Oberburg und der Tanz mit Corona

  07.10.2020 Aktuell, Foto, Region, Oberburg, Gesellschaft

Seit einigen Monaten veröffentlicht der Kanton Bern die Wohnorte jener Personen, welche von der Corona­infektion befallen wurden. Ziel der ganzen Übung ist – so die offizielle Verlautbarung – nicht die Angstmache, sondern die Sensibilisierung. Tatsächlich sagt der Wohnort nichts darüber aus, wo sich die Personen im täglichen Leben aufhalten und wo sie sich anstecken. Dementsprechend sind die Resultate mit Vorbehalt zu betrachten. Nichtsdestotrotz veröffentlicht der Kanton Bern weiterhin jeden Tag die Fallzahlen, ebenso wie die Zahl der Spitaleinweisungen, der Patienten auf den Intensivstationen und Erkrankten, die beatmetet werden müssen. Wer diese Zahlen verfolgt, dem fällt auf, dass Bern, Thun und vor allem Biel die höchsten Zahlen aufweisen. Wer aber die Zahlen pro Einwohner betrachtet, erkennt ein regionales Dorf an der Spitze, nämlich Oberburg, vom und auf dem Weg ins Emmental. Zwar haben Orte wie Lyss (37 Fälle) und Biel (130) deutlich mehr Fälle, aber weniger pro Kopf. Der Ort weist mit seinen etwas mehr als 2800 Einwohnern über 20 Fälle auf. Das wären auf 100 000 Einwohner hochgerechnet – der Massstab im internationalen Vergleich – fast 730 Fälle. Im Vergleich: In Deutschland werden Massnahmen ab 50 Fällen ergriffen.

«Keine Schüler betroffen»
Gemeindeschreiber Martin Zurflüh hat zwar selber schon von vielen Fällen in Oberburg gehört, aber irgendwelche weitergehende Informationen habe die Gemeinde nicht bekommen, ob vom Kanton oder direkt von der Gesundheitsdirektion. Der einzige Fall, der öffentlich bekannt wurde, war derjenige in der Bäckerei Neuhaus, die bis letzten Donnerstag geschlossen war. Nicht, dass die Bäckerei verseucht gewesen wäre, aber alle Mitarbeitenden mussten wegen eines Falles in Quarantäne. Weiter weiss Zurflüh, dass keine Schüler betroffen waren. Die Gründe, warum Oberburg im September besonders oft vom Coronavirus heimgesucht wurde, kann der Gemeindeschreiber nur erahnen. Familienferien können es auf jeden Fall nicht gewesen sein, denn der Schulunterbruch endet erst in einer Woche.

«Familie und Freunde»
Gundekar Giebel, Leiter Kommunikation der Gesundheitsdirektion des Kantons Bern, erklärt zur Häufung in Oberburg: «Es gibt keine Verpflichtung der Gemeinden zu handeln.» Für den Kanton gehe es tatsächlich um die Sensibilisierung der Bevölkerung, und dieses Ziel werde erreicht. Die Zahlen zeigten, dass Ansteckungen überall möglich seien und dass man sie nicht eingrenzen könne. Am Anfang habe es wegen den täglichen Meldungen Angst in der Bevölkerung und bei den Behörden gegeben, diese sei aber inzwischen verschwunden. «Wir wurden gelobt für unsere Transparenz», berichtet Giebel. Die Beobachtung, dass die Ansteckungen im Kanton Bern wellenförmig auftauchen, bestätigt er. Dass es im Monat September in einem Ort wie Oberburg viele Infizierte gab, ist keine Überraschung. Familie, Freundeskreis oder eine Fussballmannschaft – wenn das Virus im Umlauf sei, stecke es oft mehrere Personen an, darum gebe es eine solche Konzentration. Das könne sogar regional passieren. Im Seeland sind laut Giebel fünf Schulen und zwei Kitas sowie zwei grosse Familien betroffen gewesen. Klar sei auch, dass in Städten mehr Leute angesteckt wurden als in kleineren Orten, weil alles enger sei.

Postleitzahl kein Kriterium
Orte mit weniger als 500 Einwohnerinnen und Einwohnern werden nicht erwähnt, damit der Datenschutz gewährleistet bleibt. Ebenfalls vereinbart ist, die Fälle zu politischen Gemeinden und nicht zum Wohnort zu zählen. Damit ist eine mögliche Erklärung vom Tisch, warum es vielleicht doch nicht so schlimm steht. Zurflüh hatte vermutet, dass der Kanton nach Postleitzahl zuteilt. «Wir haben verschiedene Gebiete, die zu Burgdorf gehören, aber postalisch unter Oberburg laufen.» Diese Erklärung kann er also abbuchen. In Oberburg können sie aber dennoch hoffen, dass das Virus wieder abklingt. «Das Einzige, was wir als Gemeinde machen können, ist unsere eigenen Massnahmen umzusetzen.» Das heisst, dass in der Gemeindeverwaltung Maskenpflicht und Desinfektion gelten, dazu schützen Scheiben die Angestellten. Die Gemeinde Oberburg halte sich an die Vorgaben, sei aber weder streng noch lasch. «Gute Mitte», sagt Zurflüh.

Beat Waldmeier

 


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