Käse, Liebe und Intrigen in stürmischen Zeiten
02.04.2019 Aktuell, Lützelflüh, Foto, Region, Kultur, GesellschaftAm vergangenen Donnerstag lud das Gotthelf Zentrum Emmental Lützelflüh zur Vernissage der neuen Sonderausstellung «Die Käserei in der Vehfreude» ein. Der gleichnamige Roman, der im Jahr 1850 im Berliner Verlag von Julius Springer erschien, gehört zu den bekanntesten Werken des Schriftstellers Albert Bitzius alias Jeremias Gotthelf. Mit viel Humor und satirischem Witz erzählt Gotthelf vom Einbruch der Moderne im beschaulichen Bauerndorf Vehfreude und geisselt Geldgier und blinden Fortschrittsglauben. Die Vehfreudiger beschliessen in seltener Eintracht, anstelle des dringend benötigten neuen Schulhauses, dem Zeitgeist entsprechend eine Käserei zu errichten: «So eine rechte, dass man daran sehe, es fehle ihnen weder an Geld noch an Bildung.» Bald darauf wird das ganze Dorf von einem regelrechten «Chäsfieber» befallen. Doch die Vehfreudiger müssen feststellen, dass ihre Träume von schnellem Reichtum zu voreilig waren. Einige greifen, auf ihren Vorteil bedacht, zu unlauteren Mitteln und beginnen die Milch für die Käseproduktion mit Wasser zu strecken…
Eintauchen in eine Welt des Wandels und des Umbruchs
«Nach der Sonderausstellung zur Novelle ‹Die schwarze Spinne› wollten wir uns einem der grossen Romane von Gotthelf widmen», orientierte Werner Eichenberger, der die Ausstellung in Zusammenarbeit mit Heinrich Schütz kuratierte, die Anwesenden. «Die Wahl fiel auf das zeitkritische Werk ‹Die Käserei in der Vehfreude›, das sich dank des Hörspiels von Ernst Balzli aus dem Jahr 1951, der Verfilmung des Burgdorfer Regisseurs Franz Schnyder von 1958 und der Produktion ‹Gotthelf – das Musical›, uraufgeführt an den Thunerseespielen 2011, bis heute grosser Popularität erfreut. Die spannende Geschichte bot uns Ausstellungsmachern zahlreiche Anknüpfungspunkte und Zugangsmöglichkeiten. Gotthelf erweist sich als präziser Kenner der Milchwirtschaft und Käseproduktion. Er schildert den kulturellen Umbruch, den der Boom der Talkäsereien auslöste. Das Werk entstand in der stürmischen Zeit zwischen 1847 und 1850. In ganz Europa gärte es, in der Schweiz erfolgte 1848 – nach dem Sonderbundskrieg – die Gründung des modernen Bundesstaats. Gotthelf nimmt immer wieder Bezug auf zeitgenössische Ereignisse.» Die neue Ausstellung lässt die Besucher/innen mittels Text, Bildern, Ausschnitten aus dem Hörspiel, einer Tonbildschau und zahlreichen Gegenständen in eine Zeit des Wandels und Umbruchs eintauchen. Es gibt viel zu erkunden und zu bestaunen: Zu den Höhepunkten gehören originale Aquarelle und Skizzen von Albert Anker, Holzschnitte von Emil Zbinden sowie verschiedene Exponate, die für echte Käserei-Stimmung sorgen. Selbstverständlich wird auch der berührenden Liebesgeschichte zwischen dem einstigen Verdingkind Änneli und Felix, dem Sohn des Dorfammanns, gebührend Rechnung getragen. Trotz sozialer Gegensätze, bösartiger Verleumdungen und Intrigen finden die beiden letztlich zueinander. Wer kennt nicht den Ausspruch «Änneli, gimm mr es Müntschi!».
Wie der Emmentaler die Welt eroberte
An der Vernissage führten Werner Eichenberger und Heinrich Schütz die zahlreich erschienenen Gäste in den Roman ein. Kurt Baumann, Vizegemeindepräsident und Präsident des Vorstands Trägerverein GZEL, überbrachte eine Grussbotschaft der Gemeinde Lützelflüh. Andreas Bigler, ehemaliger Käsermeister in Arni bei Biglen, erläuterte in seinem humorvollen Referat wie der Emmentaler die Welt eroberte. Die erste Talkäserei im Kanton Bern entstand im Jahr 1815 in Kiesen. Bereits vierzig Jahre später existierte praktisch in jedem Dorf im Emmental eine Talkäserei. Dank innovativer Handelsfirmen entwickelte sich der Emmentaler zum Exportschlager.
Die Vernissage wurde vom Quartett «J4J» – das Kürzel steht für «Jazz for Jeremias» – musikalisch mit passenden jazzigen Klängen umrahmt. Beim anschliessenden Käse-Apéro durften die Ausstellungsmacher zahlreiche Komplimente entgegennehmen. Am 2. April, startet im Gotthelf Zentrum die Saison 2019. Das
Museum ist somit für alle Interessierten zugänglich.
Markus Hofer
Weitere Informationen www.gotthelf.ch.