Erneuerungen im Justizvollzug in drei Phasen

  06.06.2019 Aktuell, Foto, Kultur, Wirtschaft, Region, Politik

Die Gefängnisse und Justizvollzugsanstalten (JVA) im Kanton Bern weisen einen erheblichen Sanierungs- und Modernisierungsbedarf auf. Dies ist seit Längerem bekannt. In der vergangenen Woche präsentierte der Regierungsrat des Kantons Bern deshalb seinen Masterplan zur Umsetzung der Justizvollzugsstrategie 2017–2032. Dieser umfasst drei Phasen, die sich über einen Zeitraum von 25 Jahren erstrecken.

Anstalts- und Gefängnisneubau im Raum Jura / Seeland
In der ersten Phase mit hoher Dringlichkeit soll ein kombinierter Anstalts- und Gefängnisneubau mit 100 Plätzen für die Untersuchungs- und Sicherheitshaft sowie mit 150 Plätzen für den geschlossenen Strafvollzug im Raum Berner Jura / Seeland entstehen. Der genaue Standort ist gegenwärtig noch nicht bekannt. Abklärungen sind im Gange. Die Kosten für den geplanten Neubau belaufen sich gemäss Schätzungen des Kantons auf 281 Millionen Franken. Zudem ist für rund 74 Millionen Franken eine Erweiterung des Regionalgefängnisses Thun mit 80 neuen Plätzen für die Administrativhaft vorgesehen. Auf die früher ins Auge gefassten Neubauten des Regionalgefängnisses Bern und der Justizvollzugsanstalt Hindelbank wird hingegen verzichtet.

Instandhaltungsarbeiten an den Regionalgefängnissen Bern, Thun, Moutier und Burgdorf
In der zweiten Phase wird das baufällige Regionalgefängnis Biel geschlossen. Dagegen sind Instandhaltungsarbeiten an den Regionalgefängnissen Bern, Thun, Moutier sowie Burgdorf in der Höhe von 42 Millionen Franken geplant. Da die Vollzugsabteilung für den vorzeitigen Strafantritt in den geschlossenen Männervollzug im vorgesehenen Neubau Berner Jura / Seeland integriert wird, soll das Regionalgefängnis Burgdorf künftig nur noch für die Untersuchungs- und Sicherheitshaft genutzt werden. Die Platzzahl reduziert sich von 109 auf 100. Die Sanierungskosten in Burgdorf belaufen sich auf rund zwei Millionen Franken.

Thorberg-Entscheid fällt in der dritten Phase
In der dritten Phase entscheidet sich die Zukunft der Justizvollzugsanstalt Thorberg, Gemeinde Krauchthal. Bis dahin soll das wohl bekannteste Gefängnis der Schweiz, das in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts als Zwangserziehungsanstalt, Musterschule und Hilfsirrenanstalt genutzt wurde, funktionstüchtig erhalten und weiter betrieben werden. Der Regierungsrat geht davon aus, dass die auf rund 117 Millionen Franken prognostizierten Kosten für eine Gesamtsanierung des Gebäudekomplexes in einem ungünstigen Verhältnis zum Nutzen und den beschränkten Ausbaumöglichkeiten stehen. Mit Sicherheit ist am heutigen Standort eine Reduktion der Plätze von derzeit 180 auf 130 erforderlich. Die Regierung will mit den Konkordatskantonen darüber verhandeln, wie die Anzahl der benötigten Haftplätze dereinst sinnvoll aufzuteilen ist. Der Grundsatzentscheid, ob die Justizvollzugsanstalt Thorberg weiter betrieben wird oder nicht, fällt voraussichtlich erst nach dem Jahr 2030.

Gesamtsanierungen Hindelbank, St. Johannsen und Witzwil
Unabhängig von den drei Phasen setzt sich der Regierungsrat zum Ziel, die vorgesehenen Gesamtsanierungen der Justizvollzugsanstalten Hindelbank, St. Johannsen sowie die bereits begonnene Instandsetzung von Witzwil unter Beibehaltung des bestehenden Angebots und unter Berücksichtigung der finanziellen Möglichkeiten des Kantons zu realisieren bzw. zu vollenden. Es wird mit einem Investitionsbedarf von 190 Millionen Franken gerechnet, wobei die konkreten Sanierungsarbeiten in zeitlich flexiblen, kleineren und voneinander unabhängigen Arbeitspaketen realisiert werden können. Das Bundesamt für Justiz subventioniert die Sanierungskosten mit jeweils 25 Prozent. Die umfassende Instandsetzung der JVA Hindelbank wird mit 84 Millionen Franken beziffert. Wie dringend notwendig der Handlungsbedarf ist, zeigt der im Januar 2018 publizierte Bericht der Polizei- und Militärdirektion über die Justizstrategie. Darin ist unter anderem von «bestehenden Sicherheitslücken» und steigenden «Kosten für Infrastruktur und Personal» die Rede. Hindelbank ist die einzige Justizvollzugsanstalt für Frauen in der deutschsprachigen Schweiz. Die Strafen und Massnahmen decken von der geringsten bis zur grössten Sicherheitsstufe alles ab. Die 107 Plätze, die mehrheitlich von anderen Kantonen genutzt werden, bleiben bestehen.
Mit dem Masterplan zur Umsetzung der Justizvollzugsstrategie will der Regierungsrat Belegungsproblemen vorbeugen sowie das Problem der veralteten Infrastrukturen und ressourcenraubenden «Allround-Institutionen» anpacken. In Zukunft stehen dem Kanton gemäss Masterplan 1099 Haftplätze zur Verfügung – 147 mehr als heute, allerdings 56 weniger als in der Vollzugsstrategie angenommen. In den kommenden zehn bis zwölf Jahren sind Investitionen von 580 Millionen Franken geplant, um den Justizvollzug effizient, nachhaltig und zeitgemäss zu gestalten und grösstmögliche Sicherheit zu garantieren. Als Nächstes wird sich der Grosse Rat mit dem Masterplan der Regierung auseinandersetzen.

Markus Hofer


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