Der grösste Stromausfall seit über 20 Jahren
24.08.2021 Aktuell, Foto, Region, Burgdorf, GesellschaftAm vergangenen Montagmittag bot sich in Burgdorf ein seltsames Bild. Zwar war es schon Zeit für die Mittagspause, doch standen etwa im Industriegebiet Buchmatt bei vielen Unternehmen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter leicht verwirrt vor den Gebäuden, statt in die verdiente Pause zu gehen. Anstelle von geschäftigem Treiben herrschte eine ungewohnte Stille. Kein Licht brannte in den Firmen, Computer und Maschinen standen still. Dasselbe Bild bot sich überall in der Stadt, etwa auch vor Supermarktfilialen – dunkle Innenräume, Leute stehen herum, niemand weiss genau, was los ist. Nur etwas war klar – ab circa 12.05 Uhr floss kein Strom mehr. Da half nichts, auch das Mobilfunknetz war teilweise komplett ausgefallen oder schlicht überlastet. Doch eine Firma arbeitete unter Hochdruck – die Localnet AG war mitten in der Aufklärungsarbeit und setzte alles daran, den Strom so schnell wie möglich wieder ans Netz zu bringen.
Ein Unglück im Ausnahmefall
Selbst Localnet-CEO Urs Gnehm wurde vom «Blackout» mitten in der Mittagspause erwischt. «Als wir im Restaurant angekommen sind, haben wir bemerkt, dass alles dunkel war. Da war für uns klar, dass wir direkt zurück an die Arbeit müssen», erzählt Gnehm im Telefongespräch. Schnell konnte festgestellt werden, wo das Problem liegt – ein technischer Defekt in der Hochspannungsanlage der BKW in der Unterstation an der Heimiswilstrasse. Durch diese Störung einer wichtigen Netz-Ausspeisung war nicht nur die Localnet AG, sondern auch die Gemeinden Heimiswil, Oberburg und Hasle bei Burgdorf vom Stromausfall betroffen. Schwieriger wird die Frage zum «Warum?», wie Gnehm vergangene Woche erklärte: «Wir haben zwar Vermutungen, aber was genau zum Unterbruch geführt hat, können wir noch nicht mit Klarheit sagen. Die Untersuchung wird noch einige Tage in Anspruch nehmen.»
Dass es überhaupt zu einem Totalausfall des Burgdorfer Stromnetzes kam, ist in einer äusserst unglücklichen Kombination eines Ausnahmefalls und einer gehörigen Portion Pechs zu finden. Normalerweise wird das Stromnetz der Stadt Burgdorf von zwei Unterstationen (Heimiswil und Buchmatt) gespiesen. Wird eine Unterstation durch ein Problem lahmgelegt, fällt schlimmstenfalls nur ein Teil des Stromnetzes der Stadt aus. In einem solchen Fall kann das ganze Burgdorfer Stromnetz auf die noch funktionierende zweite Unterstation umgeschaltet werden.
Am Montag war aber kein «normaler» Tag. Durch ein grösseres Umbauprojekt an der Unterstation Buchmatt wurde die gesamte Stromzufuhr von Burgdorf über die Unterstation Heimiswil geleitet. «So eine Situation betrifft in 20 Jahren vielleicht ein bis zwei Monate», führt Gnehm aus. So muss man wirklich von Pech reden, dass genau in einer solch aussergewöhnlichen Situation ein Problem in eben jener Unterstation auftauchte. Die Localnet AG sei mit Notfallszenarien für solche Zwischenfälle gewappnet, wie Gnehm erklärt, doch bevor man das Stromnetz wieder hochfahren konnte, musste zuerst die Störung lokalisiert werden. Die Situation verkomplizierte sich weiter, da in der Unterstation ein Kurzschluss zu Rauchentwicklung führte. Die Feuerwehr musste das Gebäude zuerst sichern und den Rauch beseitigen. Erst danach konnten Verantwortliche der BKW und der Localnet AG das Gebäude betreten und das Ausmass des Schadens abschätzen. Der Defekt war jedoch zu gross für eine erneute lokale Einschaltung. So wurde entschieden, das gesamte Netz so rasch wie möglich auf die vorhandene Noteinspeisung in der Unterstation Buchmatt umzuschalten. «Im Normalzustand, d. h. bei einem Ausfall einer der beiden Einspeisungen, wäre ein Stromausfall in 30 bis 60 Minuten behoben. Weil aber durch den Spezialfall nicht nur das halbe, sondern das ganze Netz umgeschaltet werden musste, kam es zu einer unüblichen Dauer von bis zu zwei Stunden», so Gnehm. «Die ersten Kunden konnten wir nach rund einer Stunde wieder mit Strom beliefern, ab 14.00 Uhr waren etwa 95 Prozent wieder versorgt.» Einzig am Spyriweg in Burgdorf brauchte man etwas mehr Geduld. Durch einen (als Folge der Störung verursachten) Kabelschaden verzögerte sich das Hochfahren in diesem Gebiet um eine weitere Stunde.
Sturm Lothar sorgte für Totalausfall
Den letzten grösseren Unterbruch im Burgdorfer Stromnetz verzeichnete die Localnet AG im Jahr 2017, doch auch da war, dank der doppelten Einspeisung, nicht einmal die halbe Stadt Burgdorf betroffen. Einen Totalausfall erlebten wir in Burgdorf zuletzt 1999 durch den Sturm Lothar. Dieser unterbrach beide Stromeinspeisungen und die Burgdorfer Bevölkerung musste zur Folge circa einen Tag auf den Strom warten.
Die Localnet AG und besonders wichtige Institutionen wie etwa das Spital Emmental sind für solche Situationen mit Notstromgeneratoren ausgestattet.
Da auch die Mobilfunkantennen über Notstrom mit verringerter Leistung senden, kann das Netz schnell überlastet werden, wie auch am vergangenen Montag deutlich wurde. Auch für solche Fälle ist die Localnet AG – mit Funkgeräten – gewappnet.
«Ich weiss, dass diese Stunden für viele Kunden sehr einschränkend waren», entschuldigt sich der Localnet-CEO. «Ich habe von Leuten erfahren, die von der Feuerwehr aus Liften befreit und teilweise hospitalisiert werden mussten. Es tut uns sehr leid und wir möchten uns aufs Herzlichste bei allen Betroffenen entschuldigen. Ich möchte mich auch bei unseren Mitarbeitenden bedanken, welche sich mit wahnsinnigem Effort für eine schnellstmögliche Wiederaufnahme des Stromnetzes eingesetzt haben.»
David Kocher