Boeschocen und Chrzanowski (und Amsel) im «Zentrum Mösli»

| Mi, 29. Apr. 2020

UTZENSTORF: Die beiden Musiklehrer Gerrit Boeschocen und Mariusz Chrzanowski spielten für die Bewohnerinnen und Bewohner ein Balkonkonzert. zvg

Das Zentrum Mösli in Utzenstorf ist seit dem 7. März 2020 für Besucherinnen und Besucher geschlossen, die Bewohner müssen sich drinnen stillhalten oder dürfen sich nur auf dem Areal bewegen. Die Aktivitäten mit externen Leuten wurden eingestellt und Besuche bei den Bewohnern dürfen coronabedingt nicht mehr erfolgen. Auf Anraten des Heimarztes musste sogar die Verbindung zwischen dem Heim und der Siedlung unterbrochen werden. Sprich, die Bewohner der Siedlung werden durch die Spitex gepflegt und die Mahlzeiten werden durch den Mahlzeitendienst geliefert. Das vorher offene Heim mit öffentlicher Cafeteria, freiwilligen Mitarbeitern und den vielen Aktivitäten und Vereinen, welche für Musik, Gesang und Tanz sorgten, ist über Nacht gespenstisch ruhig geworden. Obwohl alle Bewohner die Massnahmen gut umsetzen, ist nicht zu verleugnen, dass die Langeweile Einzug hält und Abwechslung dringend nötig ist.
Nachdem der Heimleiter Jürg Kruger in der ersten Phase mit der Umsetzung des Pandemieplanes beschäftigt war, sucht er nun nach Möglichkeiten, den Alltag wieder aufzulockern. Vor rund drei Wochen hörte er das erste Mal von sogenannten Balkonkonzerten und fing an, Adressen zu sammeln. So konnte er zwei Musiklehrer engagieren, welche am 24. April 2020 zum ersten Balkonkonzert im Zentrum Mösli aufspielten. Diese hiessen Gerrit Boeschocen an der Klarinette und Mariusz Chrzanowski am Akkordeon und mit Gesang und gaben unter anderem die Stücke «Wiener Blut», «O Sole Mio», «Besame Mucho», «Tico Tico» oder die «Ungarische Rhapsodie» zum Besten. Begonnen wurde im Innenhof, auf den Balkonen waren die Heimbewohner versammelt, schunkelten oder summten mit. Bei «O Sole Mio» erklang die wunderschöne Tenorstimme von Mariusz Chrzanowski dermassen intensiv, dass sich eine Amsel zum Begleitgesang verleiten liess. Der zweite Teil des Konzertes fand auf der Ostseite und der dritte Teil auf der Nordseite des Heimes statt, sehnsüchtig von den dortigen Bewohnern erwartet.
Nach einer kurzen Pause zügelten die Musiker noch auf die Westseite der Siedlung. Dort wurden sie sogar noch intensiver, teilweise schon «zappelig» erwartet. Zwei Ehepaare hatten sich mit Kaffee und Chrömli auf ihren Terrassen eingerichtet und ihre Stühle wie im Konzert platziert. Beim «Besame Mucho» wurde von einer Heimbewohnerin gezeigt, dass man auch mit Rollator tanzen kann. Selbstverständlich wurde diese Show von einer Bewohnerin filmisch festgehalten. Das Konzert fand dermassen Anklang, dass den Musikern am Ende des Konzerts noch eine Zugabe abverlangt wurde.
Beim Gespräch erzählten die Musiker, dass sie diese Woche bereits täglich Balkonkonzerte gegeben haben und die Stimme des Tenors etwas gelitten hatte. Weil diese Konzerte draussen stattfinden und das Wetter nächste Woche kühler und eventuell auch feucht sein wird, können sie zu ihrem Bedauern keine Konzerte geben, die Stimme kann sich in dieser Zeit aber erholen. Die beiden würden aber trotzdem lieber Konzerte geben, weil sie das Publikum jeweils als motiviert und dankbar beschreiben. Bei einem Heim in der Stadt Bern kamen sogar Bewohner aus dem naheliegenden Quartier und bedankten sich für die wunderbare Musik. Natürlich lieben nicht alle Leute den klassischen Stil, trotzdem wurde auch das Konzert in Utzenstorf von den Bewohnern geschätzt.
Jürg Kruger plant nun regelmässig Konzerte mit verschiedenen Musikstilen und Formationen. So hat er bereits einen Drehorgelmann aus dem Bucheggberg für das nächste Konzert organisiert.
 In absehbarer Zeit wird eine Kontaktbox (ähnlich einer Telefonkabine mit Fenster) eingerichtet. In dieser können sich Heimbewohner unter Einhaltung der Hygienemassnahmen mit Angehörigen treffen.
Der Heimleiter wand im Gespräch den «Möslianern» wie auch der Belegschaft ein grosses «Chränzli». Das Pflegepersonal sei durch die bestehenden Vorschriften eingeschränkt, die Bewohner bräuchten aber eher mehr Betreuungszeit. Deshalb helfen die Küchencrew, das Aktivierungsteam (sonst fürs Basteln, Singen, Turnen usw. zuständig) und auch der Hausdienst mit und ermöglichen es, dass jeder Bewohner täglich spazieren gehen könne. Man helfe einander. Umso mehr dürften sich nun alle an den Konzerten erfreuen. 

Alexandra Weber

 

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