Alltag in der Gebärabteilung- trotz Corona

  12.05.2020 Aktuell, Foto, Region, Burgdorf, Gesellschaft

Neue Gesetze und zusätzliche Verbote gehörten während den letzten Monaten zum Alltag. Mehrmals wöchentlich passten sich die Menschen neuen Vorschriften an. Was jedoch nicht verboten werden kann, sind die Geburten. Sie halten sich nicht an Gesetze, sondern ereignen sich, wann es die Natur vorgesehen hat.
Im vergangenen Jahr kamen im Spital Emmental in Burgdorf 736 Kinder zur Welt. Auf der Abteilung Gynäkologie/Geburtshilfe werden Frauen und ihre Familien vor, während und nach der Geburt begleitet und stationäre gynäkologische Patientinnen gepflegt. Ein Erstkontakt in der Schwangerschaft findet häufig in der Hebammensprechstunde statt. In die Abteilung integriert ist ein Ambulatorium, ähnlich einer Frauenarztpraxis. Nach der Geburt bleiben die Frauen in der Regel drei bis fünf Tage im Spitalwochenbett.

Kreativität und Innovation waren gefragt
Seit März 2020 wurde das Personal täglich mit neuen Informationen konfrontiert. Die Verantwortlichen bündelten diese und suchten im Team nach Lösungen. Das setzte eine enge Zusammenarbeit zwischen Hebammen und Ärzten voraus. Auch erfahrene Berufsleute waren in dieser Pandemiesituation Anfänger/innen. Gemeinsam passten sie die Richtlinien den Gegebenheiten an.
Mit dem Wissen, dass eine Geburt nicht aufzuhalten ist, musste auch damit gerechnet werden, dass eine an Covid-19 erkrankte Schwangere ins Spital kommen könnte. Um ein Zirkulieren auf der Station zu verhindern, haben die Verantwortlichen die ganze Abteilung umgestellt. Ein geräumiges Patientenzimmer wurde so vorbereitet, dass es als Aufnahmezimmer, Gebärzimmer und Wochenbettzimmer genutzt werden kann. Das daneben liegende Spielzimmer dient aktuell als Geräteraum. Dort steht alles bereit, um diesen Wechsel rasch zu ermöglichen und auch für geburtshilfliche Notfälle gewappnet zu sein. In einer geschützten Ecke des Zimmers stehen Schutzkleidung (Mäntel, Brillen und Handschuhe) und Behälter zur korrekten Abfallentsorgung bereit. Seit mehreren Wochen tragen Hebammen, Ärzte und das gesamte Spitalpersonal Schutzmasken zu ihrer normalen Arbeitskleidung. Standardhygienemassnahmen gehörten bereits vor der Pandemie zum Alltag und geben Sicherheit für Patienten und Personal, so von Ballmoos. Das gilt auch für die Geburten. Die zusätzliche Schutzkleidung mit Mänteln, Brillen und Handschuhen wird nur bei Verdacht oder bestätigter Covid-19-Erkrankung getragen.
Ab Anfang März 2020 durfte jede stationäre Patientin lediglich einer Person Besuchsrecht erteilen. Ab Mitte März verbot der Bundesrat jeglichen Besuch, auch für die nächsten Angehörigen. Einzige Ausnahmen bildeten Gebärende und sterbende Menschen. Darum konnte der Partner die Gebärende während der ganzen Geburt, egal wie lange sie dauerte, begleiten. Auch danach durfte er noch einige Stunden bei Frau und Kind verweilen und die neue Situation geniessen. Eine Geburt ist ein persönliches Erlebnis für beide Elternteile. Vater und Mutter bilden in diesem Moment eine unzertrennliche Einheit. Sie stehen im Zentrum. Nach diesen bedeutsamen Stunden war dem Partner die Begegnung mit Frau und Baby erst wieder bei deren Austritt möglich. Diese Regelung wurde nun aufgehoben und die Väter können Mutter und Kind auch im Wochenbett unbeschränkt besuchen.

Eine Wöchnerin sprach über ihre Geburt im Spital Emmental
Sie ist den Hebammen über die Vorab­information betreffend der aktuellen Situation auf der Gebärabteilung dankbar. Doch die Tatsache, dass der Vater nach der Geburt nicht mehr zu Besuch kommen durfte, belastete sie schwer. Vielleicht liege es daran, dass dies ihre erste Geburt war, meinte sie. Das tiefe gemeinsame Erlebnis hinterlässt Spuren und man möchte darüber reden, Gedanken und Gefühle austauschen. Das Telefon ist da nur ein ungenügender Ersatz. Doch schlussendlich sei die Geburt selbst das zentrale Ereignis, das ihr als unvergesslicher Moment in Erinnerung bleibe. Die Hebammen hätten sie und ihren Partner während all den Stunden unterstützt. Der Abschied von ihm und die vier Tage der Hospitalisation seien für sie belas­tend gewesen.
Viele Frauen litten unter der Trennung vom Partner und den andern Kindern, die ihr neues Geschwister nicht besuchen durften. Darum verkürzte sich während der Pandemiezeit die Wochenbettdauer auf Wunsch der Frauen durchschnittlich um ein bis zwei Tage. Zudem gab es häufiger ambulante Geburten, bei denen die Frauen im Spital gebären und dieses bereits einige Stunden später wieder verlassen konnten.

Wichtig: die Zusammenarbeit mit freischaffenden Hebammen
Bei einer frühzeitigen Entlassung kontaktieren die Spitalhebammen jeweils die freischaffenden Hebammen, welche die Frauen zu Hause aufsuchen und begleiten. Im Emmental funktioniert diese Zusammenarbeit mit den ambulanten Hebammen seit Langem. Alle vom Spital entlassenen Frauen werden zu Hause von einer Hebamme weiterbegleitet. Sie steht ihnen während den ersten Wochen mit Rat und Tat zur Seite. In der Phase des Lock­downs versuchten die Hebammen, so viele Probleme wie möglich per Telefon oder Skype zu lösen, und besuchten die Wöchnerinnen nur gezielt.
Alle hoffen, dass die Gynäkologie- und Gebärabteilung weiterhin vor Covid-19-Infektionen verschont bleibt.

Helen Käser


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