Wie Bücher ein neues Leben erhalten

  03.08.2021 Aktuell, Foto, Kultur, Burgdorf

Die Burgdorferin Steffi von Aesch ist ganz in ihre Arbeit vertieft. Sorgfältig misst sie auf den einzelnen Buchseiten den genauen Abstand von einem Zentimeter und zweimal fünf Milimetern ein. Danach verlängert sie die Linien des bereitgelegten Musters und schneidet anschliessend mit einer Schere den Markierungen entlang. Zuletzt faltet die 41-Jährige die eingeschnittenen Seiten methodisch zurück ins Buch. Mit dieser Methode und genug Zeit und Geduld zeigt Steffi von Aesch, dass Bücher nicht nur in unserer Vorstellung tolle Bilder entstehen lassen können, sondern die Bücher selbst zur Grundlage für kreative und einzigartige Kunstwerke werden.

Entstehung einer Kunstform
Die Ursprünge solcher kunstvollen Arbeiten finden sich im japanischen Origami und Kirigami. Origami ist die jahrhundertealte Kunst des Papierfaltens, während Kirigami ein eher neuerer Begriff aus den 1960er-­Jahren ist, der zusätzlich das Schneiden des Papiers  beinhaltet. Ende der 1990er-Jahre begannen die Deutschen Anja Schachtner und Dominik Meissner mit Techniken des Buchschneidens und -faltens zu experimentieren und schufen 2009 die Begriffe «Orimoto®» und «Kirimoto®», welche sich aus den japanischen Begriffen «Ori» für falten, «Kiri» für schneiden und «Moto» für Buch zusammensetzen.

Ein neues Leben für Bücher
Steffi von Aesch stiess eher zufällig auf diese Art der Buchverzierung, wie sie im Gespräch mit der «D’REGION» erzählt. «Ich suche immer nach neuen kreativen Ideen, wie ich neue Verzierungen für mein Adventsfenster gestalten kann. Dabei bin ich im letzten Winter auf ein schönes Bild eines solchen speziell verzierten Buches gestossen.» Auf Nachfrage erhielt die zweifache Mutter das weihnachtliche Muster und machte sich selbst ans Werk. Mittlerweile arbeitet Steffi von Aesch in ihrer Freizeit an ihrem fünften Buch und ist nicht mehr auf vorgefertigte Vorlagen angewiesen. Mit Hilfe ihres Mannes Marc werden die Motive auf die Seitenzahlen angepasst und von Steffi von Aesch in stundenlanger Arbeit in das Buch geschnitten und gefaltet. «Für ein Buch benötige ich rund zehn Stunden», erklärt von Aesch. «Es macht mir Spass und ich finde die Arbeit sehr beruhigend, doch muss man aufpassen, dass man sich dabei nicht verschneidet.» Die kreative Arbeit ist aber nicht für jedermann. «Für mich wäre das ganz sicher nichts», lacht Ehemann Marc. «Ich lese die Bücher lieber.»
Steffi von Aesch freut sich besonders, dass sie den Büchern damit ein neues Leben geben kann. «Nach ein- oder zweimal Lesen liegen die Bücher nur noch herum», so Steffi von Aesch. «Mit diesem Hobby kann man etwas Schönes daraus machen und anderen eine Freude bereiten.» Die meisten ihrer Kunstwerke hat die Familienmutter an Freunde und Verwandte verschenkt.

Wichtige Tipps für einen guten Start
Steffi von Aesch hat auch einige Ratschläge, um jenen, die selbst Interesse an dieser Schneidetechnik haben, den Einstieg möglichst einfach zu gestalten. «Für das erste Projekt sollte man am besten eine fertige Vorlage verwenden», weiss die Burgdorferin. «Exaktes Arbeiten ist ebenfalls äusserst wichtig, da man sonst das Motiv nicht gut erkennt und die Arbeit frustriert.» Auch der Umfang des Buches ist ein entscheidender Faktor, so sollte das gewünschte Buch um die 350 Seiten haben. Steffi von Aesch weiss auch, wie man dem fertig bearbeiteten Buch noch den letzten Feinschliff verleiht: «Das fertige Buch sollte man noch eine Woche beschweren, etwa mit einigen schweren Büchern. So werden die eingelegten Elemente zusätzlich geglättet, damit nichts absteht.» Für Steffi von Aesch beginnt nun bald die Suche nach dem perfekten Weihnachtsmotiv und die Vorbereitung für einen tollen und einzigartien Adventsfensterschmuck.

David Kocher


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