«37 Ansichtskarten», eine herrlich schräge Komödie
23.02.2016 Aktuell, Fraubrunnen, Region, Vereine, KulturAls Florian Sutter nach acht Jahren Amerika seine Verlobte Sara nach Hause bringt, umschreibt er ihr seine Familie als ein bisschen exzentrisch. Was die beiden allerdings tatsächlich erwartet, übertrifft sogar Florians Erwartungen. Nicht nur das ganz in Rosa gehaltene Haus steht eindeutig in Schieflage, sondern auch seine Bewohner verhalten sich – gelinde gesagt – ziemlich schräg: Die Mutter verwechselt Florians Verlobte Sara ständig mit Anna, dem Hausmädchen, der Vater spielt Golf – am liebsten nachts mit leuchtenden Golfbällen, Grossvaters Jagd-Trophäe, ein Hirsch, steht momentan im Gästezimmer, Tante Esther bäckt massenweise Muffins, macht Yoga und betreibt lukrative Nebengeschäfte und die tot geglaubte Grossmutter wohnt im kleinen Kellerzimmer.
Gute berndeutsche Übersetzung
Mit den «37 Ansichtskarten» von Michael McKeever hat das Schlosskeller-Theater wiederum ein ganz starkes Stück ausgewählt – ein herrlich überdrehtes Stück, das in seiner Schrägheit zum Lachen anregt. Ein Stück aber auch, bei dem einem im Verlaufe des Abends das Lachen immer wieder im Halse stecken bleibt. Regisseur Simon Burkhalter hat das Stück in seiner berndeutschen Übersetzung klugerweise an hiesige Gegebenheiten angepasst und unter anderem auch die Namen entsprechend verändert, was den Zuschauer – ganz dem intimen Rahmen des Aufführungsortes entsprechend – ins Geschehen hineinzieht und entsprechend betroffen macht.
Beeindruckende Rollenporträts
Stark ist aber nicht nur das Stück, sondern auch die sechs Darsteller/innen, die allesamt zum ersten Mal in Fraubrunnen spielen und vom ersten Augenblick an bis zum Ende der Aufführung mit einer absolut grossartigen Leistung überzeugten. Danièle Themis als die ihre eigene Realität zurechtbiegende Mutter. Hanspeter Meier als der von sich selbst ablenkende Vater. Ursula Steiner in der Rolle der Tante, die trotz Back-Tick und etwas speziellem Nebenverdienst beide Füsse auf dem Boden der Realität behalten hat. Nik Zbinden als heimkehrender Sohn, der etlichen Tatsachen ins Auge zu schauen hat – auch solchen, die ihn selber betreffen. Eliane Baumann als Verlobte Sara, die als Aussenstehende das Verhalten der Familie Sutter als schlicht verrückt und reif fürs Irrenhaus empfindet. Und schliesslich Susi Lohner als derb-unhöfliche Grossmutter, die im Hause Sutter mehr geduldet als herzlich willkommen ist.
Absolut empfehlenswert!
Zum Erfolg des Stücks beigetragen haben aber auch das herrliche, im wahrsten Sinne des Wortes schräge und mit allerlei Familiengeschichten illustrierte Bühnenbild (Simon Burkhalter) und die bis ins Detail durchdachten, wunderschönen Kostüme (Eveline Rinaldi), die die quere Art der verschiedenen Familienmitglieder, sich eine heile Welt zurechtzubasteln, aufs Beste untermalten.
Fazit: eine geniale Inszenierung mit grossartig gespielten, starken Rollenporträts, die einen gleichzeitig zum Lachen und Nachdenklichwerden anregt – und ein absolutes Muss für Theaterfans, die doppelbödige Komödien lieben.
Andrea Flückiger
Weitere Vorstellungen: Mittwoch, 24.2.; Freitag, 26.2.; Sonntag, 28.2.; Mittwoch 2.3.; Freitag, 4.3.; Sonntag, 6.3.; Mittwoch, 9.3.; Freitag, 11.3.; Samstag, 12.3.; Sonntag, 13.3.; Mittwoch, 16.3.; Freitag, 18.3.; und Samstag, 19.3. Mittwoch, Freitag und Samstag, jeweils 20.15 Uhr; Sonntag, 17.00 Uhr.
www.schlosskellerfraubrunnen.ch