In und von der Natur lernen – die Waldkinder Rüti bei Lyssach

  25.01.2022 Aktuell, Foto, Bildung / Schule, Gesellschaft, Region

Die Natur und den Wald mit allen Sinnen erleben. Was alle, die gerne spazieren und draussen in der Natur sind, bestens kennen und schätzen, bieten Erika Meier und Iris Keller mit ihrem Waldkindergarten nun als Alternative zu herkömmlichen Kindergärten an. Kinder, die bis zum 31. Juli 2022 vier Jahre alt sind, können beim bewilligten und nach Lehrplan 21 geführten Privatkindergarten angemeldet werden.

Vom Waldtag zum Waldkindergarten
Die beiden Pädagoginnen lernten sich aufgrund einer gemeinsamen Beschäftigung an der Schule in Aefligen kennen. Gemeinsam führten sie vier Jahre lang eine Klasse. Was Erika Meier und Iris Keller nebst dem Beruf zusätzlich verbindet, ist die gemeinsame Begeisterung für die Natur. Schon in Aefligen lancierten die beiden den Waldtag – einen Schultag, welcher draussen in der Natur verbracht wird. Dieser gelte in Aefligen mittlerweile als legendär. «Die durch die Waldtage gemachten Erfahrungen und Erlebnisse, welche wir als sehr positiv empfanden, verstärkten stets den Traum eines gänzlich in der Natur stattfindenden Lehrangebots», sagt Meier. Ein Lehrangebot, welches vom herkömmlichen Verständnis von Schule und Kindergarten abweicht und bei dem die Natur die zentrale Rolle einnimmt und mehr Raum für die Kinder ermöglicht. «Die wiederholten Waldtage führten zu einer Sammlung von Momenten, welche schliesslich dazu führten, dass wir genügend Mut gefasst haben, unser Waldkindergarten-Projekt zu starten», hält Keller fest. Vor etwas mehr als zwei Jahren, im September 2019, lancierten sie ihr Projekt. Ab dem 16. August 2022 wollen sie den Kindern in einem Waldstück in Rüti bei Lyssach die Natur wieder näherbringen, Respekt vor ihr vermitteln und von ihr lernen.

Viele Aspekte sprechen für die Natur
In einer Zeit, in der der digitale Einfluss immer grösser wird, gerät die Natur oftmals etwas in Vergessenheit. Die beiden Pädagoginnen sehen in der Natur extrem viele potenzielle Lernimpulse und wertvolle Erfahrungen, welche die zukünftigen Waldkinder von und in der Natur erhalten und machen können. «Die Regeln der Natur sind echt und natürlich gegeben. Sie werden nicht künstlich konstruiert», sagt Keller. In der Natur gemachte Erlebnisse und Erfahrungen ermöglichen den Kindern folglich, den Lernimpuls besser zu verstehen. Sie sehen den Sinn dahinter, weil es praktisch erlebt werden kann. Meier und Keller sehen neben der Möglichkeit zur Verbesserung der individuellen Entwicklung zahlreiche weitere positive Aspekte, die für den Waldkindergarten sprechen. «Die Kinder lernen bei uns, sich etwas zu erarbeiten. Wir kochen gemeinsam, machen Feuer, schälen Gemüse. Sie lernen die Sachen an etwas Sinnvollem», sagt Meier. Die beiden Erzieherinnen sind sich einig, dass weiter die Motorik und die sportliche Aktivität in der Natur stärker und ohne künstlichen Rahmen gefördert werden. «Gerade mathematische Aspekte sind für die Kinder in der Natur verständlicher vermittelbar. Beispielsweise mit Steinen lässt sich das Zählen einfacher und naturgegeben vermitteln», so Keller. Die Selbstständigkeit und die Kreativität der Kinder profitieren von der Natur. Der Umgang mit Werkzeugen wird in einem geschützten Rahmen beigebracht, natürliche Gegenstände werden kreativ zu Spielzeugen umfunktioniert. Weiter können die Kinder diverse natürliche Phänomene beobachten, daraufhin ihre eigenen Interessen entwickeln. Beispielsweise werden auch die Tages- und Jahreszeiten «tatsächlich erlebt», wie die beiden festhalten. Erika Meier und Iris Keller wollen mit der Natur Erlebnisse schaffen, die das Lernen und die Entwicklung der Kinder begünstigen.

Es gibt kein schlechtes Wetter
Im Wald haben Kinder genügend Raum, um sich zu entfalten und zu bewegen, sind sich Meier und Keller sicher. Das Projekt wurde von den beiden stets mit Fokus auf das Kind angegangen. Der Raum soll dem Kind angepasst werden und nicht umgekehrt. Doch was entgegnen die beiden bei allfälligen Bedenken betreffend Waldkindergarten? Sind doch Matsch und dreckige Kleidung wohl auf Dauer unausweichlich. Die beiden kennen und verstehen diese Bedenken. Letztlich müsse man sich, ob Elternteil oder Kind, auch ein bisschen an den Waldkindergarten gewöhnen. «Doch dies erfolgt jeweils ziemlich schnell», halten Meier und Keller fest. Und letztlich gelte das Credo: «Es gibt kein schlechtes Wetter – nur schlechte Kleidung», meinen die beiden schmunzelnd.


Für alle Fälle vorbereitet
Das Wetter wird für die Waldkinder dennoch eine zentrale Rolle spielen. Doch der Waldkindergarten ist darauf vorbereitet. «Die Kinder sollen auch eine gewisse Ausdauer lernen, die Frus­trationstoleranz soll erhöht werden. Die Natur soll in all ihren Facetten kennengelernt werden», meint das eingespielte Duo. Der Waldkindergarten ist folglich nicht auf ein Schönwetterprogramm ausgelegt. Bei allfälligen Gefahrensituationen wie beispielsweise einem Gewitter kann aber notfalls auf das alte Feuerwehrmagazin in Lyssach als Rückzugsort ausgewichen werden. Auch in Notfällen sei der Platz in Rüti bei Lyssach schnell erreichbar. «Wird es bei unserem Waldplatz zu unangenehm, bietet die Natur und Umgebung genügend Alternativen. Bei starkem Schneefall bieten sich zum Beispiel die Möglichkeit an, in der Nähe zu schlitteln oder auf den Feldern zu spielen», versichert Keller. Draussen zu sein stärke letztlich, so Meier, auch das Abwehr- und Immunsystem.
So freuen sich die beiden auf weitere Anmeldungen zukünftiger Waldkinder. Von Dienstag bis Donnerstag können ab August 2022 die Kinder jeweils von 9.00 bis 14.00 Uhr die Natur besser kennenlernen. Auch sogenannte Homeschooler sind herzlich willkommen. Der Frage, ob Eltern ihr Kind in den Waldkindergarten schicken wollen, begegnen die beiden aufgeschlossen und kommunikativ. «Wir sind für alle Fragen offen. Interessierte dürfen sich gerne bei uns melden. Ob ein gegenseitiges Kennenlernen beim Waldplatz selbst oder die Hilfe bei der Organisation von Betreuung nach der Unterrichtszeit, wir geben gerne Auskunft und helfen», meinen Erika Meier und Iris Keller abschliessend.

Joel Sollberger

Mehr Infos unter www.waldkinderrueti.com


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