Politik und Schulleitungen in engagiertem Dialog

  10.11.2021 Aktuell, Politik, Foto, Region, Burgdorf, Gesellschaft, Bildung / Schule

Wie in den vergangenen Jahren gehen die Einladungen an Mitglieder von Nationalrat, Grossrat, Gemeinderäten, Schul- und Bildungskommissionen sowie interessierte Kreise. Christoph Joss, Schulinspektor Kreis 11, übernimmt mit Tania Espinoza, Schul­inspektorin Kreis 8, und Christoph Schenk, Schulinspektor Kreis 9, die Moderation einer Diskussionsgruppe. Nach einer halben Stunde wechseln die Anwesenden je nach Interesse innerhalb der insgesamt vier Runden.

Neue Wege gehen
Mit von der Partie sind auch fünf Fachfrauen aus Berlin, die als Vertreter­innen des Projektes «Schule INKLUSIVE demokratische Veränderungen – Selbstbestimmung, Haltung und Verantwortung im gesellschaftlichen Kontext fördern» an diesem durch das Programm Erasmus+ der Europäischen Union kofinanzierten, länderübergreifenden Projekt teilnehmen. Beteiligt sind Deutschland, Österreich, Slowenien und die Schweiz. Als assoziierte Partner wirken mit die Erziehungs­direktion Bern, das regionale Schulins­pektorat Emmental-Oberaargau und die Stadt Burgdorf. Weiter die Volksschule Burgdorf sowie die Oberstufen Pestalozzi und Gsteighof sowie die Schule Hasle b. B.
Die strategische Partnerschaft sowie der direkte Austausch von bereits gesammelten Erfahrungen und zukunftsgerichteten Strategien sollen sich für alle Beteiligten inspirierend auswirken, wodurch Kooperation, Austausch und Mobilität in der Aus- und Weiterbildung sowie in der Jugend­arbeit in diesen Ländern, in Europa und weltweit gefördert werden.

Fundiert informieren
Joss nennt als Veranstaltungsziel dieser «Kaminfeuergespräche» die Möglichkeit, dass «Schulleiter/innen als Fachpersonen für Bildungsfragen die geladenen Gäste aus Politik und Gemeindeverwaltungen über aktuelle Schulfragen und allfälligen Handlungsbedarf informieren und diese Fragen gleich diskutieren können». Dass Bedarf besteht, zeigen die engagierten Gespräche in den periodisch wechselnden Gruppen. Als Bereicherung wird empfunden, dass die Lehrpersonen aus Berlin immer wieder Anregungen geben oder aus eigenen Erfahrungen in ihren Schulkreisen in Berlin berichten.
Eine der wichtigsten Fragen im Schulalltag lautet: Wie viel Schulraum ist genug? Unbestrittenermassen hat die Schule den Auftrag, diesen Arbeitsort so zu gestalten, dass Schülerschaft und Lehrpersonen in angenehmer Lernumgebung ihre Lehr- beziehungsweise Lernzeit verbringen und ihre Kompetenzen erweitern können. Genauso unbestritten ist, dass genügend Klassen-, Gruppen- und Spezialräume mit angemessener Infrastruktur nötig sind. Im Gegensatz zu früher wird Wert auf einen grossen, abwechslungsreichen und animierenden Pausenplatz gelegt. Den Ansprüchen der Lehrpersonen muss mit gut eingerichteten Arbeitsplätzen Rechnung getragen werden. Vor allem Letzteres ist für die Rekrutierung von gut ausgebildetem Lehrpersonal von grosser Bedeutung, wie immer wieder betont wird. Dazu die Forderung, dass «von der Politik verlässliche Vorgaben erwartet werden, damit die Ansprüche einer guten, zeitgemässen Schule erfüllt werden können».

Lehrpersonen gesucht
In einer weiteren Gruppe wird diskutiert, «wie die Schule genügend ausgebildeten und motivierten Nachwuchs findet». Ausnahmslos sind sich die rund zehn Personen dieses Zirkels einig, dass ein gravierender Mangel an gut ausgebildetem Lehrpersonal besteht. Auch der Versuch, mit Quereinsteigern oder Studierenden die teils beträchtlichen Lücken im Lehrkörper zu schliessen, kann über die fehlenden Fachkräfte nicht hinwegtäuschen. Dazu kommen regionale Unterschiede: «Ein ausgebildeter Lehrer verdient im Kanton Solothurn rund 1000 Franken pro Monat mehr als ein Berner Lehrer. Wie soll eine Lehrerstelle beispielsweise in Bätterkinden, Utzenstorf, Wiler oder Zielebach besetzt werden, wenn wenige Kilometer weiter stolze 1000 Franken mehr Monatslohn winken?»
In den verschiedenen Diskussionsrunden zeigt sich, dass für die Stellensuche die Wünsche des Lehrernachwuchses genau analysiert und berücksichtigt werden sollten. Weiter gelte es zu hinterfragen, ob die Anforderungen an Studenten/-innen der Pädagogischen Hochschule (PH) noch zeitgemäss sind. Welche Möglichkeiten bestehen, via Berufsmatur in ein solches Studium einzusteigen? Was muss eine Schulleitung unternehmen, um erfolgreich junge, motivierte künftige Lehrpersonen zu rekrutieren? Nicht selten werden ihnen schon während des Studiums Praktikantenstellen offeriert in der Hoffnung, diese an die Schule zu binden.
Ein nicht zu unterschätzendes Thema betrifft das Arbeitsfeld: Was bietet die Schule? Wenn alle oder mindestens möglichst viele Faktoren rund um den Unterricht und den Arbeitsplatz stimmen, ist Mund-zu-Mund-Propaganda äusserst hilfreich. Gesucht sind Vorschläge, wie eine Schule diese Berufseinsteiger fördern kann und nicht überfordert.

Digitalisierung in Schulen
Die Coronapandemie hat im Bildungswesen neben vielen Nachteilen und Einschränkungen etwas Wichtiges ausgelöst: Die Digitalisierung an den Schulen ist mit grossen Schritten vorwärtsgekommen. «Sie geht rasch voran und fordert die Gemeinden stark. Müsste der Kanton mehr tun, um mehr Gleichheit innerhalb des Kantons zu erreichen?», lautet eine viel diskutierte Frage. «Und mehr innerhalb einer Schule und für Kinder aus unterschiedlichem sozialem Umfeld?»
Mit dem Lehrplan 21 ist der Bereich Medien und Informatik fest in den Lernzielen verankert, weshalb die Gemeinden in die ICT-Infrastruktur investieren müssen. Durch Homeschooling (Fern­unterricht während des Lockdowns) haben die Kinder und Jugendlichen zu Hause möglichst per Computer lernen müssen, was für viele mühsam und unbefriedigend gewesen ist. Bisweilen haben Platz und Computer gefehlt. In den Gemeinden haben sich die Verantwortlichen spätestens ab diesem Zeitpunkt Gedanken zu ICT-Konzepten und deren Umsetzung gemacht.
Es ist bekannt, dass dies mit hohem Zeit- und finanziellem Aufwand verbunden ist und zur Folge hat, dass – je nach Gemeindefinanzen – die Unterschiede im Bereich der Schulausrüstungen weiter zunehmen.
Hier steht die Forderung im Raum, der Kanton soll klare Empfehlungen und präzise Vorgaben machen und sich finanziell und organisatorisch – beispielsweise mit Rahmenverträgen mit Anbietern – am Aufbau einer zeitgemässen ICT-Infrastruktur in den Schulen beteiligen. Nur derart kann sichergestellt werden, dass Schülerinnen und Schüler im ganzen Kanton ähnliche oder gleiche ICT-Lernchancen vorfinden.

Tagesschule/Ganztagesschule
In einem weiteren Punkt sind sich alle einig: Tagesschulen tragen zur Unterstützung von Eltern bei, um Familie, Beruf und Schule zu vereinbaren. Daneben sind sie ein wichtiger Standortfaktor für Gemeinden und für sehr viele von diesen selbstverständlich. Einige Gemeinden haben Ganztagesschulen eingeführt. Diese sind Teil der Volksschule, der Unterricht ist entsprechend kostenlos. Hingegen sind die Betreuung und Verpflegung wie in einer Tagesschule kostenpflichtig. Der Unterschied zwischen den Schulformen besteht in den fix gebundenen Zeiten (beispielsweise an drei Tagen pro Woche von 8.00 bis 16.00 Uhr); in dieser Zeit sind alle Kinder anwesend.
Es gibt noch einen Vorteil: Zusätzlich zu den gebundenen Zeiten kann in einer Ganztagesschule modulare Betreuung angeboten werden, da gemäss Volksschulgesetzgebung grundsätzlich die «Freiwilligkeit der Nutzung» gilt. Eltern können nicht verpflichtet werden, ihr Kind in eine Ganztagesschule zu schicken. Es wird in den Diskussionen auf diese Vorteile hingewiesen: konstante Kindergruppe, rhythmisierter Tagesablauf mit konstantem Unterrichts- und Betreuungsteam unter einer Leitung usw.
Während gut eineinhalb Stunden findet ein engagierter Informationsaustausch statt, der beim anschliessenden Apéro fortgesetzt wird.

Gerti Binz


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