Kälte ist sein täglich Brot

  09.02.2021 Aktuell, Foto, Oberburg, Region, Sport

Am besten fühlt sich Andreas Gmünder jeweils nach seiner warmen Dusche – damit geht es ihm vermutlich wie den meisten Leserinnen und Lesern. Der grosse Unterschied ist aber, dass Gmünder jeweils erst nach seinem täglichen Bad in der Emme unter die Dusche springt. Richtig gelesen: Zurzeit nimmt der in Oberburg wohnhafte Andreas Gmünder täglich, meistens um die Mittagszeit, ein Bad in der Emme, auch bei Temperaturen von bis zu 0,9 Grad. Seit September 2020 hat der Rechtsanwalt das Baderitual nur dreimal ausfallen lassen. «Bei Hochwasser, als sogar Baumstämme im Wasser getrieben sind», wie er schildert. Doch wie kommt man überhaupt dazu, bei frostigen Wassertemperaturen in einen Fluss zu steigen?

Mit Stress gegen Stress
Zu Wasser pflege er eine ganz besondere Beziehung, wie Andreas Gmünder nach seinem Bad am vergangenen Freitag erzählt. Schon seit frühster Kindheit er sportlich aktiv und als leidenschaftlicher Wind- und Kitesurfer sowie Wellenreiter auch gerne im Wasser unterwegs. Die Idee, jeden Tag ins eiskalte Wasser zu steigen, ist im Sommer 2020 entstanden. Auch Andreas Gmünder hat 2020 als besonders stressiges und belastendes Jahr erlebt. Neben der Coronakrise stellte er seine Dissertation fertig und das zweite Kind stand kurz vor der Geburt. Über längere Zeit hohem Stress ausgesetzt zu sein, kann zu verschiedenen Krankheiten führen. So auch bei Andreas Gmünder: Er entwickelte ein chronisches Beckenschmerzsyndrom. Als Antibiotika nicht die gewünschte Wirkung erzielten, suchte Gmünder nach alternativen und natürlichen Heilmethoden und stiess dabei auf das Kältetraining. Nun geht er mit freiwilligem (und deswegen positivem) Stress gegen den Alltagsstress vor. Zuerst startete er das Kältetraining noch mit kalten Duschen, doch schon bald hatte seine Frau Anja die zündende Idee: «Warum duschst du kalt, wenn die Emme direkt neben uns liegt?» Dazu kommt Andreas Gmünders Erfahrung als langjähriger Sportler, er weiss, wie wichtig Kontinuität ist. So war der Plan geschmiedet, welchen er nun auch seit September 2020 durchsetzt: jeden Tag ein Bad in der Emme zu nehmen.

Eine Sportskanone
Erfahrungen hat Andreas Gmünder nicht nur im Wasser, sondern auch in anderen Sportarten wie etwa Fitnesstraining und Kraftsport. Sport betreibt er mittlerweile schon seit circa 37 Jahren, in der frühen Jugend kam dann intensives Fitnesstraining dazu. «Meine erste Hantel hatte ich wohl mit 13 Jahren in der Hand», lacht Gmünder. «Ich glaube seit da war meine längste Trainingspause wohl zweieinhalb Wochen nach einer Operation.»
So arbeitet der inzwischen promovierte Rechtsanwalt neben seinem Haupterwerb auch als Personal Trainer, wo er sowohl Onlinecoachings sowie Trainings vor Ort (im eigenen Homegym oder bei den Kundinnnen und Kunden) anbietet. Für Andreas Gmünder ist Selbstoptimierung eines der wichtigsten Ziele. Mit Ernährung und Training möchte er das Bestmögliche aus sich herausholen. Auch hier hilft ihm sein neues Ritual: sowohl physisch als auch psychisch.

Der «Emmentaler Eismann»
«Es ist ein unglaubliches mentales Training», sagt Andreas Gmünder über sein Bad in der Emme. «Bei solchen Temperaturen ins Wasser zu gehen, schmerzt. Es braucht viel Überwindung, doch ich mache es ja freiwillig.» Inspiriert wurde er dabei unter anderem vom niederländischen Extremsportler Wim Hof, auch genannt «The Iceman», welcher mit seiner speziellen Atemtechnik mehrere Rekorde im Ertragen extremer Kälte aufgestellt hat. Diese Atemmethode nutzt Andreas Gmünder auch selbst. Doch freut sich der «Emmentaler Eismann» eigentlich auf sein tägliches Bad? «Ich freue mich nicht auf das Bad selbst, aber auf den Zustand danach. Nach der heissen Dusche fühle ich mich wunderbar», so der zweifache Familienvater. «Früher hätte ich gesagt ‹Training ist mein täglich Brot›, heute wäre das eher ‹Kälte ist mein täglich Brot›», erzählt Gmünder lachend. Wie gut er mit der Kälte umgehen könne, sei stark tagesformabhängig. «Einmal war die Emme bei 0,9 Grad wirklich gut erträglich, da hatte ich gar kein Kälteempfinden. Ein anderes Mal bei derselben Temperatur war es einfach nur schrecklich.» Und was bringt das tägliche Bad im kalten Wasser eigentlich? «Meine Stimmung ist viel besser, ich fühle mich wohler und gelassener», zieht er nach fünf Monaten ein erstes Fazit. Auch seine Beckenschmerzen sind nach einer Weile komplett verschwunden. «Ich kann das allen wirklich nur empfehlen», so Gmünder.

Zuschauer
Immer wieder lockt das Baderitual ungläubige Zuschauer an, welche das Geschehen von der Lochbachbrücke aus, wo Gmünder meistens ins Wasser steigt, verfolgen. Von dort sind es zurück ins warme Heim und unter die warme Dusche zum Glück nur einige Hundert Meter.
Sein Ritual möchte er auch in Zukunft weiterführen – «eigentlich mein Leben lang», hofft der 42-Jährige. «Viele positive Aspekte zeigen sich erst später», wie der Sportler aus eigener Erfahrung weiss. Gmünder hofft, seine Aufenthaltszeit im kalten Nass weiter verlängern zu können. Vielleicht auf 10, 15 Minuten? Schon bald macht ihm aber der Sommer einen Strich durch die Rechnung. Doch auch darauf bereitet sich Gmünder vor. «Vielleicht überbrücke ich diese Zeit mit kalten Duschen», lacht der Jurist. «Oder ich stelle irgendwo eine Tonne mit eiskaltem Wasser auf.»

David Kocher

Informationen zum Personal Coaching von Dr. iur. Andreas Gmünder unter www.fife.fit.


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