Lieber Kinofieber als Coronapandemie
18.05.2021 Aktuell, Foto, Region, Burgdorf, Kultur, GesellschaftEtwas überraschend beschloss der Bundesrat Mitte April 2021, dass auch die Kinos in der Schweiz wiedereröffnet werden dürfen. «D’REGION» sprach mit Manuel Zach, welcher zusammen mit seinem Bruder Mathias Zach in Burgdorf die beiden Kinos Rex und Krone führt.
Kein Popcorn im Kino
«Wir sind froh, dass wir die Kinos wieder öffnen konnten», zeigt sich Manuel Zach erleichtert. «Ein halbes Jahr ist wirklich eine extrem lange Zeit.» Auch die Kinokunden seien froh, dass wieder Unterhaltung in den Lichtspielhäusern geboten wird. Hand in Hand mit der Wiedereröffnung kamen aber auch zahlreiche Einschränkungen: Eine Kinovorstellung darf nur von maximal 50 Personen besucht werden, ein Drittel der Kinosaalkapazität darf nicht überschritten werden und zusätzlich herrschen Maskenpflicht, Abstandsregeln und ein generelles Konsumationsverbot. Für die Burgdorfer Kinos mit ihren 256 (Kino Rex) und 222 Plätzen (Kino Krone) ist das deutlich spürbar. «Die Konsumation ist ein nicht wegzudenkender Bestandteil unserer Einnahmen», erklärt Manuel Zach. «Wir hoffen natürlich, dass diese Massnahmen möglichst rasch reduziert werden. Dank unserer Kapazität können wir aber eine gute Verteilung der Besucherinnen und Besucher garantieren.» Doch ohne die staatliche Hilfe geht es zurzeit kaum: «Auf Dauer können wir so keinen kostendeckenden Betrieb führen», ergänzt Zach.
Angewiesen auf Nachbarländer
Ausschlaggebend für einen Kinobesuch sind natürlich die Filme, welche gerade laufen. Auch hier tun sich die Kinobetreiber zurzeit schwer. «Das Filmgeschäft ist nicht regional, sondern weltweit bestimmt. Dies hat auf uns starke Auswirkungen, weil die Kinos in Deutschland, Frankreich und natürlich auch in den USA weiterhin nicht geöffnet sind. Filmverleihe wollen im gesamten deutschen Sprachraum gleichzeitig starten und stellen so bestimmte Filme zurück», sagt Manuel Zach. «Noch mehr schmerzt es, wenn Filme komplett aus dem Line-up verschwinden und direkt über Streamingplattformen erscheinen.» Dies ist etwa mit der Neuverfilmung des Disneyklassikers «Mulan» geschehen, der aufgrund der Pandemie im September 2020 in den meisten Ländern direkt über die Streamingplattform Disney+ veröffentlicht wurde. Sorgen um die Zukunft der Lichtspielhäuser macht sich Manuel Zach aber trotzdem keine: «Im Kino wirkt alles zusammen: die Grossleinwand, der Ton, die 3-D-Effekte. Die Leute warten auf die grossen Blockbuster und wollen im Kino wieder zusammen die Emotionen und Action geniessen.»
Die Streamingangebote sieht Manuel Zach nicht als grosse Konkurrenz. Ganze Filme auf dem Handy zu schauen, sei für Manuel Zach ein No-Go. «Da würde ich lieber ganz darauf verzichten», meint der Kinobetreiber. «Bei vielen ist durch den Lockdown das Sofa zu Hause sicherlich auch schon durchgesessen. Ich sehe Streamingangebote eher als etwas Ergänzendes. Viele Personen, die zu Hause Streamingdienste beziehen, haben eine Leidenschaft für Filme und gehen tendenziell auch ins Kino.»
Auch wenn vereinzelte Blockbuster wie «Mulan» oder «The Irishman» von Regisseurschwergewicht Martin Scorsese
den Sprung auf die Streamingplattformen gewagt haben, scheint für viele Grossproduktionen die Kinoleinwand doch am lukrativsten zu bleiben. So äusserte sich ein Sprecher der US-amerikanischen Filmverleihgesellschaft Metro-Goldwyn-Mayer (MGM), welche den heiss erwarteten «James Bond: No Time To Die» vertreibt, dass man nicht auf die Veröffentlichung in Kinos verzichten wolle, um «das Erlebnis für Kinobesucher zu erhalten». Das freut Manuel Zach besonders: «Ich hoffe auch sehr, dass wir im September zum James-Bond-Start wieder eine ‹Gala-Night› veranstalten können. Aber hoffentlich ohne Masken. Cüpli mit Röhrli wäre einfach nicht das Gleiche.» Auch sonst kann er viele Filme, die dieses Jahr an den Start gehen, kaum erwarten: «Wir haben tolle Schweizer Filme in der Pipeline, etwa das Drama ‹Wanda, mein Wunder› von Bettina Oberli, das am 3. Juni 2021 startet, oder ‹Bis wir tot sind oder frei› von Oliver Rihs über den legendären ‹Ausbrecherkönig› Walter Stürm, der im November 2021 in die Kinos kommt.»
Vielfältige Kultur im Kino
Das Kino ist dabei nicht nur ein Ort für reguläre Filmvorstellungen. Während letztes Jahr kaum neue Filme auf die Grossleinwände kamen, veranstaltete der Filmverein «Kultmoviegang» in der Bundesstadt Bern regelmässige Aufführungen diverser High- und Lowlights der Filmgeschichte. Doch auch in der Region kommen Filmfreunde auf ihre Kosten: In Burgdorf wartet der Verein «Filmfrass» auf, welcher cineastisches und kulinarisches Vergnügen verbindet. Neben Manuel Zach sitzt beispielsweise auch Stadtpräsident Stefan Berger im Vorstand des Vereins. Zuletzt wurde am 1. Mai 2021 im Kino Krone in Burgdorf die Zombiekomödie «Shaun of the Dead» mit einem Pastaplausch aufgeführt. Doch auch sonst findet sich im und ums Kino ein breites Angebot. Bei Premieren sind manchmal Regisseure und Schauspieler selbst vor Ort und beantworten gerne Fragen aus dem Publikum. Ein Angebot für Kinder bietet der Filmclub Zauberlaterne, welches am Samstag, 8. Mai 2021, in Burgdorf wieder angelaufen ist, und im Sommer ziehen Open-Air-Vorstellungen die Filmfreunde ins Freie. Zusätzlich können Kinosäle auch für Privatveranstaltungen gemietet werden.
In den vergangenen Jahren hat sich in der Schweiz ein Trend abgezeichnet: weniger Kinos und doch mehr Säle. So hat das Kinounternehmen blue Cinemas (ehemals KITAG) in Bern mehrere Kinos geschlossen und in Muri als «Cinedome» verdichtet. Ein Trend, den Manuel Zach für Burgdorf aber nicht befürchtet: «Wir unternehmen keine Schritte für einen Kinokomplex in dieser Region. Uns liegen beide Kinos in Burgdorf am Herzen und wir glauben weiterhin an diesen Standort.»
David Kocher
www.cinergie.ch