«Bildung, Innovation und Rahmenbedingungen – Erfolgsfaktoren der Schweiz»

  05.11.2025 Region, Wirtschaft, Aktuell, Region

Als Präsident des Handels- und Industrievereins des Kantons Bern, Sektion Emmental, begrüsste Markus Vögeli vergangene Woche rund 80 Mitglieder im Saalbau Kirchberg.
Der Referent Prof. em. Dr. Lino Guzzella doktorierte im Jahr 1986 an der ETH Zürich und arbeitete danach in diversen Positionen in der Akademie und der Industrie. Er war Professor für Maschinenbau und Verfahrenstechnik, später Rektor und dann Präsident der ETH. Seit dem Jahr 2023 ist er emeritiert. Er engagiert sich weiterhin für Themen im Bereich Energie, Innovation und Bildung.
Guzzella fokussierte in seinem Vortrag «Bildung, Innovation und Rahmenbedingungen – Erfolgsfaktoren der Schweiz» auf langfristiges Denken. Erstaunlich sei, dass nur etwa 10 Prozent der Innovationen umwälzend seien. Statistiken zeigen, dass Süd­korea mit knapp 5 Prozent des Brutto­inlandprodukts (BIP) am meis­ten in Forschung und Entwicklung investiere. In der Schweiz liege dieser Wert bei rund 3 Prozent. Innovationen würden durch Vernetzung begünstigt.
Das Exportvolumen der Schweiz ist trotz der Entwicklung des Wechselkurses gestiegen. Doch Guzzella warnte vor neuen geopolitischen Verwerfungen. Damit meinte er inflationäre Prozesse wie Deglobalisierung, Verteidigung, Dekarbonisierung, Staatsschulden oder die demografische Entwicklung. Als deflationär bezeichnete er die digitale Transformation. In den vergangenen Jahren habe sich die Welt in zwei Blöcke gespalten. Vor dieser Spaltung habe die Schweiz in den Bereichen Import und Export profitiert, nun sei sie zunehmend exponiert.
Die Prioritäten der Gesellschaft verschieben sich. Guzzella analysierte die jährlichen Arbeitsstunden in den verschiedenen Blöcken: China übertrifft alle anderen Staaten, Deutschland hat die tiefsten Werte. Der Referent fand kein Lob für die Zunahme der Arbeitszeiten, aber sie wirke sich trotzdem auf die wirtschaftliche Entwicklung aus. Zudem äusserte er sich kritisch zur zukünftigen Stromversorgung in der Schweiz.

Voraussetzungen für Erfolg
Die Voraussetzungen für Erfolg hängen von vielen Faktoren ab. Dazu gehören Planungssicherheit durch stabile Rahmenbedingungen, eine vernünftige Geldpolitik mit tiefer Staatsquote und eine unternehmerfreundliche Grundeinstellung von Gesellschaft und Politik. Verkehr und Energie sollten eine robuste und effiziente Infrastruktur bieten, das Bildungssystem müsse effektiv und effizient sein. Guzzella plädierte für die Priorisierung der Fächer Mathematik, Naturwissenschaften und Technik. Ganz wichtig seien kreative, leistungsfähige Menschen.
Social Media und Smartphones bedeuten neben allen Vorteilen auch ein Risiko, insbesondere für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene. Darum sei die Förderung von Kreativität auch im Bildungswesen äusserst wichtig. Guzzella hob das Projekt «explore-it» hervor. Dieses vermittelt Kindern ab 10 Jahren und Lehrpersonen Technikkompetenz auf spielerische Art (www.explore-it.org).
Das ETH-Gebäude in Zürich ist mit Graffitis geschmückt. Neben vielen Ornamenten finden sich auch Aussagen, die Studierende und Lernende verkörpern sollten. Begabung, Erkenntnis, Ausdauer, Entschlossenheit, Verstandesschärfe, Freiheit und Sorgfalt sind nur einige dieser Eigenschaften, die Erfolg begünstigen.
Guzzella sprach über grosse Projekte, welche die Schweiz in früheren Jahrhunderten angepackt hat, beispielsweise den Bau des Gotthardtunnels (1882) oder den Staudamm Grande Dixence (1961). Er stellte die Frage in den Raum, ob das auch heute noch möglich sei.

Schlusswort des Referenten
Abschliessend bezeichnete Lino Guzzella den «Sonderfall Schweiz» in seiner Innovationskraft als Erfolgsmodell, insbesondere die Anpassungsfähigkeit an die Weltmärkte. Entscheidend für diesen Erfolg seien ideale Rahmenbedingungen wie die Wirtschaftsordnung, die Steuerpolitik, das Bildungssystem und die Energieversorgung, für die sich jede/r einsetzen sollte. Danach beantwortete Guzzella die Fragen der Anwesenden, bevor diese bei einem Apéro riche die Gelegenheit hatten, das Thema bilateral zu vertiefen.


Text und Bilder: Helen Käser


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