Allen Grund zum Feiern

  30.10.2019 Aktuell, Foto, Kultur, Burgdorf, Gesellschaft

Eigentlich ist das Jubiläumsfest eine Familienfeier, denn der Blick auf die geladenen Gäste lässt schnell merken, wie eng sehr viele der Anwesenden teils seit Jahrzehnten mit der Kultur­institution Casino Gesellschaft verbunden sind. Viel zum Verständnis der Vereinsgeschichte trägt das 50-seitige Werk des Burgdorfer Historikers und Gymnasiumlehrers Michael Ritter bei, der die Vereinsgeschichte detailliert und gut verständlich zu Papier gebracht hat.

Zwei Vorfahren
Ritter schreibt in seiner Casino-Chronik, dass die 1919 gegründete Casino Gesellschaft «das Erbe zweier Vereine aufnahm, indem sie vom Dramatischen Verein den inhaltlichen Schwerpunkt und vom Akademischen Verein die programmliche Struktur aufnahm». Als weiteren Faktor für die Gründung nennt er den Umstand, dass die beiden Vorgängerinstitutionen strukturell nicht geeignet gewesen sind, im 20. Jahrhundert ein von der neuen Gesellschaft gewünschtes Programm zu tragen. Während beim Akademischen Verein bereits minimale Vereinsstrukturen fehlten, bietet der 1902 gegründete Dramatische Verein ein gegenteiliges Bild: Als zeitweise zuständig fürs Programm des Casino Theaters segelt dieses immer wieder in stürmischer See. Das endet, als das Theater 1930 in eine Aktiengesellschaft überführt wird und sich derart von der Casino
Gesellschaft löst. Letztere ist laut Ritter niemals Eigentümerin des Theaters; Besitzer ist von 1887 bis 1930 der Männerchor Liederkranz, der den gesamten Betrieb – recht oft – an den Grenzen seiner finanziellen Möglichkeiten fast 50 Jahre führt.
Ritter hält fest, dass über die gesamten 100 Jahre hinweg literarische Lesungen der Kern des Programms gewesen seien. Daneben stehen Vorträge und weitere Anlässe zu nicht literarischen Themen im Angebot. Traditionell bietet die Casino Gesellschaft seit vielen Jahrzehnten acht Anlässe pro Jahr für die breite Öffentlichkeit an.

Rund 200 Jahre Theater
In seinem Werk «Die Kunstdenkmäler der Schweiz, die Stadt Burgdorf» hält der Verfasser Dr. Jürg Schweizer fest, dass «seit dem frühen 19. Jahrhundert regelmässig Theaterguppen auftraten, anfangs schräg gegenüber im Salzhaus, nach 1857 im zweiten Stock der Marktlaube an dessen Stelle». 1872 erfolgt die «Institutionalisierung des Theaters» durch die Gründung der Casino Gesellschaft. Die ausgegebenen Aktien sollen ein Gesellschaftshaus und Theater finanzieren. Als Standort wird die letzte Baulücke von 1865 gekauft, bereits 1872 das Bewilligungs- und Bauverfahren mit Kosten von 120 000 Franken durchgezogen und Ende 1873 die Eröffnung gefeiert.
Dunkle Wolken ziehen auf, als das Theater als Predigtlokal zweckentfremdet wird. Käseexporteur Adolf Grieb kann das finanzielle Fiasko durch den rasch entschlossenen Kauf des Theaters abwenden. 1930 übernimmt die Casino Theater AG die Liegenschaft und lässt sie nach Plänen von Architekt Ernst Bechstein senior auskernen, aufstocken und die Inneneinrichtungen völlig modernisieren. Im Lauf der Jahrzehnte wird immer wieder um- und ausgebaut, das letzte grosse Bauvorhaben ist kürzlich beendet worden.

Schlagzeug, Worte, Blumen
Um 19.00 Uhr versammeln sich die Gäste im Casino-Foyer und dem anschliessenden Saal beim Getränkebuffet und begrüssen Freunde und Bekannte. Das «Duo al volo» untermalt den Festauftakt musikalisch, bis Julian Sartorius beginnt, statt seines Schlagzeugs im Foyer Wände, Türen und Treppengeländer zu bespielen und die Anwesenden in den Theatersaal führt. Auf der Bühne legt er ein anhaltend applaudiertes zehnminütiges Drum Solo hin, das totale Begeisterung auslöst.
Matto Kämpf führt gekonnt und pointiert durch den Abend, erntet für sein «Liebesgedicht ans Oberland» mit bissig, verbissener Verstrickung viel Applaus und kann als erster Poetry-­Slam Remo Zumstein ankündigen, der einmal mehr sein Publikum hinreisst: «De Mond hett hüt a guete Luna!» Verblüfftes Schweigen, dann Gelächter. Zumstein präsentiert ein Feuerwerk an Wortakrobatik und fragt scheinheilig, ob das Publikum intellektuell nachkommt. Er feuert eine empörte Anklage mit philosophischen Forderungen eines Unterdrückten an die «Kränkantin» ab und fordert schliesslich als Erstklässler gegenüber seiner Mutter, aufgrund seines horrenden Wissensstandes die zweite Primarschulklasse überspringen zu können. Seinen Ausführungen «Am Anfang war das Wort» kann das Publikum aufs Wort folgen.
Während das «Duo al volo» auf der Bühne Salonmusik bietet, kreiert Sibylle Gosteli vom «Blumenhandwerk» daneben einen fantasievollen Blumenstrauss für Karin Fankhauser.

Auf weitere 100 Jahre
Karin Fankhauser, seit 2011 Päsidentin der Casino Gesellschaft, betont bei ihrer Festrede an die Mitglieder von Casino Gesellschaft, Pro Burgdorf und Freunde der Altstadt, dass «ohne die ehrenamtliche Mitarbeit meiner Vorstandsmitglieder die erfolgreiche Führung der Institution nicht möglich wäre. Es sind dies Esther Nyffenegger (Vize), Ursula Tobler, Marlis Bracher, Jürg Walder, Markus Rettenmund, Christoph Balder und Doris Gerber». Sie blickt zurück auf die engen Bindungen ans Casino Theater und dass es Hochs und Tiefs gegeben habe. Die Mitgliederzahlen schwanken, etwas mutigere Vorträge lösen Skandale aus, breite Anerkennung erfolgt für Vorträge von nationaler Ausstrahlung oder bei Auftritten wie beispielsweise Mani Matter. Sie weist auf die hervorragend geschriebene Chronik von Michael Ritter hin und dankt ihm ganz herzlich.
Am Jubiläumsanlass sind einige Referentinnen und Referenten vergangener Anlässe anwesend, was die Präsidentin besonders freut. Auch der Umstand, dass nicht wenige Anwesende auf viele Jahrzehnte Mitgliedschaft bei der Gesellschaft zurückblicken können. «An alle Dozenten, Referenten und Mitglieder, die heute verhindert oder verstorben sind, wollen wir mit einen Lied von Mani Matter denken.» Ab Band ertönt das «Zündhölzli». Dann wünscht sie der Casino Gesellschaft weitere 100 Jahre erfolgreiches Bestehen.

Murmelis Schöpfungsgeschichte
Matto Kämpf erläutert die Schöpfungsgeschichte im Berner Oberland, gemäss der «am Anfang das Nebelmeer war und das grosse Murmeli mit goldenem Fell die Welt erschaffen hat». Mit seinen pointierten Spitzen reisst er die Anwesenden zu Lachstürmen hin: «Manche ausländischen Touristen wären hier als Soldaten mehr willkommen, denn dann könnte man sie abschiessen!»
Mich Gerber übernimmt mit seinen musikalischen Impressionen am Bass den Schlussteil der eindrücklichen Geburtstagsfeier, die gemäss Programm mit Essen, Treffen, Kennenlernen, Unterhalten im Casino-Restaurant noch lange bei bester Stimmung weitergeht.

Gerti Binz

 


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