Gemeinsam gegen Gewalt an Frauen

  02.12.2021 Aktuell, Foto, Burgdorf, Gesellschaft

Leuchtendes Orange ist bei all den Aktionen von «We stand up for women» die dominierende und mahnende Farbe, in der bis am 10. Dezember 2021 (Tag der Menschenrechte) auch die Stadtkirche orange beleuchtet wird. «Am 20. November 2021 haben wir Soroptimistinnen 25 Paar Frauenschuhe vor der Apotheke Ryser platziert und Passanten derart auf die bis zu diesem Zeitpunkt in der Schweiz gezählten Frauenmorde (Femizide) hingewiesen», blickt Dr. med. Nevenka Wyss, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie FMH, als Leiterin der Aktionen «Orange Days» zurück.

Es gibt noch viel zu tun
Vergangenen Donnerstag sehen nach einem kleinen Apéro über 70 Personen im Rahmen einer Benefizveranstaltung im Kino Krone das Filmdrama «Mustang» der türkischen Regisseurin Gamze Ergüven über fünf Schwestern in einem Dorf in Anatolien und deren Leidensweg in einer frauenfeindlichen, männlich dominierten Gesellschaftsstruktur. Immer seltener gelingt es den Mädchen, mit fantasievollen Tricks ihre Lebensfreude und kleinen Freiheiten gegen die allgegenwärtigen Einschränkungen einer repressiven, patriarchal geprägten Gesellschaft zu verteidigen.
Nevenka Wyss erinnert bei der Begrüssung des Publikums daran, dass Femizide (geschlechtsspezifisch bedingte Morde an Mädchen und Frauen) nicht nur in fernen Kulturen auf anderen Kontinenten als «Ehrenmorde» stattfinden, sondern auch in der Schweiz und nicht nur unter Ausländern, sondern auch verübt durch Einheimische, die oftmals Frauen als ihr Eigentum betrachten.
Sie übergibt das Mikrofon an Gina Bylang von der kantonal anerkannten Opferhilfestelle Lantana in Bern, die sich auf verschiedenen Ebenen gegen Gewalt an Frauen und Kindern einsetzt. Gina Bylang informiert über die Aktivitäten und die während der Coronapandemie massiv gestiegenen Opferzahlen und fordert dringend: «Hin- und nicht wegschauen, wenn es um Gewalt in irgendeiner Form gegen Frauen und Mädchen geht. Immer gilt: Mein Körper gehört mir.»
Die Lantana-Beratungen erfolgen persönlich, per Telefon oder in jeder gewünschten Form, sind kostenlos, auf Wunsch anonym. Lantana bietet vielfältige Hilfe und informiert darüber. Zum Schluss erhält Gina Bylang von Nevenka Wyss einen symbolischen Scheck in noch unbekannter Höhe zugunsten von Lantana: «Sobald unsere Aktionen abgerechnet sind, überweisen wir das Geld.»

Missstände im Alltag
Nevenka Wyss hat als Ärztin «viel zu oft mit Gewalt gegen Frauen zu tun. Es ist mir eine Herzensangelegenheit, auf Missstände in unserem Alltag hinzuweisen und vor allem auf Prävention zu dringen, die schon in der Schule beginnen muss», führt sie aus. Daher organisiert sie seit mehreren Jahren die «Orange-Aktivitäten» der Soroptimis­tinnen Burgdorf, hält interne Vorträge und klärt auf. Sie plädiert für vermehrte Öffentlichkeitsarbeit, um die Femizide ins Bewusstsein der Allgemeinheit zu bringen: «Es geht hier um Ehefrauen, Mütter, Töchter, Enkelinnen, Nachbarinnen, die erniedrigt, beleidigt, bedroht, verletzt und ermordet werden. Das geht uns alle etwas an.»
Althergebrachte Denktraditionen müssen hinterfragt und wenn nötig abgelegt werden, Machtverhältnisse im Alltag mit dem Verständnis «Mann gleich Dominanz und Frau gleich Verfügbarkeit» gelöscht werden. «Tagtäglich sehen wir, dass diese Ansichten auch in der Schweiz noch häufig gelebt werden», bedauert die Soroptimistin. «Wir müssen noch viel Überzeugungsarbeit leisten.»

Gerti Binz


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