Umfassende Gesundheitsversorgung - welche Strategien verfolgt das Emmental?

  22.08.2023 Aktuell, Gesellschaft, Region

Der Verein «gesund i. E.» lud am vergangenen Mittwoch, 16. August 2023, in das Alterszentrum Sumiswald AG zur Hauptversammlung und zu zwei öffentlichen Referaten rund um die integrale Gesundheitsversorgung in peripheren Regionen wie dem Emmental.
Nachdem die Vereinsmitglieder die traktandierten Geschäfte der Hauptversammlung ohne Gegenstimmen gutgeheissen hatten, leitete Co-Präsident Patrik Walther über zum Kurzvortrag von Prof. Dr. Maya Zumstein-Shaha. Sie ist Dozentin und stellvertretende Leiterin des Master-Studiengangs Pflege der Berner Fachhochschule und stellte den Anwesenden das Projekt «Coordinated Care Emmental» vor. Das Konzept rückt eine positive Gesundheit in den Vordergrund. Denn unsere Auffassung von Gesundheit und Krankheit hat sich in den vergangenen Jahren erheblich verändert. Wurde Gesundheit einst als «Abwesenheit von Krankheit» erklärt, wird Gesundheit heute viel mehr als Widerstandsfähigkeit des Menschen und die Fähigkeit, sich an alles anzupassen, was das Leben bereithält, definiert.
«Coordinated Care Emmental» soll zu einer nachhaltigen und sozialverträglichen Grundversorgung im Emmental beitragen. Es soll Anforderungen an die zukünftige gesundheitliche Grundversorgung in der Region Emmental mittels Mixed-Methods-Ansätzen erheben und Empfehlungen hinsichtlich einer nachhaltigen Sicherstellung der Grundversorgung im Emmental entwickeln.

Demografischer Wandel als Herausforderung für das Emmental
Die Menschen im Emmental werden nicht jünger; aufgrund des demografischen Wandels wird es zunehmend mehr ältere Menschen geben im Kanton Bern. Konkret wird sich die Zahl der über 80-Jährigen bis 2050 mehr als verdoppeln. Die Anzahl Personen im Kanton Bern wird jedoch laut Hochrechnung in einigen Regionen abnehmen. Es braucht also Zuzüger/innen, um die Bevölkerungszahl zu halten und die Finanzierung der Grundversorgung zu sichern. Im Schnitt geben Schweizerinnen und Schweizer heute rund 800 Franken pro Monat für die Gesundheit aus. Für die Grundversorgung der Zukunft sollten Kostentreiber und Entwicklungstrends für das Emmental verknüpft werden – nachhaltig, realistisch und innovativ. Das Projekt «Coordinated Care Emmental» hat eine Laufzeit bis 2025 und wird mit rund 1,5 Millionen Franken budgetiert. Unterstützt werden soll das Projekt durch lokale Firmen aus Industrie, Bankwesen sowie Gemeinden, Stiftungen etc.

Welche Strategien verfolgt das Emmental?
Im Anschluss an Prof. Dr. Maya Zumstein-Shaha referierte Fritz Nyffenegger in seiner Funktion als Amtsvorsteher der Gesundheits-, Sozial- und Integrationsdirektion (GSI) des Kantons Bern zum Thema «Kantonale Gesundheitsversorgung in peripheren Regionen; Absicht des Kantons und Strategie für das Emmental». Er erläuterte, dass der Betreuungsbedarf für ältere Menschen stetig zunimmt. Auch eine Zunahme von chronischen Erkrankungen ist zu verzeichnen. Das bringt neue Herausforderungen mit sich. Der Fachkräftemangel in allen Bereichen der Gesundheitsversorgung erfordert neue Ideen und Massnahmen. Das Berner Gesundheitswesen befindet sich im Wandel. Begrenzte Ressourcen und kontinuierliches Kostenwachstum stellen eine Schwierigkeit dar. Kann hier der technologische Fortschritt mit der Digitalisierung und Telemedizin als Chance angesehen werden?
Mit dem sogenannten 4+-Regionen-Modell für die Versorgungsplanung strebt der Kanton Bern neue, grössere Spitalversorgungsregionen an. Dies soll zu einer verstärkten Koordination und Zusammenarbeit der Leistungserbringer führen und die Versorgung in allen Regionen sicherstellen. Denn auch die Peripherie – sogenannte Randgebiete – braucht eine funktionierende Grundversorgung!
In seiner Teilstrategie 2020 – 2030 verarbeitet der Kanton Bern nun die Inputs der verschiedenen Leistungserbringer wie Apotheken, Therapeuten, Pro Senectute etc.
Abschliessend hielt Fritz Nyffenegger fest, dass die grosse Fläche des Kantons Bern und die Verteilung von Stadt- und Landgebieten besondere Ansprüche stellen. Im Emmental und Oberaargau wären beispielsweise mobile Palliativdienste wünschenswert. Ein weiteres Projekt für die Bevölkerung in der Peripherie ist ein Leistungsangebot für die psychiatrische Akutversorgung zu Hause.
Fritz Nyffenegger betonte zudem die Bestrebungen des Kantons Bern, den Pflegeberuf in ein gutes Licht zu rücken. Auch die Berner Fachhochschule trägt zur Attraktivitätssteigerung der Pflegeberufe bei. Der Kanton Bern bietet ein kantonales Praxisassis­tenzprogramm an für Hausärztinnen und -ärzte sowie Kinderärztinnen und -ärzte. Ziel des Programms ist es, angehenden Ärztinnen und Ärzten den Weg in die Hausarztmedizin zu ebnen und die Grundversorgung im Kanton Bern zu unterstützen.
Im Anschluss an das Referat tauchte die Frage nach weiteren Spitalschliessungen auf. Fritz Nyffenegger geht davon aus, dass dies in naher Zukunft nicht der Fall sein wird. Das 4+-Regionen-Modell fokussiert darauf, dass die Versorgungsrelevanz pro Region ermittelt wird und nicht mehr wie bis anhin pro Kanton.

Petra Schmid


www.gesund-ie.ch


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