelnen Diskussionsteilnehmenden.
Andrea Gschwend-Pieren ist Grossrätin der SVP und Vorstandsmitglied des Hauseigentümerverbandes (HEV) der Regionen Burgdorf und Trachselwald. Sie sprach die Vermutung aus, dass wohl alle Anwesenden dasselbe Ziel hätten, nur der Weg sei nicht für alle derselbe. Sie bezeichnete das neue Berner Energiegesetz als teure Zwangsmassnahme und als Energie-Bürokratie. Sie will Hauseigentümer davor schützen, mit teuren Sanierungsmassnahmen finanziell ans Limit zu kommen. Gleichzeitig möchte sie Mieter/innen vor Mietzinserhöhungen bewahren, die durch Sanierungen auf diese abgewälzt würden.
Martin Aeschlimann ist Grossrat der EVP und arbeitet als Architekt und MINERGIE-Fachberater. Er betonte, ein Energiegesetz bestehe seit Langem und darum hätten Sanierungen von Gebäudehüllen zugenommen. Doch es brauche schärfere Gesetze, um das Pariser Abkommen einhalten zu können.
Der Rechtsanwalt Christoph Käser ist Präsident des HEV der Regionen Burgdorf und Trachselwald. Er möchte die Hausbesitzer nicht mit Verboten und Vorschriften zu Sanierungen zwingen, sondern Anreize schaffen. Das Energiegesetz 2012 genüge: «Was kostet, soll auch nützen, und das neue Berner Energiegesetz wird diesen Anforderungen nicht gerecht».
Jan Remund, Co-Präsident der Grünen Kanton Bern und Präsident der Unternehmerinitiative «Neue Energie Bern» äusserte sich kurz und prägnant: «Wir alle haben den Klimawandel im vergangenen Jahr gespürt und darum müssen wir Verantwortung übernehmen.» Wir seien verpflichtet, den CO2- Ausstoss zu reduzieren, und dieser sei bei Gebäuden deutlich zu hoch. Nur durch eine Verschärfung der Gesetze erreiche man das Ziel. Das neue Gesetz schlage zwölf klimaneutrale Lösungen vor, welche sich durch finanziellen und baulichen Aufwand deutlich unterscheiden, jedoch die Energiestrategie 2050 unterstützen.

Ölheizungen sollen durch Heizungen mit erneuerbarer Energie aus Sonne, Holz oder Erdwärme ersetzt werden
Gschwend vermutete, dass bei gesetzlichen Zwängen Ölheizungen länger in Betrieb blieben, doch Aeschlimann konterte mit den Luftreinhalteverordnungen. Bis anhin würden zwei Drittel der Ölheizungen durch Ölheizungen ersetzt, die dann erneut eine Lebensdauer von dreissig Jahren haben. Da eine Heizung während der Heizperiode ausfalle, bleibe wenig Zeit zur Planung, und darum ersetze man diese einfach durch eine andere Ölheizung. Dem soll ein Riegel vorgeschoben werden.

Führen teure Sanierungen zu massiven Mietzinserhöhungen?
Darüber waren sich die Diskussions­mitglieder nicht einig. Die Vertretenden des HEV sind überzeugt, dass die Mieten stärker steigen würden als die Einsparungen, die durch Senkung der Nebenkosten (NK) entstünden. Remund entgegnete, im Gesetz sei erwähnt, dass lediglich 70 Prozent der Investitionen auf die Mieter abgewälzt werden dürften, was einen leichten Anstieg der Miete mit sich bringe. Die Reduktion der NK wirke sich längerfristig aus. Zudem müsse bedacht werden, dass die CO2-Steuer angehoben werde, was für die Eigentümer, welche nicht sanieren, eine zusätzliche Verteuerung bringe.
Gschwend erwähnte Häuser in Burgdorf, die in schlechtem baulichem Zustand sind, jedoch günstigen Wohnraum bieten. Mit dem neuen Gesetz würden diese abgerissen, und es gäbe dafür nur teuren Ersatz. Aeschlimann wies darauf hin, dass es keinen Grund gäbe, Häuser nicht zu unterhalten. Man müsse umdenken und verdichteter bauen. Auch genossenschaftliches Bauen sei eine sozial verträgliche Art, günstigen Wohnraum zu schaffen. Die Öffentlichkeit sei gefordert.

Europa hat den Fokus auf den Gebäudepark gerichtet
Käser begrüsste neue innovative Technologien und zeigte sich überzeugt, dass diese durch Neubauten eine deutliche Verbesserung der Energiebilanz bringen. Remund entgegnete: «Es wird energiefreundlicher gebaut, aber das reicht nicht zur Energiewende.»
Im Kanton Bern gebe es 181 000 reine Wohnbauten. Die meisten stammen aus einer Zeit, als der Isolation kaum Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Eine bessere Gebäudehülle bringe massive Einsparungen im Energieverbrauch. Bis 2050 müssten wir diesen um 60 Prozent senken, bis jetzt haben wir 12 Prozent erreicht.
Da ist das Bevölkerungswachstum schuld, wandte Gschwend ein. Würden wir nicht jährlich 80 000 Menschen in die Schweiz einwandern lassen, wären die Zahlen besser.
Aus dem Publikum meldeten sich Stimmen, die das Berner Energiegesetz befürworten. Eine Frau und Mutter könnte ihren Kindern nicht mehr in die Augen schauen, wenn sie Nein stimmen würde: «Wir sprechen heute Abend über Kosten und Zwänge. Aber dass wir unsere Kinder zwingen, mit den Klimaschäden, die wir verursachen, zu leben, bleibt unerwähnt.» In jüngster Zeit gehen auch viele Jugendliche in der Schweiz auf die Strasse, um sich gegen Passivität dem Klimawandel gegenüber zu wehren.
Ebenfalls zu reden gaben die 15 Milliarden Franken, welche die Schweiz pro Jahr für fossile Energie ins Ausland zahlt. Es ist anzunehmen, dass diese Gelder für andere Technologien und Knowhow, und somit für Arbeitsplätze in der Schweiz ausgegeben würden.

Ein kurzes Schlusswort war jedem Diskussionsteilnehmenden gegönnt
Der HEV stört sich an gewissen Details des Berner Energiegesetzes, sagte Käser. Dazu gehören die Bürokratie und die einengenden Energievorschriften, was auch Gschwend unterstützte. Moderne Technologien ermöglichen eine Energiewende, ist Aeschlimann überzeugt. Unsere Denkweise müsse beweglicher werden. Und Remund sagte lediglich den einen Satz: «Der Klimawandel ist da – Klimaschutz Ja,  Energiegesetz Ja.»

Helen Käser


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