Schnarchen ist häufig, manchmal gefährlich
21.10.2019 Aktuell, Foto, Region, BurgdorfSeit dem Jahr 2010 lädt das Spital Emmental das interessierte Publikum regelmässig zu Vortragsabenden ein. Auf dem Programm stehen jeweils Gesundheitsthemen, zu denen sich Ärztinnen und Ärzte sowie weiteres Fachpersonal des Spitals äussern. Im Spital Emmental in Burgdorf findet der erste Publikumsvortrag nach den Herbstferien übermorgen Donnerstag, 24. Oktober 2019, ab 19 Uhr statt. Referent ist Dr. med. Jörg Salomon, Leitender Arzt Pneumologie. Der Eintritt ist frei, eine Anmeldung nicht erforderlich. Dr. med. Jörg Salomon steht nach seinem Referat beim alkoholfreien Gratis-Apéro auch noch für persönliche Fragen zur Verfügung.
«D’REGION»: Was darf das Publikum von Ihrem Vortrag «Gefährliches Schnarchen» erwarten?
Dr. Salomon: Bei diesem Vortrag geht es darum, dem Publikum zu vermitteln, dass Schnarchen sehr häufig und normalerweise ungefährlich ist. Manchmal jedoch ist es Ausdruck einer Erkrankung, dem sogenannten Schlafapnoe-Syndrom.
«D’REGION»: Gibt es überhaupt Menschen auf dieser Welt, die gar nie schnarchen – nicht mal ganz leise?
Dr. Salomon: Selbstverständlich gibt es solche Menschen. Wenn die Atemwege ganz frei sind und die Atemluft ungehindert in die Lunge gelangt, entstehen keine Schnarchgeräusche. Rund ein Drittel der Bevölkerung produziert aber zumindest ein sehr leises Schnarchen.
«D’REGION»: Ein bisschen schnarchen ist wohl kaum gefährlich. Was aber, wenn es sich um ein lautes Schnarchen mit Atempausen von 10 Sekunden bis 2 Minuten handelt, also um Schlafapnoe?
Dr. Salomon: Grob kann man sagen: Je häufiger Atempausen auftreten, je länger sie sind und mit je mehr Sauerstoffabfällen in der Nacht sie einhergehen, umso gefährlicher sind sie. Die Auswirkungen sind jedoch bei jedem Patienten unterschiedlich. Es gibt auch Patienten mit vielen Atempausen, welche hiervon überhaupt nichts merken.
«D’REGION»: Menschen mit dem Schlafapnoe-Syndrom merken in der Regel nichts vom eigenen Schnarchen und von den Atempausen…
Dr. Salomon: Die Atempausen treten unbewusst im Schlaf auf. Gewöhnlich merkt der Patient davon nichts. Häufig sind es die Partner, welche das Schnarchen und die Atempausen feststellen. Gelegentlich verspürt aber auch der Betroffene selber einen oberflächlichen Schlaf und bemerkt sogar kurze Atemnot-Episoden in der Nacht.
«D’REGION»: Kommen Patientinnen und Patienten mit dem Schlafapnoe-Syndrom immer via Hausarzt zu Ihnen oder werden solche Fälle zuweilen auch im Spital Emmental diagnostiziert, wenn sie hier durch lautes Schnarchen und Atempausen auffallen?
Dr. Salomon: Die allermeisten Patienten gelangen durch ihren Hausarzt zu uns. Das Schlafapnoe-Syndrom ist unterdessen eine sehr gut bekannte Erkrankung. Sowohl die Patienten als auch ihre Hausärzte sind diesbezüglich sehr aufmerksam. Gelegentlich bemerkt aber auch das Spitalpersonal während eines
Spitalaufenthaltes – zum Beispiel während einer Operation – ein Schnarchen und Atempausen, was dann zu Abklärungen führen kann.
«D’REGION»: Kann Schlafapnoe mit der Art des Schlafens – Seitenlage oder auf dem Rücken liegend – eingedämmt werden?
Dr. Salomon: Tatsächlich treten Atempausen häufig dominant in Rückenlage auf. Patienten versuchen dann, die Rückenlage zu meiden. Die Erfahrung lehrt jedoch, dass dies sehr schwierig ist und auch mit Hilfsmitteln in der Nacht – beispielsweise mit einem kleinen Anti-Schnarch-Rucksack – häufig nicht lange durchgehalten wird.
«D’REGION»: In der Schweiz werden rund 75 000 Patienten mit Schlafapnoe betreut, doch offenbar sind weit mehr von dieser Krankheit betroffen. Gibt es im Spital Emmental eine Tendenz nach oben oder unten?
Dr. Salomon: Ein grosser Teil der Betroffenen mit dem Schlafapnoe-Syndrom ist unentdeckt. Dies liegt daran, dass Beschwerden wie Müdigkeit und rasche Erschöpfbarkeit gewöhnlich sehr langsam im Leben auftreten und oft anderen Umständen – zu viel Arbeit, Alter, kein Sport – zugeschrieben werden und dass die Atempausen häufig sehr kurz sind und vom Partner nicht beobachtet werden.
«D’REGION»: Wie geht das Spital Emmental vor, um eine Diagnose zu stellen? Geschieht diese im Spital oder zuweilen daheim im Schlafzimmer?
Dr. Salomon: Die allermeisten Abklärungen können zu Hause erfolgen. Nach einem Gespräch bei uns geben wir dem Patienten eine Apparatur mit nach Hause, die er dann abends aktiviert, damit schläft und uns am nächsten Tag zurückbringt. Wir werten die Resultate dann aus und besprechen anschliessend mit dem Patienten das weitere Vorgehen.
«D’REGION»: Das Schlafapnoe-Syndrom führt oft dazu, dass sich betroffene Patienten der schlechten Schlafqualität wegen anderntags müde fühlen und die Konzentration darunter leidet. Welche anderen negativen Auswirkungen gibt es noch?
Dr. Salomon: Bei Vorliegen eines schweren Schlafapnoe-Syndroms sind die Patienten häufig nicht nur müde, sondern auch schläfrig. Das heisst, dass sie unwillentlich einschlafen. Dies zum Beispiel vor dem Fernseher oder beim Lesen. Manchmal ist die Schläfrigkeit sogar so stark, dass es auch zu Problemen beim Autofahren oder am Arbeitsplatz kommt. Die Beschwerden sind jedoch sehr unterschiedlich. Teilweise können sie auch nur zu Gemütsschwankungen und Leistungseinbussen oder Kopfschmerzen führen. Wichtig ist auch, dass ein Zusammenhang von Atempausen im Schlaf mit anderen Erkrankungen besteht. Patienten mit Schlafapnoe-Syndrom leiden häufiger an einem hohen Blutdruck und an Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
«D’REGION»: Welchen Einfluss auf Schlafapnoe können Fettleibigkeit, Alkohol und Medikamente haben?
Dr. Salomon: Die meisten Patienten mit dem Schlafapnoe-Syndrom sind übergewichtig. Wir sehen jedoch häufig auch nur leicht übergewichtige oder normal schwere Patienten, welche an einem relevanten Schlafapnoe-Syndrom leiden. Es ist richtig, dass die Atempausen bei Alkoholkonsum zunehmen – was Patienten häufig von sich aus erwähnen. Auch verschiedene Medikamente wie beispielsweise Schlaftabletten oder Opioide können Atempausen verstärken.
«D’REGION»: Welche Vorteile bringen eine frühzeitige ärztliche Kontrolle und Abklärung bei Schlafapnoe?
Dr. Salomon: Ein Schlafapnoe-Syndrom entsteht häufig schleichend über mehrere Jahre. Die Beschwerden werden deshalb vom Patienten oft gar nicht wahrgenommen. Die Patienten führen ihre vermehrte Müdigkeit häufig auf andere Umstände wie vermehrte Arbeitsbelastung, Alter und weniger Sport zurück. Durch ein frühzeitiges Erkennen kann dem Patienten häufig rasch geholfen und diese Beschwerden genommen werden. Auch dürfte sich eine frühzeitige Behandlung des Schlafapnoe-Syndroms bei manchen Patienten positiv auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen auswirken.
«D’REGION»: Schlafapnoe kann beispielsweise mittels einer Überdruckmaske oder einer speziell angefertigten Zahnspange behandelt werden. Wie schätzen Sie diese Therapiemethoden ein?
Dr. Salomon: Die weltweit am häufigsten eingesetzte und am besten studierte Therapie ist die Therapie mit einer Überdruck-Maske. Es handelt sich dabei um die sogenannte CPAP-Therapie. Hier wurden in den vergangenen Jahren erhebliche Fortschritte erzielt. Die modernen Geräte sind sehr klein und leise, die Masken angenehm leicht und bequem. Diese Methode wird auch als einzige sicher von den Krankenversicherungen vergütet. Ein weiterer Vorteil ist die stetige Therapiekontrolle. Das Gerät kann abschätzen, ob die Atempausen behandelt sind und misst auch die Zeiten, zu denen der Patient die Behandlung durchführt. Die zweitbeste Methode sind speziell angefertigte Zahnspangen – sogenannte Protrusionsschienen –, die in leichteren Fällen ebenfalls wirksam sein können. Man kann auch versuchen, mit speziellen Trainingsmethoden – zum Beispiel Didgeridoo spielen – die Schlundmuskulatur zu stärken. Dies gelingt jedoch nur in leichteren Fällen und erfordert ein konsequentes Training durch den Patienten.
Zur Person
Dr. med. Jörg Salomon, Leitender Arzt Pneumologie am Spital Emmental, ist an beiden Standorten – Burgdorf und Langnau – tätig. Er ist Facharzt FMH für Pneumologie und für Allgemeine Innere Medizin und verfügt über den Fähigkeitsausweis Schlafmedizin SGSSC (Schweizerische Gesellschaft für Schlafforschung, Schlafmedizin und Chronobiologie). Seine Aus- und Weiterbildung hat er unter anderem am Inselspital Bern absolviert. Am Spital Emmental ist er seit August 2017 tätig. Dr. med. Jörg Salomon (Jahrgang 1971) ist verheiratet und wohnt mit seiner Familie in Burgdorf.
Hans Mathys