Versorgungssicherheit langfristig gewährleisten
14.06.2022 Aktuell, Rüegsau, Lützelflüh, Foto, GesellschaftAn der öffentlichen Orientierungsversammlung in der Mehrzweckhalle Lützelflüh informierten die beim zwei Millionen Franken teuren Wasserprojekt involvierten Fachleute die Bevölkerung aus beiden Gemeinden sowie die Mitglieder der Wasserversorgungsgenossenschaft (WVG) Rüegsau und Umgebung über die Gründe für den Zusammenschluss der Wasserversorgung, den Stand der Arbeiten und die Auswirkungen.
Rüegsau als idealer Partner
Kurt Baumann, Gemeindepräsident Lützelflüh und Vorsitzender der Arbeitsgruppe, beginnt mit der Ausgangslage in Lützelflüh: «Die Wasserversorgung gehört zu den Aufgaben einer Gemeinde, wird über die Spezialfinanzierung abgewickelt und ist bei uns an die Genossenschaft Rüegsau ausgelagert. Die heutige Fassung Farbschachen in der Schutzzone ist wegen ihrer Nähe zu Hauptstrasse und Gewerbe ab 2030 abgesprochen worden, weshalb wir in den vergangenen 15 Jahren zahlreiche neue Fassungsstandorte detailliert geprüft haben. 2017 haben wir uns für das Pumpwerk Schlossberg als neuen Wasserbezugsort entschieden, was einen Vertrag bezüglich des technischen Zusammenschlusses mit der Wasserversorgungsgenossenschaft Rüegsau bedingt. Nach der grundsätzlichen Prüfung aller Fragen ist 2021 zusammen mit dem Gemeinderat Rüegsau der Entscheid gefallen, dieses Projekt zu verwirklichen und die Grundlagen für die Umsetzung zu erarbeiten.»
Baumann spricht weitere Punkte an: «Bei diesem Zusammenschluss benötigen wir keinen komplizierten Vertrag. Der Kanton fördert solche Zusammenschlüsse und spricht Beiträge. Doppelte Organisationen entfallen. Eine Aktiengesellschaft ist handlungsfähiger als eine Genossenschaft, weshalb diese Gesellschaftsform vorzuziehen ist.»
Zukunftsgerichtetes Projekt
Andreas Hängärtner, Gemeindepräsident Rüegsau, erläutert die Lage in Rüegsau: «Bei uns erledigt die Genossenschaft Wasserversorgung diese Aufgabe seit vielen Jahrzehnten. Auch wir haben künftige Möglichkeiten eingehend geprüft, wobei Lösungen mit mehreren Vertragspartnern (Wasserbezug, Leitungsrechte usw.) unbeliebte Kaskadenverträge nötig gemacht hätten.
Das Grundwasserversorgungspump-
werk Schlossberg (Pumpen, Trafo) muss auf alle Fälle saniert werden. Bei Nutzung der gemeinsamen Infrastrukturen und einem technischen Zusammenschluss ist die Versorgung beider Gemeinden mit dem benötigten Wasser gesichert.» Auch er plädiert für eine Aktiengesellschaft, «dank der beide Gemeinden je zur Hälfte Aktionärinnen werden und moderne Handlungsstrukturen entstehen. Daneben wird der Kanton seine Beiträge an laufende und neue Investitionen um 15 Prozent erhöhen.»
Sabrina Bahnmüller, Fachexpertin der Kantonalen Bau- und Verkehrsdirektion (BVD) sowie des Amtes für Wasser und Abfall (AWA), erläutert die Voraussetzungen für die Versorgungssicherheit beim Wasser und den derzeitigen Stand in beiden Gemeinden. Abschliessend fasst sie zusammen, dass «die Grundwasserfassung Schlossberg mit einer Konzession bis 2060 und 2575 Litern Wasser pro Minute sehr wichtig und ergiebig ist». Sie begrüsst die angestrebte gemeinsame Lösung beider Gemeinden als «zukunftsgerichtet».
Überarbeitetes Projekt
Beat Zaugg, Gemeinderat Lützelflüh und Vorsitzender der Arbeitsgruppe, lässt den Zeitplan betreffend den technischen Zusammenschluss Revue passieren: 2017 erfolgt der Vertragsabschluss zwischen der Gemeinde Lützelflüh und der Wasserversorgung Rüegsau, 2018 die Projektierung der Verbindungsleitung. Ebenfalls 2018 wird das neue Schutzzonenreglement erarbeitet und die Konzession (WVG Rüegsau) erhöht. Der Bau der Verbindungsleitung fällt in den Winter 2021. Nach der Überprüfung des Projektes beschliessen beide Gemeinden ein überarbeitetes Projekt mit dem Ausbau der GWPW Schlossberg sowie dem Neubau eines Stufenpumpwerkes, das im Herbst / Winter 2022 / 2023 realisiert werden soll.
Zaugg erläutert die technischen Einzelheiten und schliesst seine Ausführungen mit der Zusammenfassung: «Wir präsentieren eine zukunftsgerichtete Lösung.» Hans Grunder, Präsident WVG Rüegsau und Projektleiter, erläutert die Prüfungsergebnisse beim organisatorischen Zusammenschluss. «Bereits 2019 / 2020 haben wir die Zweckmässigkeit abgeklärt und die Fakten beider Wasserversorgungen gegenübergestellt. Das gleiche passierte bei der Tarifstruktur und dem Investitionsbedarf für die kommenden 25 Jahre. Das Alter aller Leitungen musste eruiert werden, auch die Anzahl der wasserbeziehenden Gemeindebewohner und Unternehmen. Hier besteht prakisch eine Übereinstimmung, ebenfalls bei den Kosten für das Wasser. Der künftige Wassertarif soll möglichst wenig vom derzeitigen abweichen. Auch der Bedarf bei der Netzsanierung ist ähnlich.»
Rückzahlung der Anteilscheine
Rechtsanwältin Susanna Glatthard, zuständig für juristische Beratungen, erklärt das künftige Wasserversorgungsreglement, die einmaligen und wiederkehrenden Gebühren und betont, dass alles gemäss den kantonalen Vorgaben erfolge und nichts Neues enthalte.
Abschliessend informiert Grunder, dass «die vollständige Rückzahlung der WVG Rüegsau Genossenschaftsanteile erfolgen wird. Das betrifft 118 Personen respektive 1657 Anteilscheine, wofür 414 250 Franken zur Verfügung stehen (250 Franken pro Schein). Die Aktiven und Passiven werden auf die neu gegründete AG
übertragen.»
Eine Bewohnerin aus Rüegsau will wissen, was nach Auflösung der Genossenschaft mit ihrem vor 120 Jahren im Grundbuch eingetragenen Wasserrecht ihrer Vorfahren geschehen werde. Grunder räumt ein, hier müsse noch eine Einigung erzielt werden, was Gemeindepräsident Kurt Baumann zur Freude der Anwesenden die Bemerkung entlockt: «Mal sehen, was teurer kommt: unsere kürzlich geplatzte Wasserleitung in Lützelflüh oder die Bereinigung eures Wasserrechtes in Rüegsau.»
Gerti Binz