Ein Bijou erwacht aus Trümmern

  04.07.2023 Aktuell, Foto, Region, Kultur, Gesellschaft

Der 4. Juli 2022 und der 13. August 1837 haben verschiedene Gemeinsamkeiten. An beiden Tagen haben verheerende Unwetter über dem Emmental grossen Schaden und den Betroffenen viel Leid gebracht. Während das Ereignis vom letzten Jahr, das vor allem den Landgasthof Kemmeriboden-Bad in arge Mitleidenschaft gebracht hat, den meisten Lesenden noch in Erinnerung sein dürfte, ist das Unwetter vor 175 Jahren wohl nur jenen bekannt, die Gotthelfs «Wassernot im Emmental» gelesen haben. In beiden Fällen kristallisieren sich nach der unsäglichen Not, dem Elend, dem Dreck und Unrat, hervorgerufen von der «Emme-Schlange», wie Gotthelf die Wasserfluten unter anderem bezeichnete, glücklicherweise auch Eigenheiten der Talbewohnenden heraus, die damals wie heute zu Mut und Hoffnung Anlass geben: Solidarität und Hilfsbereitschaft, Kooperation, Treue.

Neues und Vertrautes
Wenige Tage vor der offiziellen Wiedereröffnung des Kemmeriboden-Bades am 3. (Hotel) beziehungsweise 6. Juli 2023 (Restaurant), hat Reto Invernizzi, der den Betrieb in sechster Generation mit seiner Frau Alexandra leitet, zu einer Führung an den «Tatort» eingeladen. Eines war dabei unverändert wie früher: der herzliche Empfang des ganzen 70-köpfigen Teams. Dass das nicht selbstverständlich sei, unterstrich der Hotelier mehrmals. Denn die Ungewissheit sei vor Jahresfrist sehr gross gewesen. Die Solidarität vieler befreundeter Gastbetriebe der Region, das temporäre Bistro bei der Berner Kantonalbank in Thun oder der Stand bei der Sport-Gastro auf dem Expo-Gelände des SCB in Bern hätten ermög­licht, dass die Mitarbeitenden vorübergehend beschäftigt werden konnten, sodass er nun bei der Wiedereröffnung auf sein eingespieltes Kemmeri-Team zählen dürfe. Auf dem beeindruckenden Rundgang durch die neuen Räumlichkeiten der Hotelrezeption, durch die neue Hotelhalle, die Wäscherei, die komplett neue Küche, die Gaststube und die Gartenumgebung gab es genügend Gelegenheiten, kurz mit betroffenen Mitarbeitenden zu sprechen. So unter anderem auch mit einer Mitarbeiterin, die mittlerweile 44 Jahre im Kemmeriboden arbeitet und ihren heutigen Chef bereits als kleinen Jungen erlebte.

Grosse Dankbarkeit
Nebst dem Mitarbeiterteam weiss Reto Invernizzi auch, wem er das Wunder des Wiederaufbaus in dieser kurzen Zeit zu verdanken hat. Nämlich der ausserordentlich grossen Unterstützung durch Amtsstellen beim Kanton, dem Regierungsstatthalteramt, der Gemeinde sowie dem exzellenten Zusammenspiel aller Unternehmen und ihren Handwerkern/-innen. So hätten unter anderem Bauunternehmer andere Baustellen eingestellt, um den Wiederaufbau im Kemmeriboden zu ermöglichen. Den guten «Baustellen-Geist» will Invernizzi nun nahtlos in den neuen Kemmeriboden-Alltag überführen und die einstige Kurbad-Atmosphäre in einer zeitgemässen Erholungsoase aufleben lassen. Ja, und da ist noch eine weitere Erkenntnis aus dem eindrücklichen Betriebs­rundgang hervorzuheben: Die legendä­ren «Kemmeriboden-Meränggen» gibt es weiterhin in traditioneller Grösse und Qualität. Ihnen ist neu gar ein «Me­rängge-Tresor» mit historischen Hintergrundinformationen gewidmet!

Fritz von Gunten

 


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