Erste Lockerungsschritte im Justizvollzug

  11.03.2021 Aktuell, Hindelbank, Foto, Region, Gesellschaft

Vorletzte Woche erhielt die Redaktion der Zeitung «D’REGION» einen überraschenden Anruf. Eine Insassin der Justizvollzugsanstalt Hindelbank meldete sich am Telefon und beklagte sich über die Zustände im Schweizer Justizvollzugssystem während der Coronapandemie. Noch im Januar 2021 berichtete «D’REGION», wie das Leben in der JVA Hindelbank – der einzigen Strafanstalt für Frauen in der Schweiz – abläuft. Für die Anruferin wurde dabei vieles «schöngeredet». Während sich die Schweizerinnen und Schweizer auf die Lockerungsschritte freuen, sind hinter Gittern weiterhin strikte Schutzmassnahmen angeordnet, soll heissen Quarantäne, Ausgangs-, Urlaubs- und Besuchsverbot. Letzteres ist besonders für Frauen mit jungen Kindern enorm belastend. Nur einige Stunden nach dem Telefonat teilte der Regierungsrat öffentlich mit, dass die Massnahmen im Justizvollzug weiter in Kraft bleiben.
Auf der Suche nach Antworten kontaktierte «D’REGION» daraufhin die Sicherheitsdirektion des Kantons Bern, welche im Verlauf der letzten Woche auch Antworten lieferte. Man sei sich der zusätzlichen psychischen Belastung der Insassinnen und Insassen «stark bewusst», teilte das Amt für Justizvollzug mit. «Es wird alles unternommen, um Kontakte zu ermöglichen, etwa mit zusätzlichem Telefonguthaben oder Videotelefonie. Amtliche Besuche und unaufschiebbare Sachurlaube waren aber immer möglich.» Die Behörden wissen auch, dass der Abstand von den eigenen Kindern für «die inhaftierten Mütter das schmerzvollste am Besuchsverbot» ist. In ganz speziellen Fällen wurden aber auch eingeschränkte Ausnahmen gemacht. Eine Frau, die aufgrund ihrer bevorstehenden Entlassung die Schweiz verlassen muss, konnte sich noch von ihrem in der Schweiz verbleibenden Sohn verabschieden. «Die Mehrheit der eingewiesenen Personen zeigt grosses Verständnis für die Massnahmen und trägt diese solidarisch mit», kommunizierte das Amt für Justizvollzug. «Je länger solche Massnahmen andauern, desto mehr ist allerdings auch Druck seitens der Eingewiesenen zu spüren. Es macht sich, wie in der restlichen Bevölkerung auch, eine gewisse Müdigkeit bezüglich der Massnahmen bemerkbar.»
Am vergangenen Donnerstag, 4. März 2021, wurden auch tatsächlich erste Lockerungsschritte im Justizvollzugssystem bekannt gegeben. Per 11. März 2021 werden unter strikter Einhaltung der Schutzmassnahmen wieder Besuche möglich sein. Direktkontakte sind weiterhin nicht möglich, die Besuche müssen über Trennwände stattfinden. Ein bitterer Nachgeschmack bleibt aber für die Insassinnen und Insassen: Das Ausgangs- und Urlaubsverbot besteht weiterhin. Das Amt für Justizvollzug wird aber auch hierfür in einem nächs­ten Schritt eine Lockerung beim Regierungsrat beantragen.

David Kocher


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