Wildhüter mit Leidenschaft

| Mi, 03. Mär. 2021

REGION: Simon Quinche ist der zuständige Wildhüter für einen grossen Teil des Einzugsgebietes dieser Zeitung. Wir sprechen mit ihm über seinen Alltag und aktuelle Themen wie «Biber» und die vermehrten Freizeitaktivitäten seit Ausbruch von Corona. awu

Simon Quinche ist der zuständige Wildhüter für einen grossen Teil des Einzugsgebiets dieser Zeitung. Wir nutzen die Gelegenheit, mit ihm über seinen Alltag und aktuelle Themen zu sprechen.
Sein Tätigkeitsgebiet umfasst grob gesagt die Verbindung zwischen Emmental und Oberaargau. Die äusseren Grenzen befinden sich bei Fraubrunnen – Hindelbank – Oberburg – Wynigen – Hellsau – Kantonsgrenzen zu Solothurn. Er ist tagtäglich in diesem Gebiet unterwegs und kennt jeden «Chrachen» und die Wälder wie seine Hosentasche.

Ein verwirklichter Kindheitstraum
Simon Quinche wollte von Kindesbeinen an Wildhüter werden. Durch Bekannte seiner Eltern kam er früh in Kontakt mit diesem Beruf und ab der siebten Klasse begleitete er ab und zu einen Wildhüter bei der Arbeit. Jagen gehörte ebenfalls dazu und so legte die Jagdprüfung ab. Rasch lernte er, dass die Natur eigentlich den Menschen nicht braucht. Wenn eine «Mutter» ein geschwächtes Tier zurücklässt, ist dies meist ein Zeichen dafür, dass es nicht überlebensfähig ist. Hier ein Hinweis von Simon Quinche: Wenn jemand ein herumirrendes oder -liegendes Tier findet, ist es wichtig, dass man den Wildhüter informiert. Er entscheidet über das weitere Vorgehen. Die Telefonnummer findet man auf den Websites der jeweiligen Gemeinde.
Zuerst musste er jedoch eine Berufslehre absolvieren. Er entschied sich für Landschaftsgärtner und machte sich rasch nach der Lehre selbstständig. Als er «endlich» das Alter erreicht hatte, um sich als Wildhüter bewerben zu können, setzte er alles auf diese Karte, bewarb sich und konnte nach einiger Zeit seinen Traum verwirklichen. Im Kanton Bern sind folgende Voraussetzungen notwendig, um Wildhüter zu werden: abgeschlossene Berufsausbildung, Jagdfähigkeitsausweis, körperliche Leistungsfähigkeit, gute mündliche und schriftliche Ausdrucksweise (Deutsch, Französisch und weitere Fremdsprache), sicheres Auftreten und Verhandlungsgeschick, selbstständiges und verantwortungsbewusstes Arbeiten, Anwendungskenntnisse Informatik und die Bereitschaft zu unregelmässigen Arbeitszeiten. Früher wurden auch die militärische Ausbildung und ein Mindestalter vorausgesetzt, diese Hürden sind mittlerweile abgeschafft. Wer als Wildhüter gewählt wird, arbeitet in seinem Gebiet und absolviert daneben eine interne Ausbildung, zu welcher unter anderem Jagdrecht, Hundewesen, Wildschaden und Naturschutz gehören. Nach rund zwei Jahren folgt die Abschlussprüfung und man darf sich offiziell «Wildhüter des Kantons Bern» nennen. Dieses Ausbildungsprogramm des Kantons Bern ist in der Schweiz einzigartig. Als Weiterbildung kann anschliessend die Prüfung zum «Eidg. Dipl. Wildhüter» abgeschlossen werden. Wer keinen eigenen Hund besitzt, dem wird geraten, diesen erst nach der Ausbildung anzuschaffen. Die Erziehung des Hundes neben der eigenen Ausbildung ist zu fordernd und zeitintensiv. Simon Quinche ist jedenfalls froh, dieser Empfehlung gefolgt zu sein, hat aber zwischenzeitlich zwei Hunde. Er kann sich heute den Einsatz in seinem Gebiet ohne diese schlichtweg nicht mehr vorstellen, seine Hunde «Gin» und «Ayita» begleiten ihn tagtäglich und unterstützen ihn bei der Suche nach verletzten oder toten Tieren.

Biber halten auf Trab
Dauerthema beim Wildhüter sind die Biber. Dieses Thema ist mit vielen Emotionen verknüpft, da es viele Bereiche und Betroffene wie Grundeigentümer, Naturschützer, Tierfreunde, Gemeinden, Kanton, ÖV usw. betrifft. Waren es vor zehn Jahren einzelne Biber, sind heute die ganzen Flüsse und Bäche besiedelt – abgesehen der Emme, da diese zu grosse Pegelschwankungen hat. Wussten Sie, dass die Stadt Burgdorf voller Biberkolonien ist? Wenn man sich das Verhalten vom Biber genauer ansieht, stellt man Folgendes fest: Der Biber ist hartnäckiger als wir. Kunst- und Ersatzbauten müssen an einer geeigneten Stelle sein, sonst baut er einfach an der alten Stelle weiter. Junge Biber müssen im Alter von rund zwei Jahren ihren elterlichen Bau verlassen, um Platz für den neuen Nachwuchs zu machen. Auf ihrem Weg durch fremde Reviere werden die jungen Biber von den dortigen «Bewohnern» attackiert und teilweise schwer verletzt. Da mittlerweile fast jeder Bach- und Flussabschnitt belegt ist, wird der heimatlose Biber kreativ. Er sucht nach Alternativen und macht sich seine Umgebung passend, indem er jedes noch so ungeeignet erscheinende Gewässer für seine Bedürfnisse anpasst. Konflikte mit den Menschen sind da vorprogrammiert. Während einige Grundeigentümer dem Biber eher skeptisch gegenüberstehen, suchen andere zusammen mit dem Wildhüter und den Fachstellen nach Lösungen. Denn Lösungen braucht es: Der Biber und seine Bauten sind durch das Bundesgesetz geschützt! Simon Quinche kann von vielen erfolgreichen Nachbarschaftsbeziehungen «Biber / Land­eigentümer» berichten. Biberbauten sind faszinierende Konstruktionen, welche wiederum Platz für neue Pflanzen und Tiere bieten. Wenn der Mensch damit umgehen kann, ist es ein Gewinn für alle.   

Mehr Rücksicht auf die Natur
Aktuell hat der Wildhüter aber auch mit den vermehrten Freizeitaktivitäten aufgrund der Pandemie zu kämpfen. Es sind viel mehr Leute in der Natur unterwegs und die Ruhezeiten und -zonen der Wildtiere werden zu wenig respektiert. Zwischen morgens 4.00 bis nachts 2.00 Uhr sind Reiter, Biker, Jogger, Pilzsammler und Hündeler unterwegs. Geocaching (Schatzsuche per GPS-Koordinaten) hat viele neue Teilnehmer, welche auch nachts und oft mit Licht oder sogar Blinklicht unterwegs sind. Die komplette Tier- und Pflanzenwelt wird dabei extrem gestört. Ein Wildhüter muss ab und zu ein Tier erlegen. Dies passiert meistens nachts und ist auch bei der Polizei jeweils angemeldet. Da nun vermehrt Leute unterwegs sind und der Wildhüter sein Ziel mit Licht avisiert, dafür noch Applaus und Gejohle erhält, ist dies für ihn ziemlich frustrierend und das Tier leidet länger und stärker. Im Umgang mit Wildtieren ist zu beachten: Sie scheuen die Menschen. Seit der Homeoffice-Pflicht gibt es weniger Verkehrsunfälle mit Tieren. Durch die permanenten Störungen in der Natur gibt es jedoch mehr schwache und kranke Tiere. Durch den Stress sind sie anfälliger auf Krankheiten. Natürlich kann nicht jedes Tier gerettet werden, ab und zu muss man der Natur einfach ihren Lauf lassen. Die Wildhüter be­­obachten die Tiere, greifen ein, wo es notwendig ist, und erlösen wenn nötig Tiere von ihrem Leiden. Das gehört zu ihrem Beruf. Wenn Simon Quinche wegen jedem Jungvogel, welcher alleine im Garten sitzt, ausrücken muss, würde dieses zu weit führen ... denn seien wir mal ehrlich: Entweder beobachtet die «Mutter» den Vogel aus der Ferne, lässt ihn selbstständig werden und hält ihm trotz allem die Katzen vom Hals oder die Katze ist halt schneller. Dies ist der Kreislauf der Natur, den wir Menschen etwas vergessen haben.
Wie erreichen wir ein besseres Miteinander? Simon Quinche rät zur Rücksichtsnahme und Akzeptanz. Wir schätzen alle unsere Nachtruhe, wieso gewähren wir diese den Tieren nicht? Wieso muss ich nachts durch den Wald joggen/biken oder einen Schatz suchen gehen? Einige Gebiete sollten ganz gemieden werden (Brut/Aufzucht von Jungtieren). Auch wenn im Kanton Bern keine generelle Leinenpflicht gilt: Bitte Hunde im Wald wenn möglich an der Leine führen. Wenn wir unauffällig, leise, auf befestigten Wegen, also mit gesundem Menschenverstand und ein bisschen «Gspüri», die Natur nutzen, kommt niemand zu Schaden und das Miteinander funktioniert.

Alexandra Weber

 

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