Von Blasenentzündung und Harninkontinenz
03.03.2020 Aktuell, Bildung, Foto, Burgdorf, Gesellschaft«Blasenbeschwerden bei der Frau: Abklärung und Behandlung», heisst der Publikumsvortrag von Dr. med. Catrina Bärtschi-Sgier von übermorgen Donnerstag, 5. März 2020, ab 19.00 Uhr im Kurslokal des Spitals Emmental in Burgdorf. Anschliessend an den Vortrag hat das Publikum die Möglichkeit, der Oberärztin der Gynäkologie und Geburtshilfe beim Apéro Fragen zu stellen.
«D’REGION»: Worauf legen Sie am Publikumsvortrag den Fokus?
Dr. Bärtschi: Es wird zwei Hauptthemen geben: die Blasenentzündung und die Harninkontinenz.
«D’REGION»: Harninkontinenz – also ungewollter Harnverlust – ist für viele Betroffene ein Tabuthema. Weshalb sind viel mehr Frauen als Männer betroffen?
Dr. Bärtschi: Der Inhalt des kleinen Beckens ist bei Mann und Frau unterschiedlich ausgestaltet. Der Beckenboden der Frau ist so gebaut, dass Schwangerschaften und Geburten möglich sind. Diese Belastung darunter ist für den Beckenboden ein grosser Stressor / Mitverursacher der häufigsten Harninkontinenzform der Frau, nämlich jener der Belastungsinkontinenz. Dabei kommt es bei körperlicher Anspannung – also beim Sport, Springen, Husten oder Lachen – zum Harnverlust.
«D’REGION»: Hängt diese Belastungsinkontinenz mit einer Schwäche des Beckenbodens zusammen – und wie kann man dieses «Übel» bekämpfen?
Dr. Bärtschi: Sie sehen das richtig. Die grundlegende Therapie ist deshalb in erster Linie das Kräftigen der Beckenbodenmuskulatur – am besten zuerst mithilfe von speziell dafür ausgebildeten Physiotherapeuten.
«D’REGION»: Harninkontinenz kann auch mit dem Alterungsprozess zusammenhängen. Gibt es weitere Risikofaktoren?
Dr. Bärtschi: Es gibt mehrere: Schwangerschaften, ein schwaches Bindegewebe, chronische Atemwegserkrankungen, Medikamente, Übergewicht und Rauchen. Mit einer Reduktion des Übergewichts kann eine wesentliche Verbesserung der Inkontinenz erreicht werden. Nikotin – also Rauchen – gehört zu den «Blasen-Reizstoffen», welche die Symptome einer überaktiven Blase verstärken können. Ebenso gehören Getränke mit künstlichen Süssstoffen oder Kohlensäure-Zusatz, Koffein oder Alkohol zu den Blasen-Reizstoffen.
«D’REGION»: Frauen welchen Alters behandeln Sie besonders häufig – und gibt es auch bereits Teenager, bei denen es ungewollt tröpfelt?
Dr. Bärtschi: Bei Teenagern sind die Beschwerden selten und meist von anderer Ursache. Oft sind es Patientinnen nach einer oder mehreren Geburten. Mit und auch ohne Schwangerschaften nimmt die Häufigkeit der Harninkontinenz mit steigendem Alter zu – vor allem jedoch ab der Menopause.
«D’REGION»: Beim Arztbesuch wird nach dem Gespräch eine gynäkologische Untersuchung durchgeführt. Wird dann entschieden, ob man den ungewollten Harnverlust mit Medikamenten oder gleich mit einer Operation bekämpfen will?
Dr. Bärtschi: Meistens ist es eher ein schrittweises Vorgehen. Medikamente können bei der Behandlung der überaktiven Blase eingesetzt werden. Die operative Einlage eines spannungsfreien Bandes ist eine mögliche Therapie der Belastungsinkontinenz.
«D’REGION»: Die Erfolgsrate bei der operativen Therapie liegt bei 85 Prozent. Wie sieht dieser Eingriff aus?
Dr. Bärtschi: Bei der Belastungsinkontinenz zeigt die operative Einlage eines spannungsfreien Bandes unterhalb der Harnröhre gute Wirksamkeit. Ambulant wird es in Teil- oder Vollnarkose über ganz kleine Einschnitte im Bereich der Scheide und der Oberschenkel beidseits oder je nach Operationsvariante im Unterbauch beidseits durchgeführt.
«D’REGION»: Welche Hilfeleistungen bietet das Spital Emmental bei Harninkontinenz an?
Dr. Bärtschi: Die Frauen dürfen sich sehr gerne mit ihren Fragen an uns wenden. Wir führen eine Basis-Abklärung durch. Ab September 2020 ist am Spital Langnau zusätzlich eine erweiterte Abklärung mittels Urodynamik und Blasenspiegelung möglich. Auch begleiten wir die Frauen während der Therapie – sei es medikamentös oder mithilfe der Physiotherapie. Auch eine Inkontinenzoperation kann am Spital Emmental durchgeführt werden.
«D’REGION»: Etwas, worunter ebenso mehr Frauen leiden als Männer, sind Blasenentzündungen. Weshalb sind Frauen so anfällig?
Dr. Bärtschi: Ein wichtiger Grund ist die viel kürzere Harnröhre bei der Frau. Bakterien können auf diesem Weg rasch zur Blase gelangen.
«D’REGION»: Braucht es bei einer Blasenentzündung immer eine Therapie mit Antibiotika?
Dr. Bärtschi: Nicht in jedem Fall. Handelt es sich um eine gesunde, junge Frau ohne weitere Beschwerden, versucht man heute in der Regel, die Beschwerden mit Schmerzmitteln oder alternativen Produkten zu bekämpfen.
«D’REGION»: Was ist das Gefährliche an einer Blaseninfektion?
Dr. Bärtschi: Gefährlich wird es, wenn die Infektion in die Nieren aufsteigt oder im Verlauf sogar eine Blutvergiftung auslöst. Bei geschwächten Frauen mit anderen, bereits bestehenden Erkrankungen muss man vorsichtig sein – ebenso in der Schwangerschaft.
Zur Person
Dr. med. Catrina Bärtschi-Sgier ist am Bodensee aufgewachsen. Dem Studium der Medizin an den Universitäten in Fribourg und Bern folgte dort der jeweilige Doktorats-Abschluss. Von 2012 bis 2018 war sie Assistenzärztin Gynäkologie und Geburtshilfe in Langenthal und Biel sowie während vier Jahren an der Frauenklinik des Inselspitals Bern. Dr. med. Catrina Bärtschi-Sgier ist seit 2018 Oberärztin Gynäkologie und Geburtshilfe am Spital Emmental. Geboren ist sie 1986. Sie ist verheiratet und hat zwei Kinder.
Hans Mathys
Vorsichtsmassnahmen
Das Spital Emmental hält sich an seinen Publikumsvorträgen an die Vorschriften des Kantonalen Führungsorgans des Kantons Bern im Zusammenhang mit der aktuellen Coronavirus-Epidemie. Personen, die sich in den letzten 14 Tagen in Norditalien, China, Südkorea, Singapur oder Iran aufgehalten haben, dürfen nicht an der Veranstaltung teilnehmen. Personen, die an einer Erkältung leiden, Atemwegserkrankungs-Symptome haben (Husten, Atemnot), sich fiebrig fühlen oder Gliederschmerzen haben, sollen zu Hause bleiben. Alle Anwesenden müssen zudem ihre Personalien angeben.