Das Emmental als vielseitiger Angelpunkt

  20.01.2015 Aktuell, Region, Burgdorf, Jugend, Bildung / Schule

Wer seine Matura-Arbeit unter dem Motto der Burgergemeinde Burgdorf «regional – diagonal – Emmental» verfasst hat, kann sie der Burgerlichen Kulturkommission einreichen. Und wer von den insgesamt zwölf Absolventen der Burgdorfer Gym-Sekunda, welche diese Chance 2014 neben der normalen Matura-Prüfung genutzt haben, dann mit seiner beziehungsweise ihrer Matura-Arbeit die mehrköpfige Fachjury zu überzeugen gewusst hat, erhält eine Einladung zur Präsentation der eigenen Arbeit mit anschiessender Rangverkündigung.

Noch etwas Geduld
Bereits zum elften Mal kann die Burgerliche Kulturkommission diese Prämierung durchführen, die «gleichermassen von allen Beteiligten geschätzt wird», wie Burgerrätin Edith Müller bei ihrer Begrüssung der Festgemeinde im Sommerhaus ausführt. Auch Silvia Klöti, Prorektorin des Gymnasiums, überbringt Grüsse und Dank des Lernbetriebes: «Dieser Preis hat in unserem Gymnasium einen hohen Stellenwert. Um die Vorgaben für die Teilnahme an diesem Wettbewerb zu erfüllen, müssen andere Kriterien als diejenigen des Gymnasiums erfüllt werden. Die Bewertung erfolgt nach anderen Richtlinien als bei uns», also durchaus eine Herausforderung für die jungen Leute. Da die Matura am Burgdorfer Gymnasium auch in Englisch und Französisch absolviert werden kann, werden die teils fremdsprachigen Passagen der Matura-Arbeiten auf Deutsch präsentiert.
Da die Preisträger zwar eingeladen worden sind, ihren Rang jedoch noch nicht wissen, sind diese Maturanden mit ihren Familien und Freunden merklich aufgeregt.

Es grünt so grün
Samuel Gübeli, Burgdorf, klärt in seiner Matura-Arbeit zwei mögliche Standorte für die Wiederansiedlung der Eibe in Burgdorf ab. Für ihn als leidenschaftlichen Naturliebhaber war klar, dass seine Arbeit einen Bezug zum Wald aufweisen müsse. Da die Eibe immer mehr aus dem lokalen Erscheinungsbild zu verschwinden droht, hat er detaillierte Forschungen und Analysen an zwei potenziellen Standorten (Gyrischachen und Ziegelei) durchgeführt. Der Burgerliche Oberförster Werner Kugler und sein Vater Thomas Gübeli – letzterer beim Graben der einen Meter tiefen Löcher in den Boden für die Bodenproben – waren willkommene Helfer. Anhand der Tabellen und Untersuchungen zeigt Gübeli auf, dass theoretisch beide Standorte für Eiben – von denen es derzeit noch fünf in Burgdorf gibt – geeignet wären, die Ziegelei allerdings ein kleines bisschen besser.

Mit Schwung über den Röstigraben
Romina Stein, Burgdorf, präsentiert ihre französisch abgefasste Matura-Arbeit «Les ambassadeurs de l’Emmental» humor- und temperamentvoll auf Deutsch und liefert mit ihrer überzeugenden Präsentation den Beweis, dass Deutschschweizer – vor allem auch die Jungen – durchaus nicht nur Streber, arrogant und streng sind. Sie will mit dem Aufbau von interkulturellen Beziehungen zwischen Gymnasiasten helfen, Vorurteile wie den Röstigraben abzubauen und das gegenseitige Verständnis fördern. Sie zeigt die vielfältigen Anstrengungen auf, die sie bis zum Besuch der Gymnasiasten aus Neuchâtel bewältigen muss. Diese nächtigen in einem Zeltlager im elterlichen Garten, machen vielfältige Ausflüge und Besichtigungen und sind am Ende überzeugt, dass die Überwindung von Sprachbarrieren für alle nur Vorteile bringt. Seither sprechen die welschen Besucher von weltoffenen, humorvollen und selbstsicheren Burgdorfern.

Ein Reisebuch für Junge
Laura von Arb, Burgdorf, stellt ihr Erstlingswerk «Summer Day Trip for Young People» ebenfalls in Deutsch vor. Das englisch geschriebene Werk, gedruckt bei Haller & Jenzer, Burgdorf, weist zahlreiche gelungene Fotos der Primanerin auf und überzeugt durch wertvolle Reise-, Fahrt- und Wandertipps. Von Burgdorf aus führen je zwei Tagesreisen durch die Emmestadt selber und nach Bern, Solothurn und ins Emmental. Nachdem sie mit der Vorstellung ihrer Touren und den Erklärungen zu pannenfreiem Besuch die aufgezählten Sehenswürdigkeiten mit viel Leidenschaft für ihre Heimatstadt und die umliegende Gegend geworben hat, hat sie offensichtlich nicht nur «Young People» (junge Menschen) angesprochen, sondern auch viele Anwesende. Denn nach der Präsentation kann Laura von Arb («ich reise leidenschaftlich gern») dank der aufgeführten Ziele nicht wenige ihrer «Reisebücher» verkaufen.

Verloren auf beiden Seiten der Erde
Sabrina Althaus, Bätterkinden, widmet ihre Matura-Arbeit einem eher ungewöhnlichen Thema für eine so junge Frau: «Vergleich der rechtlichen Situa­tion von Verdingkindern (in der Schweiz bzw. dem Emmental) und der ‹Stolen Generation› (gestohlene Generation der Ureinwohner bzw. Aborigines in Austra­lien, Staat Victoria).» Sie kommt zurück auf die gesetzlichen Grundlagen in der Schweiz und Australien, «dank» denen die Obrigkeit Schweizer Kinder als Verdingkinder platziert beziehungsweise in Australien die Kinder der Aborigines oder Halbblut-Kinder (Half-Caste-Kinder aus Beziehungen zwischen Weissen und Ureinwohnern) in Heimen oder Schlimmerem untergebracht, umerzogen und angepasst werden. «Ich will diesen Menschen eine Stimme geben, denn nie ist diesbezüglich ein Wiedergutmachungs-Prozess durchgeführt worden. Immerhin haben sich Bundesrätin Simonetta Sommaruga und der australische Premier Kevin Rudd vor nicht langer Zeit offiziell entschul­digt.»

Viel Ehre und ein Zustupf
Dann tritt Edith Müller ans Mikrofon und verkündet die Rangierung: Der 1. Preis mit 1000 Franken geht an Romina Stein, die «offensichtlich eine Riesenarbeit vor der erfolgreichen Durchführung ihrer Projektwoche mit den Maturanden aus Neuchâtel bewältigen musste.» Sabrina Althaus darf den 2. Preis (750 Franken) für «die anschauliche Darlegung des traurigen Kapitels Verdingkinder und verlorene Generation» entgegennehmen. Weil die Jury zwei Arbeiten gleich gut bewertet hat, gehen je ein 3. Rang (500 Franken) an Laura von Arb und Samuel Gübeli. Der mit 250 Franken dotierte Publikumspreis geht wenig überraschend ebenfalls an Romina Stein, die von allen Seiten Glückwünsche entgegennehmen darf.

Anschliessend lädt die Burgergemeinde alle Anwesenden zum traditionellen Apéro ein, bei dem ausgiebig geplaudert und vom köstlich angerichteten Buffet gegessen wird.

Gerti Binz


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