«Meine Leidenschaft für Bücher und fürs Lesen möchte ich weitergeben»

  15.01.2020 Aktuell, Foto, Region, Burgdorf, Kultur

Seit dem Sommer 2019 amtiert Andrea Grichting als Leiterin der Stadtbibliothek Burgdorf. Die verheiratete Mutter einer Tochter lebt in Kirchberg und erwies sich schon in ihrer Kindheit als eifrige Leserin. Bis heute sind Bücher ihre grosse Leidenschaft. Die Liebe zur Literatur machte sie zum Beruf. Nach Abschluss des Germanistik- und Anglistikstudiums an der Uni Bern arbeitete sie während rund zwanzig Jahren in verschiedenen Funktionen in der Bibliothek am Guisanplatz in Bern. Ihr oblagen als Teamchefin nebst der gesamten Ausleihe das Marketing, die Organisation von Vortragsreihen und der Auftritt an der Berner Museums­nacht. Als Leiterin der Stadtbibliothek Burgdorf reizte sie das breite öffentliche Zielpublikum: «Die Bibliothek am Guisanplatz ist eine Fachbibliothek und wird vorwiegend vom Bundespersonal genutzt, in Burgdorf steht hingegen die private Nutzung im Vordergrund. Dadurch bietet sich mir die Chance, mit meiner Tätigkeit die Lust am Lesen quer durch alle Schichten und Alterskategorien zu fördern. Dies ist eine grosse und spannende Herausforderung. Die ernüchternden Ergebnisse der PISA-Studie zeigen, wie wichtig die Leseförderung gerade auch bei Kindern und Jugendlichen ist. Ich möchte dazu beitragen, dass Lesen Freude bereitet, und Hemmschwellen abbauen.»
Unterstützt wird Andrea Grichting von ihrer Stellvertreterin Tabea Elber. Zum Kernteam der Stadtbibliothek gehört weiter Luzia Fleischlin, Archivarin des Burgerarchivs. Beide haben ihre Stellen ebenfalls 2019 angetreten. Das junge, motivierte Frauen-Team will in den nächsten Jahren viele Ideen umsetzen.
«D’REGION» stellte Andrea Grichting im Gespräch verschiedene Fragen.


«D’REGION»: Der argentinische Schriftsteller Jorge Luis Borges schrieb einst: «Das Paradies habe ich mir immer als eine Art Bibliothek vorgestellt.» Empfinden Sie ähnlich?
Andrea Grichting: Definitiv. Die grös­s­te Wand in unserem Wohnzimmer ist unserer «Privatbibliothek» vorbehalten. Bücher sind für mich äusserst inspirierend. Ich könnte nicht ohne Literatur leben.

«D’REGION»: Soll die Stadtbibliothek vorwiegend eine Ausleihstelle für Bücher sein oder ein Ort, der zum Verweilen einlädt?
Andrea Grichting: Ganz klar beides. Mir ist wichtig, dass alle Interessen abgedeckt werden. Gegenwärtig richten wir im ersten Stock eine gemütliche Leselounge zum Schmökern ein. In der Cafeteria können Besucher/innen in aller Ruhe in Zeitschriften blättern oder sich in ein Buch vertiefen. Die Stadtbibliothek bietet auch freien Internetzugang und Arbeitsplätze.

«D’REGION»: Pro Jahr schafft die Stadtbibliothek über 3000 neue physische Medien an. Nach welchen Kriterien treffen Sie die Auswahl?
Andrea Grichting: Wir haben monatlich zahlreiche Neuerscheinungen im Angebot, da wir unseren Bestand laufend aktualisieren. Beim Einkauf orientieren wir uns natürlich an den Vorlieben der Kundschaft. Sehr gefragt sind Krimis und Thriller, aber auch Liebesgeschichten sowie Kinder- und Jugendbücher. Neben dem Bereich Belletristik wird auch die Abteilung Wissen ständig erweitert – mit Ratgebern zu unterschiedlichen Lebensphasen und -situationen, zu den Themen Gesundheit, Medizin und Reisen sowie den Bereichen Hobbys und Freizeit. Sowohl für Unterhaltungsliteratur als auch für Fachbücher ist die Stadtbiblio­thek also die ideale Anlaufstelle.
Unser DVD-Sortiment erfreut sich ebenfalls grosser Beliebtheit. Bei den Neuanschaffungen konzentrieren wir uns weniger auf grosse Hollywood-Blockbuster, sondern vorwiegend auf Geheimtipps und kleine Perlen. Einen Fokus legen wir zudem auf neue Medien – bei Kindern erfreuen sich etwa die Hörspiele in Form von Tonie-Hörfiguren grosser Beliebtheit sowie auch das audiodigitale Lernsys­tem tiptoi®, das Bücher um eine interaktive Komponente erweitert. Selbstverständlich gehen wir nach Möglichkeit gerne auf Kundenwünsche ein.

«D’REGION»: Die Stadtbibliothek positioniert sich auch als sozialer Treffpunkt und Veranstaltungsort. Auf welche Anlässe darf man sich 2020 freuen?
Andrea Grichting: Wir organisieren unter dem Titel «Ohr-Häppchen» einmal pro Monat eine Spoken-Word-Reihe mit sprachgewandten Wortkünstlerinnen und Wortkünstlern. Um bei kleinen Kindern auf spielerische Weise die Freude an der Sprache zu wecken, bieten wir zum Thema Buchstart regelmässig den Anlass «Ds Gschichtli u ds Weggli» an. Die Stadtbibliothek wird auch am Schloss-Eröffnungsfest, beim Ferienpass, an den Krimitagen und an der Kulturnacht vertreten sein. Auf dem Programm stehen weiter ein Vorlese-Tag sowie diverse kleinere Aktionen. Auch die Badi-Bibliothek, die sich als Erfolgsmodell etabliert hat, wird weitergeführt.

«D’REGION»: Die Digitalisierung schreitet unaufhaltsam voran. In Deutschland, England oder Norwegen hat in den letzten Jahren ein Bibliothekssterben eingesetzt. Auch in der Schweiz nimmt die Anzahl Nutzer kontinuierlich ab. Sind diese Tendenzen auch in Burgdorf spürbar?
Andrea Grichting: Das Stichwort Digitalisierung ist vielfach mit Angstmacherei verbunden. Ich habe keineswegs die Befürchtung, dass wir in naher Zukunft unsere Türen schliessen müssen. Die Stadtbibliothek wird nach wie vor rege genutzt. Zu unserem Kundenstamm zählen viele Familien mit Kindern. Wer bereits in jungen Jahren Bücher wertschätzt, wird der Leselust ein Leben lang frönen. Die Digitalisierung bietet auch Chancen. Zu unserem Dienstleistungsangebot gehört auch eine umfangreiche digitale Bibliothek: E-Books lassen sich bequem von zu Hause aus – unabhängig von den Öffnungszeiten – auf einen E-Reader herunterladen. Beide Angebote ergänzen sich und werden geschätzt.

«D’REGION»: Im Jahr 2029 feiert die Stadtbibliothek ihr 300-jähriges Bestehen. Welche Ziele wollen Sie bis dahin umsetzen?
Andrea Grichting: Die Stadtbibliothek soll ein Ort bleiben, der im Bewusstsein der Bevölkerung von Burgdorf und der Region präsent ist, immer wieder gerne besucht wird und bereichernd wirkt. Ich setze mir zum Ziel, den unterschiedlichen Bedürfnissen der Kundinnen und Kunden möglichst gerecht zu werden und meine Leidenschaft für das Lesen weiterzugeben.


Markus Hofer


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