Bei Schlafstörungen im Alter Schafe zählen?

  23.02.2021 Aktuell, Foto, Burgdorf, Gesellschaft, Region

Am Donnerstagabend, 25. Februar 2021, 19.00 Uhr, findet der erste Publikumsvortrag des Spitals Emmental im Jahr 2021 statt – wegen der Coronapandemie als Videoübertragung. Dr. med. Markus Guzek wird während der Übertragung Fragen beantworten, die im Chat gestellt werden. Das Video wird anschliessend online gestellt und auf der Website des Spitals aufgeschaltet.

«D’REGION»: Worauf legen Sie den Fokus bei Ihrem Vortrag?
Dr. Guzek: Das Referat richtet sich an jene Personen, die sich für dieses Thema aus unterschiedlichen Gründen interessieren. Personen, die sich bisher noch nicht systematisch mit den medizinischen Aspekten des Schlafs und der Schlafstörungen befasst haben. Ihnen werde ich Möglichkeiten zu einem besseren Schlaf aufzeigen.

«D’REGION»: Kommen an Schlafstörungen leidende Senioren via Hausärztin beziehungsweise Hausarzt zu Ihnen?
Dr. Guzek: Schlafstörungen und Probleme mit dem Schlaf sind, gerade bei Senioren, ein häufiges Problem, das uns in ganz verschiedenen Situationen begegnet. Es gibt daher keine abschliessende Antwort auf Ihre Frage. Ein Teil der Patientinnen und Patienten kommt wegen Schlafstörungen auf eigene Initiative, andere werden vom Hausarzt zugewiesen. Bei einem Grossteil der Patienten liegen Schlafstörungen vor, auch wenn sie aus ganz anderen Gründen in unsere Sprechstunde kommen.

«D’REGION»: Wann spricht man von einer Schlafstörung – gibt es dazu eine Definition?
Dr. Guzek: Der Begriff Schlafstörung beschreibt, auch wenn dies umgangssprachlich oft so scheint, kein einheitliches Phänomen, sondern ist ein Überbegriff. Dementsprechend gibt es auch keine einheitliche Definition. Am häufigsten wird dieser Begriff für das verwendet, was wir in der Fachsprache als Insomnie bezeichnen. Von einer solchen sprechen wir, wenn die betroffenen Personen während mindestens eines Monats an mindestens drei Tagen pro Woche unter schlechter Schlafqualität mit ungenügendem Erholungseffekt am Morgen leiden.

«D’REGION»: Man könnte doch meinen, dass Menschen, die vom Berufsleben gestresst sind, weit eher an Schlafstörungen leiden als Seniorinnen und Senioren. Dem ist offenbar nicht so – weshalb?
Dr. Guzek: Die Antwort auf diese Frage ist nicht so einfach, wie sie scheint, denn bei einem nicht unerheblichen Teil der Senioren liegt keine eigentliche Schlafstörung vor, sondern nicht optimale Erwartungen an den Schlaf. Da sich der Schlaf und das Schlafbedürfnis mit dem Alltag verändern, leiden ältere Menschen, die ihre Erwartungen nicht entsprechend anpassen, unter den Veränderungen – ohne an einer Schlafstörung zu leiden. Ansons­ten sind die Gründe für die Häufigkeit «echter» Schlafstörungen bei älteren Menschen leider zu mehrschichtig, um sie an dieser Stelle befriedigend beantworten zu können. Auf die vielfältigen sozialen, psychologischen und nicht zuletzt biologischen Gründe werde ich aber im Vortrag eingehen.

«D’REGION»: Benötigt eine Seniorin oder ein Senior weniger Schlaf als Kinder, Jugendliche und Berufsleute?
Dr. Guzek: In der Tat verkürzt sich der benötigte Schlaf von der Geburt bis zum Senium. Es ist vor allem so, dass die Dauer des Schlafs am Stück kürzer wird. Das dürfte jedem klar werden, wenn er ein Neugeborenes beziehungsweise ein Baby beobachtet. Im Alltag kommt es vor allem zu einer Fraktionierung des Schlafs. Das Bedürfnis, sich mittags schlafen zu legen, ist also im Alter in gewisser Weise vorprogrammiert – und es ist nicht prinzipiell schlimm, diesem Bedürfnis nachzugeben. Wenn man jedoch am Mittag schläft, sollte man nicht erwarten, nachts  trotzdem zehn Stunden durchzuschlafen.

«D’REGION»: Gibt es eine Begründung, weshalb etwa doppelt so viele Frauen an Schlafstörungen leiden wie Männer?
Dr. Guzek: Ja, es gibt in der Tat überzeugende Hypothesen dazu. Ich werde diese im Vortrag kurz vorstellen. Eine Antwort an dieser Stelle würde den Rahmen jedoch sprengen.

«D’REGION»: Kann auch die Einnahme von Medikamenten – beispielsweise gegen Kopfweh und andere Schmerzen – zu Schlafstörungen führen?
Dr. Guzek: Ja, es gibt durchaus Schlafstörungen, die von Medikamenten bedingt oder zumindest mitverur­sacht werden. Andererseits gibt es auch Beschwerden wie beispielsweise  Kopfschmerzen, die unbehandelt Schlafprobleme verursachen.

«D’REGION»: Gehören auch Depressionen und Angstzustände zu den Gründen für Schlafstörungen – oder kennen Sie aus langjähriger Erfahrung noch weitere Auslöser?
Dr. Guzek: Selbstverständlich sind Depressionen – in etwas geringerem Ausmass auch Angstzustände – die geradezu prototypischen und häufigsten Ursachen von Schlafstörungen. Es gibt allerdings noch viele andere. Man könnte beinahe festhalten, dass es kaum psychische und wohl nur wenige körperliche Störungen/Krankheiten sowie Probleme gibt, die nicht zu Schlafstörungen führen können.

«D’REGION»: Haben Sie schon beob­achtet, dass Schlafstörungen auf Parkinsonerkrankungen oder demenzielle Erkrankungen hinweisen?
Dr. Guzek: Bei dieser Frage bin ich beinahe versucht, auf meine vorherige Antwort hinzuweisen. Es ist in der Tat so, dass sowohl bei der Parkinsonerkrankung als auch bei den Demenzen Schlafstörungen vorkommen und manchmal sogar anderen frühen Symptomen vorangehen können. Man sollte sich jedoch hüten, irgend­etwas davon bei sich zu vermuten, wenn Schlafstörungen auftreten. Häufig haben diese keine spezifische Ursache. In solchen Fällen sprechen wir von einer primären, nicht organischen Insomnie. Wenn sie eine Ursache haben, dann gibt es noch viele andere ausser die von Ihnen erwähnten.

«D’REGION»: Welches sind die häufigsten und gefährlichsten Folgen von zu wenig Schlaf?
Dr. Guzek: Obwohl das Problem schon so lange bekannt und so häufig ist, gibt es hierzu erstaunlich wenig wissenschaftliche Untersuchungen. Was wir sicher wissen ist, dass längerfristig bestehende, wie auch immer bedingte Schlafstörungen – für manche sind wir aktiv selbst verantwortlich – zu ernsthaften psychischen und körperlichen Problemen führen können. In den vergangenen Jahren wurden diverse Zusammenhänge zwischen Schlafproblemen und Stoffwechselerkrankungen, Bluthochdruck und Gefässerkrankungen festgestellt. Dazu kommen natürlich psychische Störungen und Leistungseinbussen.

«D’REGION»: In welchen Fällen verschreiben Sie Schlafmittel – und welches sind dann allfällige Risiken?
Dr. Guzek: Auch bezüglich dieser Frage muss ich Sie leider auf das Referat verweisen, denn die Antwort ist stichwortartig nicht möglich. Generell geht es in erster Linie darum festzustellen, weshalb die Schlafprobleme bestehen. Anschliessend gibt es verschiedene Möglichkeiten. Wenn man die Ursache rasch verbessern kann, dann tut man dies und muss keine Schlafmittel verordnen. Wenn es etwas länger dauert, aber in absehbarer Zeit möglich erscheint, dann haben die klassischen Schlafmittel durchaus für eine gewisse vorübergehende Zeit ihre Rechtfertigung. Wenn es sich allerdings abzeichnet, dass man sie sehr lange einnehmen müsste, dann gibt es heutzutage gute – auch medikamentöse – Alternativen zu den zu Recht für riskant gehaltenen klassischen Schlafmitteln.

«D’REGION»: Welche Dienstleis­tungen bietet das Spital Emmental bezüglich Schlafstörungen an?
Dr. Guzek: Die Ursachen von Schlafstörungen sind – wie ich eingangs erklärte – sehr unterschiedlich und haben körperliche, psychische sowie oft auch soziale Folgen. Dementsprechend ist unser Angebot auch polydisziplinär aufgestellt. Dazu gehören pneumologische Abklärungsangebote, das Angebot der Neurologie und unsere speziell für die Problematik älterer Menschen ausgerichtete alterspsychiatrische Sprechstunde.

Zur Person
Dr. med. Markus Guzek ist Leitender Arzt der Alterspsychiatrie am Spital Emmental und hier seit August 2015 tätig. Das Spital führt seit September 2019 eine Station für Alterspsychiatrie für Menschen im Pensionsalter – mit Dr. Markus Guzek als Leitendem Arzt. Er hat den Fähigkeitsausweis Psychiatrie sowie Psychotherapie und ist spezialisiert auf Alterspsychiatrie und Psychotherapie, Konsiliar- und Liaisonpsychiatrie sowie psychosomatische und psychosoziale Medizin. Zudem ist er Vertrauensarzt und zertifizierter medizinischer Gutachter Swiss Insurance Medicine.

Die Symptome und die Tipps
Bei folgenden typischen Symptomen liegt ziemlich sicher eine Schlafstörung vor, die ärztlich abgeklärt werden sollte: Tagesmüdigkeit, gehäufte Einschlafstörungen, häufiges Erwachen und Schwierigkeiten, nach dem Toilettengang wieder einzuschlafen, frühes Erwachen (mit verkürzter Schlafdauer), Einschlafen in wichtigen oder sozialen Situationen (im Gespräch, Wartezimmer beim Hausarzt, Schlafdruck am Steuer).
Tipps für gesunden Schlaf: mindestens eine halbe Stunde pro Tag ans helle Licht gehen (wenn möglich am Morgen), körperliche Aktivität am Tag, mindestens eine Stunde spazieren gehen, kurzer Mittagsschlaf von 30 bis 45 Minuten, abends auf Koffein und Nikotin verzichten, ruhige Umgebung, warme Füsse. Schlafrituale sind hilfreich, regelmässig schlafen gehen und aufstehen, ebenso realistische Erwartungen an die Gesamtschlafdauer.


Hans Mathys

 


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