Nationalrätin Magdalena Martullo-Blocher referierte über das EU-Vertragspaket

  19.11.2025 Lützelflüh, Politik

Am 11. November 2025 luden die SVP Kanton Bern, die SVP Frauen Kanton Bern sowie die Partei-Sektionen Lützelflüh und Langnau zu einer öffentlichen Veranstaltung über das EU-Vertragspaket in die Halle der Kühni AG in Ramsei ein. Im Mittelpunkt des Anlasses stand ein Referat der Graubündner Nationalrätin Magdalena Martullo-Blocher, Unternehmerin EMS-Chemie Holding AG und Vizepräsidentin der SVP Schweiz.
Von Mitte März 2024 bis im Dezember 2024 verhandelten die Schweiz und die Europäische Union über ein Paket neuer und überarbeiteter Kooperations- und Marktzugangsabkommen. Am 13. Juni 2025 billigte der Bundesrat die Abkommen dieses neuen Pakets zur Stabilisierung und Weiterentwicklung der Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU. Basierend auf den Ergebnissen des Vernehmlassungsverfahrens, das bis Ende Oktober andauerte, wird der Bund die definitive Vorlage erarbeiten und voraussichtlich im Frühjahr 2026 dem Parlament unterbreiten. Während die SVP das Vertragswerk entschieden ablehnt, stellen sich alle anderen Bundesratsparteien grundsätzlich hinter das Paket. Zu einer Volksabstimmung kommt es frühestens im Jahr 2027.
Wie sehr die aussenpolitische Vorlage interessiert und Teilen der Bevölkerung unter den Nägeln brennt, illustrierte der Grossaufmarsch in der Gemeinde Lützelflüh eindrücklich: Rund 700 Personen aus nah und fern besuchten den Anlass.
Andrea Gschwend-Pieren, Grossrätin und Präsidentin der SVP Emmental, hiess die Anwesenden im Emmental willkommen, wo die Hügel rund und die Menschen geradlinig seien. Werte wie Freiheit, Eigenverantwortung und Unabhängigkeit würden hier noch grossgeschrieben. Genau diese Unabhängigkeit und Selbstbestimmung würden jedoch durch die EU-Verträge auf dem Spiel stehen. Darum gelte es, die Stimme zu erheben, wenn die Freiheit in Gefahr sei.
Anschliessend trat Magdalena Martullo-Blocher ans Rednerpult, neben ihr aufgestapelt lag das rund 2000 Seiten umfassende Vertragswerk zwischen der Schweiz und der EU. Die Nationalrätin wies in ihren einleitenden Worten daraufhin, dass sie mit dem schönen Emmental ebenfalls bestens vertraut sei. So verbrachte sie in ihrer Kindheit die Ferien mit ihrer Familie oft im Kanton Bern, unter anderem auch in Lauperswil und wanderte den Schulweg des Schriftstellers Simon Gfeller nach. Scherzhaft fügte sie an, sie sei eine halbe Bernerin. Heimatberechtigt ist sie nämlich auch in Schattenhalb bei Meiringen. Das Emmental hätte in den vergangenen Jahrhunderten immer wieder für seine Freiheit, seine Rechte und eine eigene Gerichtsbarkeit gekämpft – heute müssten diese Errungenschaften wieder verteidigt werden. Der EU-Vertrag gehe alle an und tangiere jede Bürgerin und jeden Bürger ebenso wie sämtliche Unternehmen. Die Schweiz gewinne nichts durch das Vertragspaket – verliere aber unendlich viel. Bei einer Annahme, so Magdalena Martullo-Blocher, drohten Wirtschaft, Landwirtschaft und Gewerbe eine enorme Zunahme der Bürokratie: Zusätzlich zum Vertrag müssten auf einen Schlag 21 000 Seiten neue Regulierungen und Auflagen in den Bereichen Verkehr, Zuwanderung, Gesundheit, Lebensmittel und Strom übernommen werden: «Die Gesetzgebung wird in die EU ausgelagert, jedes Detail wird dort geregelt.» Volk und Parlament, zeigte sich die Nationalrätin überzeugt, verlieren ihre Rechte durch den Vertragsabschluss, welcher in zahlreichen Bereichen eine dynamische beziehungsweise in ihren Worten eine automatische Rechtsübernahme vorsieht – denn in über 95 Prozent der Übernahmen wäre kein Referendum möglich. Das Streitbeilegungsverfahren mit einem Schiedsgericht, welches bei Konflikten um den EU-Binnenmarkt das Urteil des Europäischen Gerichtshofs einbeziehen muss, erinnere sie an einen Kolonialvertrag. Der Bundesrat sei durchaus bereit, demokratische Rechte preiszugeben: Dies zeige sich bereits heute am Umstand, dass er die Verträge nicht dem obligatorischen, sondern nur dem fakultativen Referendum unterstellen will – ein so zentrales Geschäft gehöre automatisch vor das Volk und müsse auch dem Ständemehr unterliegen.  
Als weitere wichtige Argumente gegen die Verträge nannte Magdalena Martullo-Blocher die jährlichen Milliardenzahlungen an die EU, welche die Steuerzahler/innen zusätzlich belasten, sowie die steigende Zuwanderung infolge Teilübernahme der Unionsbürgerrichtlinie der EU. Dies führe zu einer Aushöhlung der Sozialwerke. Sie verwies auch auf die ihrer Ansicht nach problematische Öffnung des Schienenverkehrs für ausländische Bahnunternehmen. Die Ablehnung der EU-Verträge, schloss Magdalena Martullo-Blocher, sei ein Ja zur unabhängigen Schweiz.
Unter der Leitung von Nationalrätin Katja Riem und Grossrätin Stephanie Gartenmann diskutierten die SVP-Mitglieder Ernst Kühni, Geschäftsführer der gastgebenden Kühni AG, Lars Guggisberg, Nationalrat und Direktor des Berner Gewerbeverbandes, sowie Ursula Jakob-Schmid, Unternehmerin und Präsidentin der Berner KMU Frauen, über die Konsequenzen der EU-Verträge. Auf die Frage, ob die Personenfreizügigkeit nicht ein grosser Vorteil im Kampf gegen den Fachkräftemangel darstelle, antwortete Ernst Kühni: «Die Kühni AG sieht sich mit keinen Rekrutierungsproblemen konfrontiert. Wir bilden gegenwärtig 34 Lernende aus und ziehen so unseren Nachwuchs heran. Unsere Mitarbeitenden sind äusserst treu. Viele haben bei uns bereits die Lehre oder eine Weiterbildung absolviert. Dies spricht für Qualität.»
Nach einer Fragerunde seitens des Publikums endete der Anlass, der musikalisch vom Jodlerklub Oberfrittenbach umrahmt wurde.
Die Zeitung D’REGION traf sich nach der Veranstaltung mit Magdalena Martullo-Blocher zum Kurzinterview.

Kurzinterview mit Magdalena Martullo-Blocher
D’REGION: Die Schweiz befindet sich als Exportland in einer schwierigen Situation. In den USA setzt Präsident Trump scheinbar willkürlich Zölle fest – für die Schweiz mit 39 Prozent. Ist der Freihandel in Gefahr – und was heisst das für die Schweiz?
Magdalena Martullo-Blocher: Freihandelsabkommen mit der Schweiz sind aktuell äusserst gefragt. In den letzten zwei Jahren haben wir Freihandelsabkommen mit Indien, den Mercosur-Staaten Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay sowie mit Malaysia, Thailand und Kosovo abgeschlossen. Angesichts der angespannten internationalen Lage ist die Schweiz als neutraler, innovativer und technologisch führender Staat eine begehrte Handelspartnerin. Hier liegen unsere grossen Chancen. Mit China sind gegenwärtig ebenfalls Diskussionen über eine Modernisierung des bestehenden Freihandelsabkommens im Gange. Freihandelsabkommen sind weitaus attraktiver als komplizierte Regelwerke wie die EU-Verträge, welche uns schlechtes, fremdes Recht überstülpen und uns viel bezahlen lassen. Ich bin zuversichtlich, dass bei den Zoll-Verhandlungen mit den USA nächstens ebenfalls eine gute Lösung gefunden wird.

D’REGION: Was passiert, wenn das Volk bei der voraussichtlich 2027 stattfindenden Abstimmung die EU-Verträge ablehnt? Schliesslich ist die Europäische Union die mit Abstand wichtigste Handelspartnerin der Schweiz…
Magdalena Martullo-Blocher: Die EU würde natürlich weiter mit den Säbeln rasseln und uns vermutlich piesacken, wie sie dies bereits in der Vergangenheit getan hat. Die robuste Schweizer Wirtschaft könnte solche Nadelstiche jedoch verkraften. Im Vergleich zu den erlaubten Strafmassnahmen, die uns blühen, wenn wir das Vertragspaket annehmen und irgendwo kein EU-Recht übernehmen wollen, wäre dies definitiv das kleinere Übel. Wir wollen eigenständig bleiben und lassen uns nicht diktieren, mit wem wir geschäften. Die Geschichte lehrt uns, dass Grossmächte wie die EU stets versuchen, ihre Macht auszuspielen. Letztlich verfolgen sie aber auf lange Sicht eine rationale Interessenspolitik … Es liegt langfristig sicherlich im Interesse der EU, gute Beziehungen zur Schweiz zu pflegen und mit ihr Handel zu treiben.Markus Hofer


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