Gesundheitsversorgung der Zukunft im Emmental

  07.09.2022 Aktuell, Burgdorf, Gesellschaft, Politik

«gesund i.E.» setzt sich für den Erhalt und die Weiterentwicklung einer umfassenden, zeitgemässen Gesundheitsversorgung im Emmental ein. Die Gesundheitsregion Emmental umfasst eine Vielzahl aktiver Organisationen. Dazu gehören neben dem Spital Emmental verschiedene Spitex-Organisationen, insgesamt 26 Alterszentren, Hausärztinnen und Hausärzte sowie die Apotheken.

Vernetzung aller Anbieter im Emmental steht im Vordergrund
Koordination und Vernetzung ist die Grundlage für eine effiziente Gesundheitsversorgung in der Region. «gesund i.E.» ist bestrebt, die Schnittstellen und die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Leistungserbringern zu erkennen und zu verstärken.
Der Verein koordiniert und fördert die Zusammenarbeit aller Beteiligten im emmentalischen Gesundheitswesen und stellt die Vernetzung der Anbieter in den Vordergrund. «gesund i.E.» setzt sich für eine ganzheitliche ambulante und stationäre Grundversorgung ein und nimmt zusammen mit den Gesundheitsorganisationen aktiv an der Entwicklung von gesundheitspolitischen Sachgeschäften teil. Zudem informiert der Verein die Bevölkerung regelmässig über neue Angebote. So auch am vergangenen Mittwoch. «gesund i.E.»-Co-Präsident Matthias Moser empfing im Restaurant Schützenhaus Regula Feldmann, seit rund 100 Tagen CEO des Spitals Emmental, Dr. Christoph Zimmerli, Grossrat Kanton Bern, Cornelia Steinmann, Gschäftsleiterin Spitex Region Emmental, Dr. med. Lorenz Sommer, Hausarzt in Signau, und Patrik Walther, Geschäftsführer Alterszentrum Sumiswald AG und ebenfalls Co-Präsident von «gesund i.E.».

Rund 20 Prozent mehr Pflegepersonal bis zum Jahr 2050
Regula Feldmann bestätigte in ihrem Referat die missliche Lage in Bezug auf den Fachkräftemangel. Sie zeigte auf, dass gemäss einer Studie der Bedarf an Pflegepersonal weiter zunehmen wird. «Bis zum Jahr 2050 werden wir rund 20 Prozent mehr Personal im Gesundheitswesen brauchen!» Regula Feldmann betonte die Wichtigkeit von neuen Arbeitsmodellen, sodass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gewährleistet ist.
Das Spital Emmental, mit dem Slogan
«Modern. Menschlich. Mittendrin.», möchte sich gemeinsam mit seinen Partnern im Gesundheitswesen stetig verbessern und die strikte Einhaltung von höchster Qualität garantieren. Dazu gehört das Nutzen von Synergien und neuen Angeboten in der Region.

Gesundheitsstrategie des Kantons Bern 2020 bis 2030
Grossrat und Rechtsanwalt Dr. Chris­toph Zimmerli erläuterte die «Gesundheitsstrategie des Kantons Bern 2020 bis 2030»: eine Art Leitlinie der Behörde für Entscheide, die im Gesundheitswesen getroffen werden. Die Trends zeigen, dass Einzelpraxen vermehrt in Gruppenpraxen umgewandelt werden. Die demografische Entwicklung wird zu Veränderungen der Bevölkerungsstruktur führen. Eine klare Vision für die Zukunft ist, dass das Gesundheitswesen auch weiterhin qualitativ hochstehend, für alle zugänglich und nicht zuletzt auch bezahlbar bleiben soll. Um dies umzusetzen, braucht es zwingend mehr Personal im Gesundheitssektor. Auch die Förderung von Forschung und Entwicklung steht künftig im Vordergrund. Bleibt die Frage: Wie kann der Kanton Bern die Erwartungen der Bevölkerung umsetzen? Dr. Christoph Zimmerli persönlich sieht ganz klar den Patienten im Mittelpunkt. Er soll die Wahlfreiheit haben, was Arzt und Spital betrifft. Der Patient soll mehr Komfort erfahren (zum Beispiel Zweier- statt Sechser-Zimmer) und die Zusammenarbeit zwischen privaten und öffentlichen Trägerschaften muss gefördert werden.

Nachfolgeregelung in der Hausarztpraxis
Für Dr. med. Lorenz Sommer besteht die grösste Herausforderung darin, eine Nachfolge für seine Hausarztpraxis in Signau zu finden. Gemäss Studie des BIHAM (Berner Institut für Hausarztmedizin) war 2020 ein Hausarzt für rund 1000 Einwohner/innen zuständig. Im Jahr 2021 war der Hausarzt bereits für 1250 Einwohner/innen da und für das Jahr 2025 wird ein einzelner Hausarzt rund 1500 Patienten/-innen zu betreuen haben. «Es gibt schlicht zu wenig Hausärzte!», so das Fazit von Dr. med. Lorenz Sommer. «Provokativ gesagt, müsste man den Numerus clausus abschaffen.»
Cornelia Steinmann, Geschäftsleiterin Spitex Region Emmental, möchte ihrerseits die regionale Zusammenarbeit fördern. Sie erwähnt die pflegerisch immer aufwendigeren Arbeiten, welche auf die Spitex zukommen. Zum Teil gehört auch Palliative Care dazu.

Kooperation mit Grundversorgern
Als Geschäftsführer des Alterszentrums Sumiswald ist für Patrik Walther die Zusammenarbeit mit Grundversorgern existenziell. Die Kooperation mit Haus­ärzten und der Spitex ist für sein Zentrum wichtig. Er erwähnt die immer älter werdende Bevölkerung. Das durchschnittliche Alter im Alterszentrum beträgt zurzeit 87 Jahre. Langzeit-Institutionen sollen unbedingt in der Region belassen werden, denn die Bevölkerung ist mit der Gegend verbunden. Er sieht gute Ansätze dafür im Emmental. Es gilt, regionale Zentren mit anderen Organisationen zu vernetzen. Für Patrik Walther ist die Grenze des Machbaren mit dem heutigen Personalbestand erreicht.
In der anschliessenden Diskussionsrunde unter Einbezug der Zuhörer/innen manifestierte sich klar der Wunsch, die ständige Kostenorientierung im Gesundheitswesen abzuschaffen. Dr. med. Lorenz Sommer wünscht sich, dass einst jede/r seiner Patientinnen und Patienten eine Anlaufstelle hat und dass die Grundversorgung im Emmental erhalten bleibt.
Weiter wurden neue Arbeitsmodelle gefordert, welche die Tätigkeit gerade in der Grundversorgung wieder attraktiv machen und stärken. Aber auch die Ärzteschaft selbst ist in der Pflicht: Sie kann Modelle für eine sinnvolle Arbeitsteilung entwickeln und den ärztlichen Nachwuchs mit gezielten Massnahmen für die Grundversorgung motivieren. Und: Nur eine faire Abgel­tung kann als Basis für die Zukunft dienen. Es gilt, die hohen Ansprüche (gesundheitlich und sozial) auch weiterhin zu gewährleisten. Für Dr. Christoph Zimmerli braucht es ganz einfach mehr Leute mit Sachverstand in der Politik.

Petra Schmid

 


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