Spannende Begegnung über die Sprachgrenzen hinweg
05.06.2017 Aktuell, Grafenried, Foto, Region, Kultur, Jugend, Bildung / Schule«Schau, dort hinter dem Baum ist ein ‹lapin› – was ist das auf Deutsch?» – «C’est un ‹Kaninchen› – tu le vois là-bas?» – «Ah, ja genau, jetzt sehe ich es.» Im Wald oberhalb des Schulhauses haben die 39 Kinder Zweiergruppen (und eine Dreierguppe) gebildet – immer je ein Kind aus Grafenried und eines aus St-Imier. Jedes Paar hat ein «Tier» zugeteilt bekommen – einen Kleber mit dem deutschen und einen mit dem französischen Ausdruck. Nun müssen die Kinder die anderen Tiere auf Deutsch und Französisch erraten und gleichzeitig verhindern, dass die anderen ihr Tier herausfinden. Offensichtlich ist dieses Spiel lustig: die Kinder rennen gruppenweise im Wald umher, verstecken sich, kichern, laufen davon, wenn sie entdeckt werden und schreiben schnell den Namen des nächsten Tieres auf, wenn sie wieder eines entdeckt haben.
Um ihren Schülern/-innen auf praktische Art zu zeigen, warum Französisch wichtig ist, arbeitet die Grafenrieder Lehrerin Romy Salzmann seit Jahren mit Elisabeth Beck, einer Lehrerin aus St-Imier, zusammen. «Wir haben uns vor Jahren an einer Weiterbildung der PH kennengelernt – seitdem führen wir regelmässig gemeinsame Projekte durch», erzählt die engagierte Klassenlehrerin. «So sind wir beispielsweise letzten September in der Landschulwoche nach St-Imier gegangen, wo wir immer wieder Sachen gemeinsam mit unserer Partnerklasse unternommen haben.» Die Fünft- und Sechstklässler aus Grafenried hätten je ein «Kamerädli» aus der vierten Klasse in St-Imier zugeteilt bekommen. «Auf spielerische Weise versuchen wir nun, die Kinder auf verschiedene Arten zu ermuntern, miteinander zu kommunizieren.» So hätten zum Beispiel die Schüler/innen aus St-Imier geholfen, den Grafenrieder Eltern eine Ansichtskarte auf Französisch zu schreiben, und jetzt würden die Eltern aus St-Imier eine auf Deutsch geschriebene Postkarte bekommen.
Nun findet auf den Baumstämmen am Wegrand die Rangverkündigung statt. Doch bevor die Schüler/innen erfahren, wer am meisten Tiere gesammelt hat, stellen sie den anderen ihr Tier vor – ein Satz auf Deutsch, ein Satz auf Französisch, und wer will, darf sein Tier spielen.
«C’est un animal domestique. Il est petit.» – «Es ist farbig.» Die Kinder wissen die Antwort sofort: «C’est un perroquet!» Romy Salzmann fragt nach: «Und was heisst das auf Deutsch?» – «Ein Papagei!» – «Bravo!» Als alle 19 Tiere auf diese Weise vorgestellt sind, verkündet Elisabeth Beck, dass die beste Gruppe ganze 17 Tiere herausgefunden habe – dieser winkt nun eine Tafel Schokolade…
Für das Mittagspicknick kurz vor der Heimreise nach St-Imier sitzen die Kinder gruppenweise zusammen und diskutieren angeregt miteinander. Romy Salzmann lacht: «Während der Pausen sitzen die Kinder am liebsten doch mit denen zusammen, die ihre eigene Sprache sprechen. Das lassen wir ganz bewusst zu, denn es ist relativ anstrengend, sich über längere Zeit mit einem noch beschränkten Wortschatz zu verständigen.» Das bestätigen auch die Grafenrieder Schüler/innen: «Aber wir konnten trotzdem gut miteinander reden – notfalls mit Händen und Füssen.» – «Und die Viertklässler können schon sehr gut Deutsch, die haben so viel verstanden…» – «Dieser Klassenaustausch ist cool, da lernen wir wirklich viel – und die Kinder aus St-Imier sind sehr nett, hoffentlich sehen wir die noch mehr…»
Andrea Flückiger