Seit 50 Jahren die Augen auf den Füssen
01.03.2022 Aktuell, Kirchberg, Foto, RegionErnst Hunziker aus Kirchberg ist eine Koryphäe auf seinem Gebiet. Seit nunmehr 50 Jahren wirft er als orthopädischer Schuhmacher und Podologe seine Augen auf die Füsse, welche ziemlich weit, ja vom ganzen Körper gar am weitesten, vom Kopf entfernt sind, wie er tiefsinnig festhält. Bei Ernst Hunziker fiel der Apfel nicht weit vom Stamm, seine Berufung – das ist es viel eher als «nur» ein Beruf – wird ihm praktisch in die Wiege gelegt. Sein Vater war bereits Schuhmacher und so ist Hunziker von Kindesbeinen an mit Füssen und Schuhen bestens vertraut.
Ein grosses Engagement im Sinne der Füsse
Im Februar des Jahres 1971 findet er in Burgdorf an der Bahnhofstrasse ein geeignetes Lokal für seine Praxis. Beginnend als Einzelbetrieb nimmt er allerhand Patientinnen und Patienten, denen im wahrsten Sinne des Wortes der Schuh drückt, die eingewachsene Zehennägel, Hühneraugen, Fehlstellungen oder ganz allgemein Probleme mit den Füssen haben, an. 13 Jahre später, wir schreiben das Jahr 1984, zieht er mit seiner Praxis nach Kirchberg um. Von da an empfangen Hunziker und sein Team die Patientinnen und Patienten direkt in seinem privaten Haus, welches er 1978 für sich und seine Frau gebaut hat. Es folgen zahlreiche Problemstellungen und -fälle mit den Füssen, auf die Hunziker fast immer eine Antwort weiss. Das Thema der Füsse liegt ihm am Herzen, es ist ihm wichtig. «Ich schätze dabei, dass ich jeweils sowohl die orthopädische Seite wie auch die podologischen Aspekte abdecken und vereinen kann.» Hunziker strebt nach Perfektion. «Ohne perfektionistische Ader ist es der falsche Beruf. Doch noch viel entscheidender ist die notwendige handwerkliche Geschicklichkeit und eine gewisse technische Raffinesse, die für diesen Beruf von zentraler Bedeutung sind.» Reicht all dies, auch das kommt vor, nicht aus, um der behandelnden Person zu helfen, verweist er diese an die Chirurgen in den Privatspitälern in Bern. Doch da gilt keinesfalls «aus dem Auge, aus dem Sinn». Wo nur noch Operationen Besserung versprechen, ist der «Fussberater» selbst im Operationssaal anwesend und beobachtet das Vorgehen der Chirurgen. «Für mich ist das immer sehr interessant und lehrreich. Wobei ich als medizinischer Podologe mit dem Skalpell genauer agieren muss, als dies bei den Chirurgen bei Eingriffen am Fuss der Fall ist. Meine Arbeit ist eine Millimeter-Arbeit», hält er mit leichtem Schmunzeln fest.
Hunziker ist auch neben der Tätigkeit als Podologe und orthopädischer Schuhmacher sehr engagiert, gründet mit Kollegen den Podologen-Verband, reist durch Europa und hält Vorträge für das Fachpublikum. Vorträge mit direkter Behandlung vor Ort hält er aber auch vor Laienpublikum. Unter dem Patronat der Pro Senectute führt er weiter die erste mobile Altersfuss-
pflege ein. «Ich will die Menschen einfach stets für das Thema Füsse sensibilisieren. Die Füsse erhalten in der Öffentlichkeit nie die Wertschätzung, die ihnen zustehen würde.» Hunziker versucht diese Wertschätzung bis zum heutigen Zeitpunkt mit seinem Engagement zu verbessern.
Veränderungen und stetige Weiterentwicklung
Was hat sich denn in den 50 Jahren Berufstätigkeit verändert? Definitiv vieles, meint der Experte für Füsse. «Die Ortho- und Schuhmaterialien heutzutage sind viel weicher, früher wurden vermehrt harte Substanzen verwendet. Dazu kommen die modernsten Technologien wie Scanner oder gar 3-D-Drucker, welche früher unvorstellbar waren.» Hunziker und sein Podologie-Team behandelten in den Anfangsjahren in der Praxis teils 50 Patientinnen und Patienten pro Tag. «Eine normale Behandlung kostete circa 20 Franken», erinnert er sich. Heute liegt der Preis bei bis etwa 120 Franken pro Stunde. Auch die kosmetische Fusspflege beispielsweise stehe heute für sich, war sie doch früher im Handwerk Hunzikers inbegriffen.
Was sich nicht verändert hat, ist das grosse Engagement und die Expertise von Hunziker. Erfahrung sei in diesem Beruf etwas sehr Wertvolles, sagt er. Die fachliche Meinung des 78-Jährigen war stets und ist bis heute gefragt. In seiner langjährigen Tätigkeit konnte er rund ein Dutzend Lernende ausbilden und in den Beruf einführen, was ihn bis heute sehr freut. «Diese Lehrlinge auszubilden stellte einerseits eine Herausforderung dar, andererseits konnte ich dank den Lernenden stets dazulernen und mich weiterentwickeln», hält er fest. Auch den langjährigen Lieferanten ist Hunziker dankbar, mit denen er für den Fortschritt des Berufes stets in einem sehr guten Verhältnis stand, wie er sich erinnert.
Immer noch tätig
Noch heute empfängt Hunziker seine Kundschaft, ob in der Praxis am Beundenweg 11 in Kirchberg oder in der Ortho-Werkstätte im Cuenin-Areal. Es komme vor, dass erwachsene Menschen ihn hin und wieder ansprechen und sich für die Behandlung in ihrer Kindheit bedanken. Angesprochen auf die Wertschätzung und die Dankbarkeit, die dadurch gezeigt werde, entgegnet er lachend: «Ja, das ist schön, aber es zeigt auch, dass ich älter geworden bin.» Doch an ein Ende seiner Tätigkeit denke er momentan nicht. Er möchte auch weiterhin für seine Stammkundschaft da sein. «Ich verfolge das Credo: ‹Wenn ich da bin, bin ich da.› Solange ich Freude daran habe und meine Hände den Beruf ausüben können, mache ich weiter.» Der Berufung zum Trotz geniesst Hunziker heute auch die Freizeit, in der er keine Füsse behandelt. Er wandert gerne, mag reisen, liest viel und verbringt gerne Zeit mit seiner Familie und Freunden. Doch so ganz lässt ihn das Thema Füsse jeweils doch nicht los. Es zeigt, dass die Mission, für die Wichtigkeit und Wertschätzung der Füsse einzustehen, noch nicht beendet ist. Folglich ein weiterer Anreiz für Hunziker, weiterzumachen. Die Frage, ob bei den Patientinnen und Patienten jeweils eine gewisse Scham ein frühzeitiges Aufsuchen von Experten verhindere, bestätigt er. «Der Fuss ist zudem zu weit weg vom Kopf», meint er weiter. Dazu passt auch der Spruch, der in Hunzikers Praxis an der Wand zu lesen ist: «Der Mensch weiss erst dann, dass er Füsse hat, wenn er etwas mit seinen Füssen hat.» Die Leute würden oftmals erst kommen, wenn sie starke Schmerzen haben. Der präventive Tipp des Experten und Fussberaters Hunzikers: «Nehmen Sie einmal am Tag Ihre Füsse in die Hände und pflegen Sie diese!»
Joel Sollberger