Rechtsfragen bei Menschen mit Demenz

  12.11.2019 Aktuell, Foto, Burgdorf, Gesellschaft, Region

Dass dieses Thema viele Leute bewegt, zeigte das grosse Publikumsinteresse. Im Zentrum Schlossmatt Region Burgdorf informierte die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) detailliert über die gesetzlichen Vorgaben bei Menschen mit Demenz. Unterstützt wurde dieser Anlass vom SRK, Pro Senectute, Spitex, Selbsthilfe BE und Alzheimer Bern.
Die KESB löste ab Anfang 2013 die ehemalige Vormundschaftsbehörde ab. Sie besteht aus Juristen/-innen, Psychologen/-innen und Sozialarbeitenden. Hier werden Entscheidungen getroffen, unterstützt vom sozialjuristischen Dienst, Revisorat und Kanzlei.
Dr. Verena Schwander, Präsidentin KESB Emmental, erklärte anhand eines fiktiven Falles ihre verantwortungsvolle Arbeit. Diese beginnt bei einer Gefährdungsmeldung. Das bedeutet, dass eine Person, welche den Alltag nicht mehr allein meistert, sich bei der KESB meldet. Häufig äussern auch Heime, Ärzte, Angehörige oder Nachbarn ihre Besorgnis, wenn sie glauben, eine Person sei gefährdet. Darauf wird die Situation von der KESB analysiert. Eine Person kann mit einer Patientenverfügung und/oder einem Vorsorgeauftrag ihre Lebenssituation für den Fall ihrer Urteilsunfähigkeit bestimmen. Urteilsunfähig ist eine Person, welche eine Situation nicht mehr richtig einschätzen und demnach nicht entsprechend agieren kann.

Patientenverfügung und Vorsorgeauftrag ermöglichen ein Handeln nach den Wünschen der betroffenen Person
Eine urteilsfähige Person kann definieren, wer sie im Falle ihrer Urteils­unfähigkeit vertreten soll. In einer Patientenverfügung wird festgelegt, welche medizinischen Massnahmen gewünscht oder unterlassen werden sollen, im Vorsorgeauftrag geht’s um das Regeln der Finanzen, des Rechtsverkehrs, des Wohnens und/oder um medizinische Massnahmen. Beide Papiere sind mit Datum zu versehen und handschriftlich zu unterzeichnen. Der Vorsorgeauftrag muss zudem handschriftlich verfasst oder einem Notar zur öffentlichen Beurkundung vorgelegt werden. Beim Eintreten einer Urteilsunfähigkeit validiert die KESB dieses Dokument. Wichtig ist, dass die Patientenverfügung und der Vorsorgeauftrag sich nicht widersprechen, die erwähnten Personen verfügbar und die Wünsche noch aktuell sind. Empfehlenswert ist das Hinterlegen einer Kopie bei Angehörigen, bei einer Patientenverfügung beim Hausarzt. Bei einem Vorsorgeauftrag kann auch auf dem Zivilstandsamt vermerkt werden, dass ein solches Papier vorliegt.
Brigitte Oser, diplomierte Sozialarbeiterin FH/MAS und Behördenmitglied KESB Oberaargau, erläuterte das Vorgehen, falls keine Patientenwünsche festgehalten wurden. Der Artikel 378 des ZGB listet das gesetzliche Vertretungsrecht bei medizinischen Massnahmen fest. Um administrative Aufgaben kümmern sich in den meisten Situationen Angehörige, ohne dass die KESB eingeschaltet werden muss. Das sei natürlich ideal, meinte Oser, doch in vielen Fällen stosse man plötzlich an Grenzen, weil der Zugang zu den Finanzen nicht möglich sei oder eine gültige Unterschrift fehle. Häufig dränge sich da eine Beistandschaft auf. Ein Drittel aller Erwachsenenmandate bei der KESB Oberaargau werde von Privatpersonen übernommen, die andern zwei Drittel von Sozialarbeitenden, welche bei Regionalen Sozialdiensten arbeiten. Die Prüfung ihrer Arbeit und Genehmigung von Bericht und Rechnung durch die KESB erfolgt alle zwei Jahre.

Wenn die nötige Betreuung oder Behandlung verweigert wird
Die KESB kann bei Verweigerung ambulante Massnahmen wie Spitex oder eine fürsorgerische Unterbringung (FU) in einem Alters- oder Pflegeheim oder in einer psychiatrischen Institution anordnen. Für eine FU, die auch durch einen Arzt oder eine Ärztin ausgesprochen werden kann, müssen strenge Voraussetzungen eingehalten werden.

Einmal KESB – immer KESB?
Eine Anwesende wollte sich bis jetzt auch in schwierigen Situationen mit ihrer leicht dementen Mutter nie an die KESB wenden. Sie fürchtete sich, danach ständig kontrolliert zu werden. Schwander und Oser erklärten, dass viele Meldungen eingingen. In gemeinsamen Gesprächen suche man nach einer Lösung und könne danach wieder eigene Wege gehen, ohne die Behörden.
Verschiedene Fragen aus dem Publikum betrafen die Urteilsunfähigkeit einer Person. «Nach einer Begutachtung, meist durch einen Alterspsychiater, wird ein Grundlagenentscheid gefällt», erklärte Schwander. Aber sie hätte schon Situationen erlebt, in denen die ältere Generation Entscheide gefällt hätte, die ihren erwachsenen Kindern nicht gefielen. Das sei jedoch kein Grund, eine ältere Person als urteilsunfähig zu bezeichnen.
Nach dem Referat wurden bei einem Apéro persönliche Fragen direkt mit den Referentinnen oder den Vertreterinnen der unterstützenden Organisationen geklärt.

Helen Käser


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