Der Wirtschaftsstandort Burgdorf im Fokus
20.04.2022 Aktuell, Wirtschaft, Foto, Region, Burgdorf, GesellschaftNach der ersten Ausgabe 2020 findet am 29. April 2022 erneut die Industrienacht Burgdorf und Emmental statt. Das heisst, dass erneut diverse regionale Unternehmen ihre Tore für Besucherinnen und Besucher öffnen und somit der Bevölkerung einen Einblick in ihre jeweiligen Tätigkeiten ermöglichen. Ergänzt werden diese «offenen Türen» durch spannende Wirtschaftstalks und ein spezielles Programm für Schülerinnen und Schüler. Die Zeitung «D’REGION» konnte im Vorfeld mit Stadtpräsident Stefan Berger und Milo Gasser, CEO der Asic Robotics AG, über die Industrienacht sowie den Wirtschaftsstandort Burgdorf an sich sprechen.
«D’REGION»: Welchen Stellenwert hat die Industrienacht für Sie als Stadtpräsident von Burgdorf?
Stefan Berger: Die Industrie und das Gewerbe und somit auch die Industrienacht haben für mich einen hohen Stellenwert. Nachdem wir auf die erste Industrienacht ein durchwegs positives Feedback erhalten haben, war für mich klar, dass wir dieses Format weiterentwickeln und die Industrienacht wieder durchführen würden. Damit erhalten die Industrie sowie die duale Ausbildung ein Schaufenster und können die Attraktivität dieser Branche zeigen. Zusammen mit dem Engagement beim TecLab Burgdorf, aber auch den Verbänden Berner KMU und HIV Bern versuchen wir damit, dem bestehenden Fachkräftemangel zu begegnen.
«D’REGION»: Gibt es einen speziellen Programmpunkt oder Moment, auf welchen Sie sich bei der diesjährigen Ausgabe der Industrienacht besonders freuen?
Stefan Berger: Ich freue mich besonders auf die Touren für Schülerinnen und Schüler am Morgen und auf die drei von der SRF-Journalistin Sonja Mühlemann moderierten Wirtschaftstalks am Abend in der Markthalle. Um 17.00 Uhr unterhalten sich Milo Gasser und Reto Reist (CEO Moser-Baer AG) zum Thema «Vom Lehrling zum Unternehmer», ab 19.00 Uhr erfahren wir unter dem Titel «Zukunft & Leadership» viel Interessantes über die Herausforderungen an die Führungskultur der Zukunft. Die Gäste sind Andrea Lüthi (Co-Geschäftsführerin Sanitized AG Burgdorf) und Nina Klötzli (Co-Geschäftsführerin Klötzli Messerschmiede AG Burgdorf). Um 20.15 Uhr tauschen sich René Mannhart (CEO Zaugg AG Maschinenbauunternehmen Eggiwil), Simon Michel (CEO Ypsomed AG Burgdorf) und Marc Blaser (CEO Blaser Swisslube AG) über die Bedeutung, die Voraussetzungen und die Notwendigkeit von Innovation in unserer Region aus.
«D’REGION»: Gibt es allenfalls Änderungen im Vergleich zur ersten Industrienacht?
Stefan Berger: Neu werden die Extrabusse die teilnehmenden Betriebe im 15-Minuten-Takt ab Markthalle anfahren. Dadurch wird der Besucherstrom noch besser fliessen. Dank den gefallenen Corona-Massnahmen müssen die Besuchenden dieses Mal nicht im Vorfeld ein Ticket lösen, die Besucherzahl ist nicht mehr auf 500 beschränkt. In der Markthalle findet neu bereits ab 10.00 Uhr und während des ganzen Tages eine Messe mit 25 Ausstellern aus Burgdorf und dem Emmental statt. Hier werden sich nicht nur Betriebe aus der Region, sondern auch Bildungsinstitutionen, Verbände und das Berufsinformationszentrum BIZ präsentieren. Ziel dieses vielfältigen «Marktplatzes» ist letztlich auch die Nachwuchsförderung. Die Messe findet auch am Abend parallel zu den Firmentouren statt und ist für alle frei zugänglich. Das abwechslungsreiche Rahmenprogramm in der Markthalle ist ebenfalls eine Neuheit.
«D’REGION»: Warum darf die Industrienacht nicht verpasst werden?
Stefan Berger: Die teilnehmenden Industriebetriebe öffnen an diesem Abend ihre Tore und gewähren den Gästen überraschende und vor allem exklusive Einblicke in ihre Produktionshallen. Diesen Blick hinter die Kulissen erhält die Öffentlichkeit nur im Rahmen der Industrienacht.
Milo Gasser: Es ist eine seltene Möglichkeit, einen Blick hinter die Kulissen zu erhaschen. Viele Bewohner/innen von Burgdorf und Umgebung kennen eine Grosszahl der Firmen anhand der Namen und Logos oder haben sonst einen Bezug dazu. Die wenigsten aber hatten je die Möglichkeit, die Firmen so transparent kennenzulernen, wie das an der Industrienacht möglich sein wird. Ich persönlich habe an der Industrienacht 2020 sowie in den Vorbereitungen für die Ausgabe 2022 enorm viel Engagement von den betroffenen Firmen erlebt. Wir können uns mit Sicherheit auf spannende und tolle Präsentationen und Produktionsrundgänge freuen.
«D’REGION»: Was sind die wirtschaftlichen Vorzüge, welche der Standort Burgdorf / Emmental bieten kann?
Stefan Berger: Die Region bietet ein vielfältiges Netzwerk an Unternehmen und Bildungsinstitutionen. Daneben versuchen wir als Stadt, die Kontakte zur Industrie und dem Gewerbe zum Beispiel mit dem Verein «B4Business» zu fördern und zu entwickeln. Neben diesem attraktiven Umfeld können wir mit guten ÖV-Verbindungen und kurzen Wegen in die Zentren trumpfen.
Milo Gasser: Generell haben wir im Espace Mittelland eine sehr starke und diversifizierte Industrie. In diesem Zentrum hat sich der Kanton Bern in den letzten paar Jahren zum grössten Industriekanton der Schweiz entwickelt. Burgdorf mit seinen zum Teil geschlossenen Industriegebieten, wie zum Beispiel die Buchmatt, widerspiegelt diese Entwicklung. Im Bindeglied zwischen Grossstadt und Land existiert hier eine sehr nahe und enge Verbindung zwischen der politischen Gemeinde und der Wirtschaft.
«D’REGION»: Wie können Jugendliche und junge Erwachsene für technisch-industrielle Berufe begeistert werden?
Milo Gasser: Mit einer Industrienacht. Mit offenen Türen, Schnupperlehren, Besuchstagen und vergleichbaren Anlässen. Die Industrie hat, wenn überhaupt, nur ein Imageproblem. Sprich einen Ruf, der schon lange nichts mehr mit der Realität zu tun hat. Geben wir heute jungen Leuten die Chance, in die modernen Firmen hineinzuschauen, werden sie sehen, dass es hier attraktive Berufe und enorm viele spannende Karriere- und Entwicklungschancen gibt. Wenn sich junge Menschen mit der Berufswahl auseinandersetzen, sollten unbedingt industrielle und technische Berufe auf der Liste stehen. Bei genauerem Hinsehen werden sie feststellen, dass die Industrie schon lange nichts mehr mit alten Maschinen, dunklen Produktionshallen und dreckigen Händen zu tun hat.
«D’REGION»: Wie hat sich die Coronakrise auf die hiesige Industrie ausgewirkt?
Milo Gasser: Die Coronakrise war eine grosse und globale Krise, die lange gedauert hat und wahrscheinlich auch noch nicht komplett ausgestanden ist. Allerdings war das natürlich nicht die erste Krise. Die Schweizer Industrielandschaft wurde in der Vergangenheit immer wieder mit grösseren Herausforderungen konfrontiert. Die Finanz-, Automobil- und Eurokrise sind nur einige davon. Mich persönlich fasziniert es aber immer wieder aufs Neue, mit welcher enormen Leidenschaft und positiven Energie die Industrie solchen Herausforderung begegnet. Ich sehe in vielen Firmen eine bemerkenswerte und unglaublich innovative Einstellung bei der Bewältigung von Problemen und Krisen. Dies trifft selbstverständlich auch auf die hiesigen Firmen zu.
«D’REGION»: Wie kann der Arbeitsmarkt von Burgdorf, nebst Events wie der Industrienacht, gestärkt werden?
Milo Gasser: Eine kurze Distanz zwischen Wohn- und Arbeitsort wird in Zukunft wohl zunehmend an Bedeutung gewinnen. Das
Homeoffice ist in Produktionsbetrieben aus nachvollziehbaren Gründen nur sehr beschränkt anwendbar und ein kurzer Arbeitsweg macht sowohl aus ökonomischen wie auch aus ökologischen Überlegungen Sinn.
Burgdorf wird, wie jede andere Stadt auch, Firmen aus der Industrie und anderen Zweigen stark in die Entwicklung miteinbeziehen müssen. Eine zukunftsorientierte Regionalplanung braucht nebst öffentlicher Infrastruktur auch ein attraktives Angebot an Arbeitsplätzen.
«D’REGION»: Burgdorf gilt als Standort für zahlreiche innovative Unternehmen. Wie kann die Politik beziehungsweise Stadt die Ansiedlung weiterer Unternehmen forcieren?
Stefan Berger: Ansiedlungen längerfristig zu planen ist praktisch unmöglich, da diese in einem sehr engen Zeitfenster der Unternehmen erfolgen. Wir müssen aber dafür bereit sein und uns als attraktive Stadt und Region vermarkten. So setzen wir uns auf allen politischen Ebenen für gute Rahmenbedingungen ein, versuchen, Netzwerke zu schaffen und die Vorteile der Region und der Stadt bekannt zu machen. Auf Wunsch unterstützen wir auch Grundeigentümer beim Vermarkten von freien Flächen bei unseren Partnern wie «B4Business» oder auch dem Kanton.
Joel Sollberger / zvg
Mehr Infos unter: www.industrienacht-burgdorf.ch.