Diagnose Brustkrebs – von der Früherkennung bis zur Nachbetreuung
22.10.2025 Gesellschaft, Gesellschaft, Burgdorf, Bildung / Schule, AktuellEine wichtige Rolle bei der Früherkennung von Brustkrebs spielt das kantonale Mammografie-Screening-Programm «donna». Im Publikumsvortrag erklären Spezialistinnen und Spezialisten des Spitals Emmental, wie dieses Programm funktioniert und wie sich ein interdisziplinäres Team um die Betroffenen kümmert, sobald die Diagnose feststeht.
An Brustkrebs Erkrankte können aber auch selber viel zur Verbesserung ihres Wohlbefindens und ihrer Lebensqualität beitragen. Selbsthilfegruppen können emotionale und praktische Stützen sein. Auch Bewegung und gezielte Physiotherapie während der Therapie und Genesung können den Heilungsverlauf positiv beeinflussen. Weiter kann auch die Ernährung helfen, den Körper zu stärken und das Wohlbefinden zu verbessern.
«D’REGION»: Wie wichtig ist die Früherkennung bei Brustkrebs?
Thomas Eggimann, stv. Chefarzt Frauenklinik: Die Früherkennung ist das A und O. Je früher entdeckt, desto besser. Bei früher Erkennung einer Brustkrebserkrankung sind oft weniger ausgedehnte oder intensive Therapien notwendig, um trotzdem einen sehr guten Heilungserfolg zu erreichen.
«D’REGION»: Welche Rolle spielt die regelmässige Selbstuntersuchung der Brust im Vergleich zur Mammografie?
Thomas Eggimann: Das ist ein viel diskutiertes Thema. Der Nutzen ist im Vergleich zur regelmässigen Mammografie nicht belegt. Trotzdem empfehle ich den Frauen, etwa einmal pro Monat die Brüste abzutasten. Niemand kennt seine Brust so gut wie die Frau selbst. Immer wieder kommen Frauen, die etwas ertastet haben. Ein Tastbefund macht fast immer Sorgen. Das muss nicht zwingend bösartig sein, und oft kann man die Frauen beruhigen.
«D’REGION»: Wie geht es nach der Diagnose weiter – welche medizinischen Schritte folgen typischerweise?
Thomas Eggimann: Wenn ein Brustkrebs mittels Biopsie bestätigt ist, werden alle Betroffenen am gemeinsamen Tumorboard des Brustzentrums vorgestellt. Hier wird dann festgelegt, welche weiteren Abklärungen zum Ausschluss oder Suchen von Ablegern (Metastasen) notwendig sind. Wenn man ein Bild der Krankheit hat, wird mit den Betroffenen die Therapieempfehlung besprochen. Die Therapie erfolgt immer häufiger zuerst mittels Medikamenten und nicht mehr in allen Fällen mit einer primären Operation. Die Operation ist aber heute noch in fast allen Fällen ein Standbein der Therapie, neben Medikamenten und eventuell Strahlentherapie. Nach abgeschlossener Therapie folgt dann die Nachsorge. Diese dient dazu, mögliche Rückfälle auszuschliessen oder früh zu entdecken.
«D’REGION»: Wie funktioniert das Screening-Programm «donna» konkret?
Alexandrina Nikolova, Leitende Ärztin Radiologie: Das Screening-Programm «donna» richtet sich an Frauen ab dem 50. Lebensjahr. Sie erhalten in der Schweiz alle zwei Jahre eine schriftliche Einladung zu einer Mammografie. Die Untersuchung selbst dauert in der Regel nur fünf bis zehn Minuten und wird von speziell geschulten Radiologiefachpersonen begleitet. Eine Konsultation bei einer Ärztin oder einem Arzt ist dabei normalerweise nicht vorgesehen.
Die Aufnahmen der Mammografie werden im Anschluss von zwei unabhängigen Fachärztinnen oder Fachärzten beurteilt. Innerhalb von acht Arbeitstagen erhalten die Frauen ihr Ergebnis: Ist der Befund unauffällig, folgt eine Einladung für den nächsten Screening-Termin in zwei Jahren. Bei einem unklaren Befund erfolgt eine Empfehlung für weiterführende Abklärungen.
«D’REGION»: Weshalb ist es wichtig, dass sich Frauen am Screening-Programm beteiligen?
Alexandrina Nikolova: Die Teilnahme am Screening-Programm ist deshalb so wichtig, weil Tumore in einem sehr frühen Stadium entdeckt werden können – oft mit einer Grösse von unter zwei Zentimetern. Wird ein Karzinom im Rahmen des Screenings diagnostiziert, kann die Anzahl der Mastektomien (operative Entfernung von Brustgewebe) etwa halbiert werden.
Dank der frühzeitigen Entdeckung ist meist eine schonendere Behandlung möglich: Häufig kann die Brust erhalten bleiben und in manchen Fällen kann auf eine Chemotherapie verzichtet werden. Dadurch werden Nebenwirkungen reduziert, was die Lebensqualität der betroffenen Frauen während der Krankheitsphase und auch danach deutlich steigert. Nicht zuletzt verbessern sich durch die frühe Diagnose die Heilungs- und Überlebenschancen signifikant.
«D’REGION»: Welche emotionalen Herausforderungen erleben Brustkrebspatientinnen am häufigsten?
Gabriela Kühni, Selbsthilfe BE: Mit der Diagnose Brustkrebs verändert sich das Leben komplett. Da sind natürlich zuerst einmal Zukunftsängste. Das ganze Leben wird infrage gestellt. Im Laufe der Behandlung kommen dann immer neue Themen dazu: Wie gehe ich mit Schmerzen um? Wie mit der Kraftlosigkeit und Müdigkeit? Wie gestalte ich meinen Alltag? Wo bekomme ich Unterstützung? Mein Körper verändert sich. Kann ich mich noch als Frau fühlen? Wie verändert die Krankheit meine Partnerschaft, meine Sexualität? Wie kommuniziere ich meine Krankheit nach aussen? Wie gehen das Umfeld, meine Familie, mein Arbeitgeber, meine Nachbarn damit um? Wo schöpfe ich Kraft, was tut mir gut? Das ist ein Teil der Fragen, welche die Teilnehmerinnen der «Selbsthilfegruppe Brustkrebs» miteinander diskutieren.
«D’REGION»: Welche Rolle spielen Selbsthilfegruppen im Krankheitsverlauf – und was ist ihr Mehrwert?
Gabriela Kühni: Es geht darum, im Austausch und durch das Lernen aus den Erfahrungen anderer Betroffener einen besseren Umgang mit der eigenen Krankheit zu finden. In der Selbsthilfegruppe kann ausgesprochen werden, was einen gerade bewegt. Die Teilnehmerinnen fühlen sich aufgefangen, verstanden und nicht mehr alleine mit ihren Problemen.
«D’REGION»: Welche Arten von Bewegung oder gezielter Physiotherapie sind während der Behandlung empfehlenswert – und warum?
Jessica Krah, Dipl. Physiotherapeutin: Bereits leichte dynamische Übungen können während der Behandlung durchgeführt werden. Dazu zählen ein leichtes Armpendeln oder leichte Dehnungen des Schulter-Nacken-Bereiches. Die Krebsliga hat eine Broschüre gestaltet mit dem Titel «Bewegung tut gut». Dies ist eine vielfältige Sammlung an Übungen für den Alltag, die man zu Hause gut umsetzen kann; sie ist leicht verständlich und verwendet Material, welches man meist zu Hause hat. Aber auch ganz klassisches Ausdauer- oder Krafttraining sind während einer Behandlung möglich. Es sollte individuell mit Betroffenen, betreuenden Ärztinnen und Ärzten und der jeweiligen Therapeutin oder dem Therapeuten besprochen werden, in welchem Umfang und Intensität Sport betrieben werden kann.
«D’REGION»: Wie kann Bewegung konkret helfen, Nebenwirkungen zu lindern oder Rückfällen vorzubeugen?
Jessica Krah: Bewegung steigert das Wohlbefinden und verbessert das eigene Körpergefühl, welches sich meist während der Behandlung verändert. Sie kann dazu beitragen, die physische und psychische Verfassung zu verbessern, ebenso die Fatigue (Ermüdung).
«D’REGION»: Gibt es einfache Übungen, mit denen Betroffene zuhause starten können?
Jessica Krah: Es kommt natürlich individuell auf die Beschwerden der Betroffenen an, daher kann man es nicht immer pauschalisieren. Man kann aber mit Wahrnehmungsübungen starten. Das heisst, Sie setzen sich aufrecht auf einen Stuhl, legen beide Hände je nach Druckempfindlichkeit auf den Brustkorb, schliessen die Augen und atmen ruhig durch die Nase ein und durch den Mund wieder aus. Als Dehnungsübung kann man sich ebenfalls aufrecht hinsetzen, den Kopf gerade halten und dann das Kinn Richtung Brust ziehen. So kommt es zu einer Dehnung der hinteren Nackenmuskulatur.
«D’REGION»: Gibt es spezielle Ernährungsempfehlungen für Brustkrebspatientinnen?
Eliane Steiner, Dipl. Ernährungsberaterin: Ja, es gibt gezielte Ernährungsempfehlungen für Brustkrebspatientinnen, etwa eine proteinreiche, ausgewogene Ernährung mit viel Gemüse, Vollkornprodukten, Hülsenfrüchten, gesunden Fetten und hochwertigen Proteinquellen. Rotes und verarbeitetes Fleisch sowie Alkohol sollten reduziert werden.
Eine spezielle «Krebsdiät», die den Tumor aushungert, gibt es nicht. Strenge Diäten oder Fasten können vielmehr das Risiko einer Unterversorgung an Energie, Protein und Nährstoffen erhöhen.
«D’REGION»: Kann die richtige Ernährung tatsächlich Einfluss auf den Krankheitsverlauf haben?
Eliane Steiner: Ja. Eine bedarfsgerechte Ernährung kann den Körper während der Therapie stärken, das Risiko für das Auftreten von Nebenwirkungen reduzieren und zur Verbesserung der Lebensqualität beitragen. Besonders wichtig ist es, einer Mangelernährung vorzubeugen, also einem Zustand, in dem der Körper nicht mehr ausreichend mit Energie, Protein und anderen Nährstoffen versorgt ist und dadurch an Kraft und Substanz verliert. Auch eine Gewichtszunahme, etwa durch die Therapie oder weniger Bewegung infolge von Fatigue (ausgeprägte Müdigkeit), kann mit einem gleichzeitigen Verlust an Muskelmasse einhergehen. Dieses Phänomen wird als sarkopene Adipositas bezeichnet. Auch dieser Zustand kann den Krankheitsverlauf, das Ansprechen auf die Behandlung und die Prognose ungünstig beeinflussen.
«D’REGION»: Wie wirkt sich eine Therapie auf die Ernährung aus?
Eliane Steiner: Nebenwirkungen der Therapie wie Appetitlosigkeit, Übelkeit, Geschmacksveränderungen oder plötzliche Abneigungen gegenüber bestimmten Lebensmitteln können das Essen zu einer Herausforderung machen. In dieser belastenden Phase fällt es vielen schwer, ausreichend Nährstoffe aufzunehmen. Dies hat nicht nur körperliche Auswirkungen, sondern kann auch psychisch belastend sein. Hier kann eine professionelle Ernährungsberatung sinnvoll sein, damit betroffene individuell beraten und unterstützt werden können. Schlussendlich soll Essen nicht mit Druck verbunden sein, sondern mit Freude und Genuss.
Text und Bilder: zvg
Vortrag:
Donnerstag, 30. Oktober 2025, 19.00 Uhr, im Kurslokal des Spitals Emmental (EG), Oberburgstrasse 54, Burgdorf.
Referentinnen und Referenten:
Kernmitglieder des Brustzentrums Emmental-Oberaargau:
• Dr. med. Thomas Eggimann, stv. Chefarzt Frauenklinik Spital Emmental
• Dr. med. Daniele Bolla, Chefarzt Frauenklinik SRO
• Dr. med. Alexandrina Nikolova, Leitende Ärztin Radiologie
• Jessica Krah, Dipl. Physiotherapeutin
• Eliane Steiner, Dipl. Ernährungsberaterin
• Gabriela Kühni, Selbsthilfe BE




