Wie die Gohlhaus-Brücke ihren Platz wechselte …
10.04.2025 Lützelflüh, RegionBrücken verbinden Menschen, Orte, Regionen, Länder und Kontinente. Sie bilden eine unverzichtbare Voraussetzung für Handel und Mobilität. Im Emmental, das reich an Gewässern ist, spielen Brücken seit jeher eine wichtige Rolle. Die Region ist bekannt für ihre schönen, alten gedeckten Holzbrücken, ein Beleg für die prächtige Zimmermannskunst. Einige von ihnen können bis heute bewundert werden – so auch die alte Gohlhaus-Brücke in Lützelflüh. Diese führte während Jahrzehnten den Verkehr einen Kilometer oberhalb des Bahnhofs Lützelflüh-Goldbach über die Emme gegen Ramsei.
Spektakuläre «Züglete»
Am 18. Mai 2000 – vor rund 25 Jahren – richtete sich die mediale Aufmerksamkeit auf die Gemeinde Lützelflüh. In einer spektakulären Aktion wurde die alte Gohlhaus-Brücke, ohne vorherige Demontage, auf Verschubbahnen mit Drahtseilen und hydraulischen Seilzuggeräten 45 Meter flussaufwärts an einen neuen Standort verschoben. Rund 20 Expertinnen und Experten standen dabei im Einsatz. Der gesamte Vorgang, der höchste Präzision erforderte, dauerte rund zwölf Stunden. Die Vorarbeiten begannen bereits am 7. April 2000 mit dem Bau der Verschubbahnen.
Zahlreiche Zuschauerinnen und Zuschauer säumten am 18. Mai 2000 das Emmeufer, um die aussergewöhnliche «Züglete» mitzuverfolgen. Vor Ort war auch die damalige Regierungsrätin Dori Schär (SP). Die 62 Meter lange und 300 Tonnen schwere Holzbrücke, die seit 2002 unter schweizerischem Denkmalschutz steht, wurde einer neuen Bestimmung zugeführt: Seit diesem Datum dient sie bis heute Fussgängerinnen und Fussgängern sowie Velofahrenden zur Überquerung der Emme. In ihrer Nähe befinden sich attraktive Freizeitangebote wie eine Brätlistelle im Schachenwald samt Spielmöglichkeiten für Kinder. Die Brücke ist nach wie vor im Besitz des Kantons Bern. Sie präsentiert sich wieder im Originalzustand von 1846. Sämtliche Verstärkungen wurden nach der Verschiebung entfernt.
An ihrem früheren Standort wurde eine neue zweispurige Stahlbeton-Verbundbrücke errichtet, die seit dem 9. Oktober 2000 die Querung der Emme für den Verkehr ermöglicht und damit eine zentrale Verkehrsachse durch das Emmental bildet. Während rund fünf Monaten wurde der Verkehr damals weiträumig umgeleitet. Insgesamt beliefen sich die Kosten für das Brücken-Projekt im Gohlhaus auf 4,13 Millionen Franken.
Ein Meisterwerk der Ingenieurskunst
Zuvor diente die alte Joch-Brücke 154 Jahre lang als wichtige Verbindung zwischen dem unteren und dem oberen Emmental. Erbaut wurde sie im Jahr 1846 im Rahmen des Neubaus der Staatsstrasse Lützelflüh-Goldbach-Farbschachen-Wannenfluh durch den Oberburger Zimmermeister Rudolf Schmid und den Burgdorfer Steinhauermeister Christian Gugger unter der Leitung des damaligen Bezirksingenieurs A. J. Kocher. Die Pläne erstellte Oberingenieur Johann Rudolf Gatschet im Jahr 1843. Gatschet hatte auch die pfeilerlosen Bogenbrücken von Schüpbach, Zollbrück und Hasle bei Burgdorf von 1839 konstruiert, welche die bei der verheerenden Überschwemmung vom 13. August 1837 zerstörten JochBrücken ersetzten. Das katastrophale Jahrhunderthochwasser beschrieb der Pfarrer und Schriftsteller Albert Bitzius alias Jeremias Gotthelf eindringlich und wortgewaltig in seiner Erzählung «Die Wassernoth im Emmental». Bei der Gohlhaus-Brücke setzte Gatschet vermutlich auch aus finanziellen Gründen auf eine Konstruktion mit Pfeilern. Der Gefahr, dass sich Ufergeäst und entwurzelte Baumstämme an den Pfeilern sammeln und dadurch die gesamte Brücke zum Einsturz bringen könnten, beugte der Ingenieur mit folgenden zwei Massnahmen vor: Erstens wählte er als Pfeiler nicht mehr in das Flussbett gerammte Balken, sondern setzte auf solides Mauerwerk aus Kalkstein. Zweitens achtete er darauf, dass die Abstände zwischen den Pfeilern genügend gross waren, damit sich keine Baumstämme querlegen und eine Stauung verursachen konnten. Die Kosten für den Bau der Gohlhaus-Brücke, die Hängewerke als Tragsysteme hat, beliefen sich auf 34 233 Franken. Der Aufwand für sie fiel also deutlich niedriger aus als derjenige für die sieben Jahre zuvor erbaute Bogenbrücke von Hasle bei Burgdorf, die 63 762 Franken gekostet hatte und mit einem Bogen von fast 60 Metern Spannweite die am weitesten gespannte Holzbrücke in Europa ist.
Zeitzeugin der Veränderung – von Fuhrwerken zu Blechlawinen
Während im 19. Jahrhundert Fuhrwerke die Brücke als Emmeübergang nutzten, änderte sich die Verkehrssituation mit dem Durchbruch und der Verbreitung des Automobils. Im Laufe der Jahrzehnte mussten deshalb aufgrund des gestiegenen Verkehrsvolumens immer wieder Reparatur- und Sanierungsarbeiten vorgenommen werden. So wurde die Gohlhaus-Brücke etwa in den 1940er-Jahren für den zunehmenden Verkehr verstärkt. Das «Burgdorfer Tagblatt» publizierte 1975 einen Bericht, in dem von der «polternden Gohlhaus-Brücke» die Rede war. Der Artikel bezog sich nicht etwa auf Meldungen über nächtliche Spukerscheinungen, sondern auf den Umstand, dass infolge der fortschreitenden Fäulnis des Querbodens unterhalb der Fahrbahn jedes Mal laute polternde Geräusche ertönten, wenn ein Fahrzeug die Brücke passierte. Mit dem Einbau eines neuen Brückenbodens konnte das Problem gelöst werden.
Das Schicksal der Gohlhaus-Brücke, die nur einspurig befahrbar war und bei der sich etliche Verkehrsunfälle ereigneten, avancierte in der Folge zum regelmässigen Politikum. Die Sanierung sowie die Aufhebung des Bahn-Niveauübergangs gehöre zu den «Hauptanliegen des Emmentals», konstatierte das «Burgdorfer Tagblatt» mitte der 1970er-Jahre: «Bei Stossverkehr stauen sich nämlich die Autoschlangen talaufwärts und talabwärts immer mehr, weil die Holzbrücke bekanntlich mit einem Kreuzungsverbot belegt ist. Überdies müssen jeweilen die Barrieren für die fälligen Züge für einige Minuten geschlossen werden, was die Verkehrssituation noch prekärer gestaltet.» Deshalb erarbeitete der Kanton den Plan, die alte Brücke durch einen grossen Viadukt zu ersetzen. Das Projekt, das 5,6 Millionen Franken gekostet hätte, sah beidseits der geplanten Überführung einen Damm mit einem Längsgefälle von 4 Prozent vor. Insbesondere aufgrund des Widerstands aus der Gemeinde Lützelflüh selber und von Umweltverbänden – befürchtet wurde unter anderem eine Beeinträchtigung des Landschaftsbilds – musste das Vorhaben beerdigt werden. Im Jahr 1982 wurde die Gohlhaus-Brücke nochmals saniert. In den 1990er-Jahren liebäugelte der Kanton mit dem Bau einer Unterführung in Kombination mit der Errichtung einer neuen Brücke. Auch dieses Projekt stiess auf Widerstand und wurde letztlich verworfen. Schliesslich gelangte die Minimalvariante zur Umsetzung: Die Verschiebung der alten Holzbrücke und der Bau einer neuen Stahlbeton-Verbundbrücke.
Die alte Gohlhaus-Brücke – obwohl keineswegs für den modernen Verkehr konzipiert – vermochte bis zum Jahr 2000 die volle Verkehrslast von 6000 Fahrzeugen täglich ohne Gewichtsbeschränkung zu tragen. Heute geht es auf ihr weitaus ruhiger zu und her. Sie geniesst sozusagen ihren wohlverdienten Ruhestand, ist aber nach wie vor einen Besuch wert.
Markus Hofer