«Der nackte Wahnsinn» – Chaos ohne Ende

  22.10.2019 Aktuell, Foto, Region, Burgdorf, Kultur

Nach «Der Besuch der alten Dame» (Friedrich Dürrenmatt), «Geld und Geist» (Jeremias Gotthelf) und «8 Frauen» (Robert Thomas) tritt die 1960 gegründete Emmentaler Liebhaberbühne aktuell mit «Der nackte Wahnsinn» (Michael Frayn) auf die Bühne. Dies in einer berndeutschen Bühnenfassung von Ulrich Simon Eggimann. Für ihn ist die Produktion 2019/20 die 27. Regiearbeit für die Emmentaler Liebhaberbühne. Er nähert sich so seinem Vorgänger Rudolf Stalder. Der am 12. Juli 2018 im Alter von 85 Jahren verstorbene Altmeister war 1960 Mitbegründer der Emmentaler Liebhaberbühne und bei Radio DRS als Redaktor, Regisseur, Dramaturg sowie Lektor tätig. Unvergesslich bleiben seine Radiohörspiele zu Werken Gotthelfs.  

Vergangenen Freitagabend im Casino Theater Burgdorf
Regisseur Ulrich Simon Eggimann freut sich, dass sein Ensemble nach dem für 13 Millionen Franken erfolgten Umbau wieder auf der Heimbühne stehen darf. Hier finden die ersten zehn Vorstellungen statt, zehn weitere Auftritte im Rüttihubelbad in der Gemeinde Walkringen. Bei der mit Spannung erwarteten Premiere von «Der nackte Wahnsinn» sind rund 40 Prozent des 261 Plätze aufweisenden Casino Theaters besetzt. Kurt Dähler (Hans Rudolf Kummer) studiert die nicht ganz taufrische Boulevardkomödie «Nackte Tatsachen» für eine Tournee ein. Dabei bringt ihn seine Theatercrew zur Verzweiflung – so chaotisch geht es auf der Bühne zu und her. Das beginnt bereits bei Haushälterin Romy Gerber (Maike Selter) mit ihrem sympathischen schwäbischen Dialekt. Der Regisseur tadelt den Startauftritt der Haushälterin. «Soll i nomol komme?», fragt ihn diese. Wenn der entnervte Regisseur laut «Stopp» brüllt, bedeutet dies für die Chaos-Truppe jeweils: Diese Szene muss wiederholt werden.    
Zum Ensemble gehören auch der zerstreute Schwachkopf Toni Bürgi (Bendicht Eggimann), der gross gewachsene Herzensbrecher Fredi Löffel (Emanuel Gfeller), der unerfreuliche Post erhält (letzte Mahnung, Pfändung, gerichtliche Vorladung), die kurzsichtige Conny Stübi beziehungsweise Vicki (Florine Zbinden), deretwegen die Crew auf Linsensuche gehen muss, die modebewusste Astrid Fahrni (Jessie Fankhauser) und Theaterinspizient Dani Haldimann (Ronnie Grossenbacher). Nicht zu beneiden ist Regieassistentin Dodo Brülisauer (Katrin Haueter), denn fürs Drunter und Drüber muss meist sie den Kopf hinhalten. Zum pannenanfälligen Ensemble zählt auch der bärtige, schlecht hörende, dem Alkohol frönende Ernst Fankhauser (Dominik Müller), der den Einbrecher mimt. Er gönnt sich ein Nickerchen. Ein ausgeruhter Schauspieler ist ein besserer Schauspieler. Eines Nickerchens wegen habe er, verrät er, 1961 in Trub eine Premiere verpasst. Weil er schwerhörig ist, glaubt er jetzt, das Stichwort für seinen Auftritt verpasst zu haben. Der Regisseur beruhigt ihn. Bis zu seinem Einsatz daure es noch 20 Minuten.
In der Berndeutschfassung der Emmentaler Liebhaberbühne zeigt der erste Akt die Generalprobe von «Nackte Tatsachen», der zweite Akt die Perspektive hinter der Bühne und zuletzt das Tournee-Ende – auf der Bühne in einem Altersheim. Was auf dieser Bühne schief laufen kann, läuft schief. Türen klemmen, Texte hängen, Requisiten werden falsch verwendet. Der Blick hinter die Bühne offenbart Animositäten, Eifersüchteleien, Streitereien. Die Nerven liegen blank. Das Publikum geniesst das tempostarke Geschehen, lacht oft und quittiert die Topleistung der Crew zuletzt mit minutenlangem Beifall. Auch Regisseur Ulrich Simon Eggimann würdigt nach der gelungenen Premiere die Leistung seines Ensembles. Das Stück sei für alle eine grosse Herausforderung. Jetzt sei er entsprechend erleichtert. «Der nackte Wahnsinn» ist beim Publikum angekommen. Bereits steht fest, dass «Ds Amtsgricht vo Waschliwil» in einer Fassung von Rudolf Stalder die Produktion 2020/21 sein wird.

Hans Mathys


Weitere Vorführungen von «Der nackte Wahnsinn» im Casino Theater Burgdorf vom 1. bis 17. November 2019, im Rüttihubelbad vom 31. Dezember 2019 bis 2. Februar 2020. Infos und Tickets: www.elb.ch.

 


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