Die Klötzli Messerschmiede feiert ihren 175. Geburtstag

  08.06.2021 Aktuell, Foto, Wirtschaft, Burgdorf, Gesellschaft

Der Ursprung der 175-jährigen Firmen- und Familiengeschichte liegt an der Mühlegasse 6. Dort bot sich vor annähernd 200 Jahren dem 15-jährigen Johann-Ulrich Klötzli die Möglichkeit, aus seiner Armut auszubrechen. Er konnte dank der Unterstützung eines Pfarrers eine vierjährige Lehre machen. Nach erfolgreichem Abschluss erweiterte er sein Fachwissen als ausgebildeter Messerschmied während fünf Jahren Wanderschaft. Aus Paris brachte er unter anderem das Fachwissen für die Herstellung von Käsebohrern mit. Die Messerschmiede stellt diese bis heute her. Als sein damaliger Lehrmeister Buri starb, konnte er 1846 das Haus inklusive Messerschmiede übernehmen. Viele Jahrzehnte diente es der Familie und den Angestellten als Wohn- und Geschäftshaus.

Um ein Geschäft erfolgreich zu führen, braucht es Innovation und unternehmerische Fähigkeiten
Jede nachfolgende Generation brachte neue Ideen in die Messerschmiede. In der zweiten Generation erweiterte Friedrich Ernst die Produktepalette mit der Herstellung von Werkzeugen für die Viehpflege und Forstwirtschaft. Für den Medizinalbereich stellte er Bruchbänder her und die Hotellerie belieferte er mit Besteck und Küchenmessern. Sein Sohn Ernst Alfred wurde für das erste rostfreie Tafelmesser ausgezeichnet. Als Messerschmied der vierten Generation lancierte Ernst Ulrich die Produktion von Kerbmessern und stellte den Betrieb schrittweise auf Elektroantrieb um. Zuvor wurden die Maschinen vom Mühlebach angetrieben. 1945 kaufte er das Haus an der Hohengasse 3 und verlegte den Laden in die aufstrebende Oberstadt.
H.P. Klötzli übernahm den elterlichen Betrieb 1972 und 1973 die Messerschmiede Balmer in Bern. 1983 zügelte er die Werkstatt, da am alten Ort – im heutigen Museum – Platzmangel herrschte. Mit der Produktion von handgefertigten High-End-Klappmessern verschaffte er sich weltweit einen bedeutenden Namen. Mit seinem Geschäftssinn hat er einen kleinen Handwerksbetrieb mit zwei Mitarbeitern zu einer florierenden Firma mit zwanzig Angestellten ausgebaut.
Bei der Renovation des Hauses Mühlegasse 6 fanden sich auf dem Estrich Gegenstände aus alten Zeiten. Klötzlis erkannten deren historischen Wert und machten sich Gedanken, wie sie diese Trouvaillen mit andern teilen könnten. Die Idee fürs Museum war geboren.
Am Originalschauplatz zeigen sie die Geschichte der Klötzli Messerschmiede. Das Museum bringt den Gästen auf anschauliche Weise die Arbeit der Handwerker und deren Reisen näher. Auf ihrer Wanderschaft erweiterten und vertieften sie ihr Fachwissen. Leider fehlen Notizen über die Tätigkeiten ihrer Ehefrauen fast gänzlich. Klötzlis fanden trotz aufwendigen Recherchen lediglich Erwähnungen über die Mithilfe der Gattinnen, doch in welchen Bereichen bleibt meist unklar.
Grossen Eindruck hinterlässt der Arbeitsraum, in dem bis 1983 gearbeitet wurde. Alte Werkzeuge, von der Messerschmiede meist selbst produziert, dienten zur Herstellung von Messern jeder Art. Sie und die Original-Esse sind in der alten Werkstatt am ursprünglichen Platz erhalten. Kataloge aus den 20er-Jahren zeigen, wie sich die Produktepalette in den vergangenen Jahrhunderten verändert hat. Komplett handgeschmiedete Werkzeuge wurden teilweise durch Halbfabrikate ergänzt oder ersetzt. Reparaturen oder Schleifarbeiten gehörten zur Tagesordnung.
Filigrane Stickscheren, Tabakmesser und -scheren, Zuckerstockzangen, Dochtscheren, Federkielmesser, Klappmesser oder Schneiderscheren, alles Erdenkliche und Unvorstellbare findet sich in verschiedenen Schaukästen sortiert. Das Museum öffnet jeden Samstag von 10.00 bis 15.00 Uhr seine Türen.

Nina und Samuel Klötzli übernahmen die Messerschmiede in 6. Generation
Die beiden Geschwister haben die Klötzli Messerschmiede vor einem Jahr von ihren Eltern übernommen. Nina kümmert sich um die Werkstatt, die Produktion und die Mitarbeitenden, Samuel ums Marketing und den Verkauf. Die beiden schätzen das gut eingespielte Klötzli-Team. Ihre Kundschaft sei vielseitig, meinte Samuel. Vertretende jeder Generation lassen sich beraten und kaufen bei ihnen ein. Viele bringen Scheren und Messer zum Schleifen oder Reparieren. Pfadfinder interessieren sich für Klapp- oder Taschenmesser, Mittelalterfans zeigen ihre Faszination, wenn sie ein antikes Schwert in Händen halten und das Grosi kauft ihren Enkelkindern Scheren, die deren Kindheit überleben.
Die neuen Geschäftsführenden beob­achteten, dass Wegwerfen weniger im Trend sei als Reparieren. Nachhaltigkeit werde nicht nur propagiert, sondern auch gelebt. Ihre Kundschaft ziehe darum hochwertige Produkte schnelllebiger Billigware vor. «Vielleicht haben die Leute gemerkt, dass ein hochwertiges Produkt langlebiger ist und bei Bedarf repariert werden kann. Teure Updates sind nicht nötig», meinte Klötzli schmunzelnd.

Helen Käser


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