«Auch Misserfolge gehören dazu»

  03.04.2024 Aktuell, Foto, Utzenstorf, Sport

Am Donnerstag, 21. März 2024, startete Samuel Flückiger im «Tissot Velodrome» in Grenchen einen Weltrekordversuch. Das Ziel lautete, während zwölf Stunden ohne Stopp Velo zu fahren und in dieser Zeit so Runde um Runde 400 Kilometer zurückzulegen. Damit hätte der Utzenstorfer den bisherigen Weltrekord von 398 Kilometern in der Kategorie Ü60 geknackt. Hätte – leider steht vorheriger Satz im Konjunktiv. Samuel Flückiger verpasste sein Ziel, am Ende fehlten ihm mit seinen 345 Kilometern gut 50, um einen neuen Weltrekord zu schaffen. «Die Enttäuschung war am Anfang natürlich da. Letztlich kann ich das Scheitern jedoch gut akzeptieren», sagt Samuel Flückiger. Der 65-Jährige hat schliesslich diverse Weltrekorde aufgestellt, unter anderem im Nonstop-Fahr­en, an dem er in 104 Stunden sage und schreibe 2010 Kilometer radelte. «Die verschiedenen Erfolge zuvor machen den jetzigen Misserfolg erträglich. Für mich war von Anfang an klar, dass es sich bei meinem Vorhaben um ein Dürfen und nicht um ein Müssen handeln würde.» Der Ausdauersportler kann das Geleistete also bestens einordnen. Er bemerkte schon kurz nach Beginn um 8.00 Uhr früh, dass es nichts mit einem neuen Weltrekord wird. «Gleich zum Start hatte ich Sitzprobleme, auch mit dem Lenker hatte ich Mühe.» Danach kamen Krämpfe in den Beinen hinzu. Um diese zu lindern, nahm er Magnesium zu sich. «Das bescherte mir dann später wohl auch noch Magenprobleme.» Dennoch war das Aufgeben für Samuel Flückiger keine Option. «Mir war wichtig, dass ich es für die Zuschauenden sowie für meine drei Helfer Hans Wüthrich, Adrian Spreng und Andreas Strewski, denen ich extrem dankbar für ihre Unterstützung bin, durchziehe und zu Ende bringe», hält er fest. Auch wenn der Körper streikte, war der Kopf in dieser Hinsicht schliesslich stärker. Mit einigen Pausen fuhr Stefan Flückiger wie geplant bis um 20.00 Uhr Rad und legte dabei die besagten und nicht weniger beeindruckenden 345 Kilometer zurück.

Erfolg entsteht im Kopf
Dass Samuel Flückiger über einen starken Durchhaltewillen verfügt, ist nichts Neues. Seit seinem 18. Lebensjahr betreibt er Ausdauersport. Schon als Jugendlicher absolvierte er in den Sommerferien Radtouren und fuhr von Jugendherberge zu Jugendherberge. Ob Triathlon, Marathon, Sprint-Radrennen oder eben wie beim jüngsten Versuch Ultracycling, Samuel Flückiger betätigte sich in allen Sportarten. Der Ausdauersport lehrte ihm die hohe Bedeutung der mentalen Komponente. «Natürlich braucht es eine gewisse Grundfitness. Doch über Erfolg oder Misserfolg entscheidet schliesslich der Kopf. 80 bis 90 Prozent der sportlichen Leistung beruhen auf dem Mentalen», weiss der leidenschaftliche Sportler, der neben seinen aktiven Hobbys als Badeaufsicht im Freibad Koppigen sowie als Fahrrad-Guide tätig ist. «An besagtem Donnerstag war ich im Kopf zu wenig bereit und verpasste daher mein Ziel», sagt Samuel Flückiger selbstkritisch. «Doch schliesslich gehören im Sport wie auch im Leben allgemein Misserfolge dazu», so das inspirierende Fazit. «Und wenn ich damit aufzeigen konnte, dass man auch in fortgeschrittenerem Alter sportliche Leistungen erbringen kann, und somit eine gewisse Motivation auslöste, ist der Misserfolg doch gar nicht mehr so schlimm.»

Offen für das, was noch kommt
Das Projekt des Weltrekords schwebte Samuel Flückiger schon seit Längerem vor. Im Pandemiejahr 2020 wäre der Weltrekordversuch geplant gewesen. Zwei Wochen vor dem Vorhaben musste die Halle in Grenchen aber ihre Türe schliessen. «Mir war klar, dass ich das, sobald ich mich wieder bereit fühlen würde, nachholen werde», sagt er. Die Vorbereitungen hätten einen grossen Zeitaufwand bedeutet. Auch finanziell musste Samuel Flückiger den Betrag im vierstelligen Bereich selber stellen. Den sportlichen Ehrgeiz lässt sich ausmachen, als er auf einen erneuten Versuch angesprochen wird. «Zu Beginn schloss ich es komplett aus. Mit etwas Distanz würde ich aber einen neuen Versuch wagen, sofern sich Sponsoren für den finanziellen Teil finden würden. Ich weiss um mein Verbesserungspotenzial», meint er schmunzelnd. Ob Weltrekordversuch oder nicht, sportlich aktiv wird Samuel Flückiger so oder so bleiben. Bereits wenige Tage nach dem Weltrekordversuch sass er wieder auf einem Gravelbike: «Aber nur, um Rad zu fahren, nicht um zu trainieren», präzisiert er lächelnd. «Für die Zukunft habe ich verschiedene Pläne. Einerseits möchte ich mit dem Gravelbike über alle Schweizer Pässe fahren. Andererseits reizt mich eine Teilnahme am Iron Man in Thun. Die Zukunft ist folglich noch völlig offen», verrät er. Klar hingegen ist, wie beeindruckend und inspirierend Samuel Flückigers Tätigkeit ist. Misserfolg hin oder her.

Joel Sollberger


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