Dem Winter entfliehen

  24.12.2025 Foto, Burgdorf, Foto

In lockerer Folge berichtet Thomas Räber über das von Burgdorf nach Chile ausgewanderte Ehepaar Meret Räber und Bernardo Rojas und deren neue Heimat. Wie jedes Jahr hat das Paar auch dieses Jahr drei Monate auf dem Jungfraujoch als Kundenlenker/in gearbeitet. Nach einer anstrengenden Saison in Eis und Schnee ist die Heimkehr nach Chile für Meret Räber und ihren Mann jeweils eine Wohltat. Da sie für ihre Angebote – zu finden im Internet unter www.locurachile.com – inzwischen eine Firma gegründet haben, beschäftigen sie nun einen Angestellten, der sich um ihre Tiere und die anfallenden Arbeiten kümmert, wenn sie in der Schweiz Geld verdienen. So haben sie Gewissheit, dass während ihrer Abwesenheit gut für ihre Tiere gesorgt wird. Nach seiner Pensionierung hat sich Thomas Räber die Zeit für einen Besuch in Chile genommen:
«Bewölkt, drei Grad am Tag, in der Nacht bis auf Weiteres Temperaturen unter null: Solche Werte zeigt mein Handy für das vorweihnächtliche Burgdorf an. Diese düsteren Aussichten sind für mich jedoch nicht mehr als eine Randnotiz, sitze ich doch grob geschätzte 6000 Kilometer von Burgdorf entfernt auf der Südhalbkugel auf der Terrasse der Hacienda in Seron und vermeide es, mich der Sonne auszusetzen. Hier ist es am Morgen zwar auch kühl, rund 16 Grad, aber am Nachmittag klettert die Anzeige des Thermometers locker auf das Doppelte.
Mein Blick schweift über die kahlen Berge auf der gegenüberliegenden Talseite und bleibt schliesslich am Gehege vor der Terrasse hängen. Ein kleines Reich für Hühner und anderes Geflügel, eine gemischtrassige – dieser Begriff ist für Tiere durchaus noch zulässig – Gesellschaft, die hier ihren Alltag gemeinsam meistert. Weisse und schwarze Hühner fallen nicht weiter auf, doch dazwischen stolzieren drei Fasane, eine Truthahnfamilie und diverse Hühner mit Federbüscheln an den Füssen und auf dem Kopf. Auch die Hähne, kleine und grosse, bringen Farbe in die Gemeinschaft und lassen die dezenten Fasanenweibchen noch unscheinbarer wirken. Die kleinsten Bewohner, Wachtelküken, stecken zurzeit noch unter der Wärmelampe, während die Perlhühner ständig einen Anlass finden, sich lautstark in Szene zu setzen. Wenn dieser Hühnerhof ein Staat wäre, übernähmen die Hühner wohl die Rolle der Politiker/innen. Beim genauen Hinschauen lässt sich zwischen all den Vögeln sogar noch ein Zwerghase entdecken, der wohl gar nicht mehr weiss, dass er einer ist. Der einzige Vierbeiner in diesem kleinen Universum ist von seinen Mittieren voll akzeptiert und längst integriert. Früher leistete ihm eine Zibbe Gesellschaft, die regelmässig Junge zur Welt brachte. Die Jungtiere gelangten dann via Tierarzt für ein kleines Entgelt zu neuen Besitzenden. Leider ist das Muttertier kürzlich altershalber gestorben.
Es ist gut, dass in diesem Gehege nur Federvieh und ein Transrassist heimisch sind und keine Vertreter der Gattung Homo sapiens. Müssten da Menschen und nicht unbedarfte Tiere zusammenleben, könnten sich diverse Probleme ergeben. So aber reichen die Ressourcen für alle, nicht einmal das dümmste Vieh käme auf die Idee, Futter zu horten und seine Mitbewohner darben zu lassen. Auch die Vielfalt stört hier niemanden, es ist sogar schon vorgekommen, dass sich Hennen um kleine Fasänchen kümmerten, deren Mutter gestorben war. Die Tiere sehen auch kein Problem im Umstand, dass demnächst noch Pfaue einziehen werden und der Platz entsprechend geteilt werden muss. Diese Harmonie ist vielleicht auch dem Umstand geschuldet, dass allzu egoistische Gockel aussortiert werden und die Gemeinschaft verlassen müssen, e Guete. – Schade, dass schon bald die Rückkehr in die Schweiz ansteht!»

Text und Bilder: Thomas Räber

 


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