Dunkle Hautfarbe und Schweizerdeutsch sind kein Widerspruch

  13.09.2022 Aktuell, Foto, Burgdorf, Gesellschaft

Das «Jugendforum Ämmitau» feierte vergangenen Freitag in der Aula Gsteighof die Abschlussfeier des Projektes «Gemeinsam gegen Rassismus». Wichtiger Teil des Anlasses war die Durchführung einer «Human Library», einer Veranstaltungsform, bei der Menschen über ihre Erfahrungen mit Fremdenfeindlichkeit Auskunft geben. Interessierte gingen von Tisch zu Tisch, an welchen Menschen, die beispielsweise aus Syrien oder Afghanistan stammen, ihre unangenehmen Erlebnisse erzählten. Die Gespräche dauerten rund zehn Minuten, der Wechsel erfolgte jeweils zur Musik von «Alizarin», einer Band aus Geflüchteten sowie engagierten Schweizerinnen und Schweizern.

Zugfahrt bleibt in Erinnerung
Die Syrerin Joumana Steif erzählte von einer Zugfahrt, bei der sie von einer Schweizerin auf ihre schöne Bernsteinkette angesprochen wurde. Als sich die Syrerin als solche zu erkennen gab, unterbrach die Frau das Gespräch abrupt. Auch der Afghane Hamid Haqyar, der in der Schweiz als Sprachlehrer arbeitet, erfuhr bereits Diskriminierung: «Eine Frau beleidigte mich mit einer offensichtlichen Geste aus dem fahrenden Auto heraus», so der Sprachlehrer. Zudem dolmetsche er regelmässig. In diesen Gesprächen müsse er für seine Klienten immer wieder Botschaften kommunizieren, die unter deren Würde seien.
Wo sind die Grenzen?
Die Gespräche des Abends rüttelten auf und gaben Denkanstösse. Dies entspricht dem übergeordneten Ziel des Projektes: In den vergangenen Monaten reiste das Jugendforum-Team mit einem Projektwagen durch das Emmental und sprach sensibilisierend mit Menschen über Fremdenfeindlichkeit. Doch wann kann von einer solchen gesprochen werden? Für Forumsmitglied Saambavi Poopalapillai gibt es eine klare Grenze zwischen alltäglichen und rassistischen Konflikten: «Eine gute Streitkultur ist wichtig. Schwierig wird es, wenn ich Vorwürfe erfahre, die unzutreffend sind und deren Grund Abneigung gegen meine Hautfarbe sind.» Zudem gebe es auch unterschwelligen, deshalb aber nicht weniger schmerzhaften Rassismus. Saambavi Poopalapillai schildert Situationen, bei welchen sie für ihr gutes Berndeutsch gelobt wurde, und hält fest, dass sie hier geboren sei und wie viele in der Schweiz die Krippe besucht habe. Es komme auch immer wieder vor, dass Leute annehmen, sie spreche wegen ihrer Hautfarbe schlecht Deutsch.

Erfahrungen teilen
Ein Bewusstsein schaffen für solche Situationen sollen auch die noch anstehenden Projekt-Schulbesuche. «In den Schulen wollen wir Videozitate mit Schülerinnen und Schülern diskutieren», sagt Forumsmitglied Tanja Blume. Die Arbeit mit den Jugendlichen sei also vergleichbar mit der Aufklärungsfahrt durch das Emmental: «Wir wollen mit den jungen Menschen sprechen, sie alle habe ja ihre eigenen Erfahrungen, die es zu würdigen gilt.» Saambavi Poopalapillai betont eine mögliche Leuchtturmwirkung des Projektes: Es sei gut möglich, dass auf das Projekt andernorts neue folgen und sich Menschen dadurch weiterhin mit der Thematik beschäftigen. Das ganze Team um Poopalapillai und Blume stemmt das Projekt neben Beruf und Studium, was nicht immer einfach ist. In Zukunft wollen die beiden neuen Kräften Platz machen, im Forum bleiben sie aber weiterhin engagiert.

Fachstelle als kompetenter Partner
Begleitet wurde das Projekt von Giorgio Andreoli und dessen Fachstellen-Team von «Gemeinsam gegen Gewalt und Rassismus» (gggfon). «Die Zusammenarbeit mit Institutionen wie dem Jugendforum ist uns wichtig», so Andreoli. Auch sonst arbeitet gggfon niederschwellig und greift nicht erst ein, wenn ein Straftatbestand vorliegt. «Damit die Rassismus- oder die Diskriminierungsstrafnorm greift, braucht es klare Beweise. Diese fehlen in den konkreten Situationen oft», sagt er. Trotzdem bietet gggfon Rassismus­opfern ihre Vermittlung an und nimmt in deren Namen beispielsweise mit Hausverwaltungen oder Firmen, deren Mitarbeiter beleidigend wurden, Kontakt auf. «In aller Regel kommt so ein Verständigungsprozess in Gang, der in ein positives Resultat mündet», so Andreoli. Das ist auch die Erfahrung von Poopalapillai und Blume: «Es ist wichtig, über rassistische Tendenzen zu sprechen, damit bei den Menschen ein Lernprozess in Gang kommt», sagen die beiden Akteurinnen beim Apéro übereinstimmend. Die dort Anwesenden verliehen dem Abend mit seinen nicht ganz einfachen Themen einen fröhlichen Ausklang.

Roman Bertschi


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