Lockerungen nach dem Lockdown

  27.05.2020 Aktuell, Foto, Burgdorf, Gesellschaft, Region

Gustav
Gustav kann nach einer langen Zeit in den eigenen vier Wänden aufatmen. Er hat sich an die Vorgaben gehalten und ist mit seiner Frau zu Hause geblieben. Kinder und Grosskinder kümmerten sich um die Einkäufe. Gustav verliess das Haus nur, um auf die Bank zu gehen. Dank den Lockerungen konnten sie ihren Wohnwagen, der auf einem Zeltplatz steht, endlich bezugsbereit machen. Gustav war bereits beim Coiffeur und einmal in einem Res­taurant. Er schätze die wiedergewonnenen Freiheiten. Treffen mit Freunden und Familie finden wieder häufiger statt. Das Ritual, zusammen einzukaufen, danach Kaffee zu trinken und mit Bekannten zu plaudern, nehmen Gustav und seine Frau jetzt wieder auf.

Nadia
Obwohl Nadia zu keiner Risikogruppe gehört, geht und ging sie nur für Einkäufe und die Arbeit aus dem Haus. Seit den Lockerungen trifft sie sich gelegentlich mit Freunden/-innen im öffentlichen Raum. Als Detailhandelsangestellte hat sie erst vor zwei Wochen wieder mit ihrer Arbeit begonnen. Die hohe Besucherfrequenz, die gelegentlich die Zahlen von früher übersteigt, überrascht sie. Sie fährt regelmässig Zug und stellt fest, dass die Fahrgäs­te den nötigen Abstand einhalten. Für Situationen mit zu grossem Gedränge habe sie stets eine Maske dabei.

Nadine und Levin
Nadine konnte ihren Job als Kosmetikerin während dem Lockdown nicht ausüben. Darum hat sie ihren Sohn Levin während dieser Zeit nicht in die Kita gebracht. Ihre persönlichen Beziehungen haben sich auf Leute beschränkt, welche nur wenige Menschen trafen. Sie schätzt es, wieder in ihrem Beruf zu arbeiten, und freut sich über die Kontakte mit der Kundschaft, trotz Plexi­glas und Mundschutz. Ihr fehlte das freie Leben, das Ungezwungene, die gesellige Stimmung in der Stadt. Auch Bern lebe noch nicht richtig. Sie sei mit dem Zug dorthin gefahren und da einigen Teenies begegnet, die keine Distanzregeln eingehalten hätten.

Kilian
Kilian arbeitet als Koch. Da alle Restaurants geschlossen waren, musste er sieben Wochen zu Hause bleiben. Er konnte sich gut beschäftigen und spürte keine Langeweile. Die Kontakte beschränkte er auf seine WG-Mitbewohnenden und die Nachbarn. Er schätzt es, dass er wieder arbeiten kann, hat aber den Eindruck, eigentlich sei nichts zu kurz gekommen. Überrascht hat ihn das Verhalten vieler Leute in Bern, welche die Lockerungen als Rückkehr zur Normalität zu verstehen schienen. Er fragt sich, ob man da nicht zu schnell vorgehe.

Erika und Hanspeter
Das Paar aus Luzern ist aus touristischen Gründen in Burgdorf. Es hat in seinem Kleinbus übernachtet, nachdem es am Abend davor in einem Restaurant fein getafelt hatte. Fürs Servicepersonal sei es äusserst schwierig, auch beim Servieren die nötige Distanz einzuhalten. Beide schätzen die kleinen Freiheiten, die ihnen der Alltag wieder beschert wie beispielsweise häufigere Kontakte zu ihren Kindern und den Eltern, jedoch streng nach Vorschrift. Die Reisefreudigkeit, die ihnen beim Lockdown abhandengekommen war, kehrt mit den verschiedenen «Öffnungen» langsam wieder zurück. Dafür konnten sie während den zwei Monaten des Lockdowns Renovationen am Haus vornehmen und auch der Garten sei in tadellosem Zustand wie nie zuvor.

Annemarie
Annemarie fiel unfallbedingt bei der Arbeit aus und konnte deshalb ab Anfang März ihre Einkäufe nicht mehr selbst tätigen. Auch die persönlichen Kontakte reduzierte sie auf eine Person pro Besuch. Dank schönem Wetter hätte sie diese im Garten empfangen und halte das jetzt noch so, wenn Familie oder Freunde/-innen zu ihr kämen. Ungezwungene Gartenapéros sind ihr lieb geworden. Ihrem Coiffeur war sie dankbar, dass sie schon bald einen Termin bekam. Annemarie fährt regelmässig Bus, weil sie – ebenfalls unfallbedingt – momentan das Fahrrad nicht brauchen kann. Meist arbeitet sie im Büro, selten zu Hause. Trotz den Lockerungen vermisst sie vieles: die Vereinstätigkeiten, kulturelle Veranstaltungen und spezielle Events wie die Solätte, der Mittelaltermarkt oder ein Kinoabend.

Roger
Für Roger hat sich mit dem Lockdown nur wenig verändert und somit sind auch die Lockerungen nicht relevant. Er arbeitet als Landschaftsgärtner, hatte also weder Kurzarbeit noch Arbeitsausfälle. Auch seine Freizeit verbringt er gerne draussen. Bei den aktuellen Vorschriften reizt ihn ein Restaurantbesuch nicht. Manchmal stelle er sich die Frage, was passiert wäre ohne alles Wissen über Corona. Er denkt sachlich und meinte, es gäbe nur zwei Varianten, Überleben oder Sterben.

Christine
Christine gehört altersmässig zu einer Risikogruppe, fühlt sich jedoch fit und gesund. Sie und ihr Mann gingen regelmässig spazieren. Ein Nachbar hatte ihnen angeboten, die Einkäufe zu übernehmen. Das hat Christine sehr geschätzt, kauft nun aber wieder selbstständig ein. Sie bevorzugt dafür die Mittagszeit, weil da weniger Leute unterwegs sind. Sie flanierte am Markt in der Oberstadt und liess sich bei einem Restaurantbesuch verwöhnen, genoss einen Coiffeurbesuch und ist froh, dass die Podologin wieder Kundinnen empfängt. Christine vermisst die Märchenanlässe, welche alle abgesagt werden mussten. Als Märchenerzählerin freut sie sich, wenn sie die Menschen wieder mit Märchen verzaubern kann und wenn die Spielnachmittage mit Freundinnen wieder durchgeführt werden. Sie hatte sich schon vor dem Lockdown für ein Projekt von Pro Senectute gemeldet, bei dem Senioren in Schulklassen Unterstützung anbieten. Das wurde leider bis mindestens zum Sommer auf Eis gelegt.

 

Interviews: Helen Käser

 

 


Image Title

1/10


Möchten Sie weiterlesen?

Ja. Ich bin Abonnent.

Haben Sie noch kein Konto? Registrieren Sie sich hier

Ja. Ich benötige ein Abo.

Abo Angebote