Malen wie die alten Griechen
23.09.2021 Aktuell, Foto, Region, KulturWenn Elisabeth Gehrig malt, dann ist sie meistens gar nicht so sicher, wie genau das Bild am Ende aussehen wird. In der rechten Hand hält sie ein spezielles Maleisen, das wie ein Bügeleisen in Kindergrösse aussieht. Mit der linken Hand wählt sie zuerst einen der farbigen Wachsklumpen, schmilzt einen Teil davon auf der heissen Unterseite des Eisens und fährt anschliessend über das Blatt. Dort verschwimmen die Farben des gefärbten Bienenwachses miteinander, bestehende Wachsflächen werden verzogen und bilden, je nachdem wie das Maleisen eingesetzt wird, verschiedene Muster und Flächen. Den Kunstwerken sind dabei fast keine Grenzen gesetzt – Naturlandschaften, Grossstadtansichten, abstrakte Formen, alles ist möglich. Diese besondere Art des Malens nennt sich «Enkaustik» und gehört zu den ältesten Kunst- und Maltechniken der Welt.
Von Griechenland nach Sumiswald
Die Technik vom Malen mit geschmolzenem Wachs war bereits in der griechischen und römischen Antike bekannt. So stammt auch das namensgebende Wort «Enkaustik» aus dem Altgriechischen und bedeutet so viel wie «einbrennen». Die ältesten erhaltenen Bilder mit dieser Technik sind die sogenannten «Fayumporträts», bei welchen die Porträts von gestorbenen Personen mit gefärbten Wachs auf Holztafeln gemalt wurden. Die auch als «Mumienporträts» genannten Bilder werden auf das erste bis dritte Jahrhundert nach Christus datiert. Heute ist die Technik eher in Vergessenheit geraten. Per Zufall ist die Sumiswalderin Elisabeth Gehrig auf die alte Technik gestossen. Vor vier Jahren fand sie nach einer schweren Krankheit in einem Reha-Atelier ein Kästchen mit einem Maleisen und Wachsfarben. Diese spezielle Art des Malens hat ihr sofort zugesagt und so hat sie auch zu Hause angefangen, mit Bienenwachs und Maleisen Bilder zu gestalten. Mittlerweile malt die 58-Jährige Bilder in allen Grössen und Farben und verkauft Karten und Bilder mit Wachsmotiven. Elisabeth Gehrig stellt auch Bilder auf Bestellung her. Zu detallierte Vorgaben sollte man bei der Wachsmalerei aber nicht haben: «Man kann mir gerne ein Motiv, etwa ein Landschaftsbild, und einen Farbton als Wunsch angeben», so Gehrig.
Achtung, heiss!
Bei der enkaustischen Malerei sollte man nie vergessen, dass man mit einem Bügeleisen und heissem Wachs arbeitet, und deshalb sollte man immer beachten, in welche Richtung man arbeitet. Elisabeth Gehrig erklärt, wie man am besten vorgeht: «Man sollte von oben nach unten malen. Sonst schmilzt einem das weg, was man vorher gemalt hat. Wenn mir ein Bild mal nicht gefällt, schmelze ich es einfach wieder weg. Manchmal kommt dabei auch etwas heraus, das mir gefällt und woran ich weiterarbeite.» Auch über Verbrennungen muss man sich bei dieser Freizeitbeschäftigung nicht wundern, wie Elisabeth Gehrig weiss.
Bei der Arbeit mit heissem Wachs kann nicht immer alles geplant werden. «Ich habe vor dem Beginn eine Idee im Kopf, aber oft kommt es anders, als gedacht und dann bin ich meist selbst überrascht», erzählt die Spitex-Mitarbeiterin. Für die abwechslungsreichen Bilder sorgen unter anderem veschiedene Techniken mit dem Maleisen, wie etwa eine Saugtechnik oder das Benutzen der Kanten und Spitzen des Eisens für feine Details wie Bäume oder Zäune. «Es ist faszinierend, was es alles gibt. Ich lerne auch immer wieder etwas Neues dazu», sagt Elisabeth Gehrig.
Ihre Werke konnte die Sumiswalderin auch schon an Ausstellungen, wie etwa im Zentrum Schlossmatt in Burgdorf oder im Café Zyt in Sumiswald, präsentieren. Für die Zukunft hat Elisabeth Gehrig bereits schon spannende Pläne: «Irgendwann würde ich gerne selber Wachsfarben herstellen.» Einen Tipp hat die erfahrene «Enkaustik»-Künstlerin aber noch: «Das fertige Bild mit einem Nylonstrumpf polieren, dann glänzt das Wachs und die Farben strahlen richtig!»
David Kocher
Interessierte können Elisabeth Gehrig gerne unter Tel. 034 437 05 85 kontaktieren.